Nachruf
Karl-Hans Laermann: Ein liberaler Bildungspolitiker von hohen Graden
Es lässt sich schwerlich behaupten, dass deutsche Hochschullehrer per se besonders für die Politik geeignet wären. Aber es finden sich natürlich auch Fälle von hochqualifizierten Wissenschaftlern, die als „politischen Professoren“ zugleich Politik gestalten und managen können und konnten. Zu Letzteren zählt vermutlich Karl-Hans Laermann.
Laermann wurde an Weihnachten 1929 in einem Ortsteil von Erkelenz geboren, machte 1950 das Abitur und studierte anschließend an der benachbarten RWTH Aachen Bauingenieurwesen. 1963 wurde er zum Ingenieur promoviert, habilitierte sich 1966 und lehrte als Dozent für Experimentelle Statik an der Aachener Hochschule. 1974 wurde er als ordentlicher Professor für Baustatik an die zwei Jahre zuvor erst neu gegründete Gesamthochschule Wuppertal berufen, an der er das Labor für experimentelle Spannungsanalyse und Messtechnik leitete. An der später so umbenannten Bergischen Universität versprach man sich bei den anstehenden Neubaumaßnahmen viel davon, einen hochqualifizierten Hochschullehrer ausgerechnet für dieses Fachgebiet zu besitzen.
„Wissenschaftler in der Politik“
Aber noch im Jahr seiner Berufung 1974 wechselte Laermann in die Politik als Mitglied des Deutschen Bundestages. Er rückte für den zum Bundespräsidenten gewählten Walter Scheel über die Landesliste NRW ins Bonner Parlament nach. Als „Wissenschaftler in der Politik“ – wie er sich selbst verstand – wurde er 1977 stellvertretender Vorsitzender und 1980 Vorsitzender des Arbeitskreises Bildung und Wissenschaft, Forschung und Technologie der FDP-Bundestagsfraktion. Er war seit 1978 Mitglied des Landesvorstands der FDP Nordrhein-Westfalen und zwei Jahre später auch Mitglied des Bundesvorstands seiner Partei. Seit Beginn der 1980er Jahre leitete er zudem die Bundes- und Landesfachausschüsse für Forschung und Technologie der FDP. In den 1980er Jahren galt er somit bei den Liberalen als ein ausgewiesener Fachmann für Wissenschafts- und Forschungspolitik.
Aber Laermanns Engagement beschränkte sich keineswegs auf die politische Ebene. Auch in der Wissenschaftsförderung machte er als Kuratoriumsmitglied der Stiftung Volkswagenwerk und der Deutsch-britischen Stiftung für das Studium der Industriegesellschaft von sich reden. So wirkt es konsequent, dass er 1984 in das Kuratorium der Friedrich-Naumann-Stiftung gewählt wurde, dem er über 27 Jahre angehörte und das er zwischen 1998 und 2009 als stellvertretender Vorsitzender leitete. Außerdem wurde er Kuratoriumsmitglied der nordrhein-westfälischen Wolfgang-Döring-Stiftung. Laermann wollte aber nicht nur in Gremien sitzen, sondern er wollte gestaltend mitwirken. Deshalb engagierte er sich zwei Jahrzehnte lang von 1991 bis 2011 im Programmausschuss und war von 1997 bis zu seinem Ausscheiden dessen Vorsitzender.
Laermann war geborener und – wenn man es so sagen möchte – überzeugter Rheinländer. Während er in der Bundes- und Landespolitik führende Positionen einnahm, vergaß er seine heimatliche Region nicht. So wurde er 1992 zum Kreisvorsitzenden der FDP Mönchengladbach gewählt. Damit ging er den umgekehrten Weg vieler Politiker, die in der Kommune beginnen und sich nach oben arbeiten, indem er in die Bundespolitik einstieg und erst später in die Kommunalpolitik wechselte.
Ernennung zum Bildungsminister 1994
Ganz überraschend kam zwei Jahre später, im Februar 1994, Laermanns Ernennung zum Bundesbildungsminister. Für dieses Amt kam allerdings als Mitbewerber auch der damalige hessische Landesvorsitzende Wolfgang Gerhardt in Frage, der gleichfalls ein ausgewiesener Bildungspolitiker war. Doch am Ende konnte sich in einer internen Abstimmung von Bundesvorstand und Fraktion die FDP NRW um Jürgen Möllemann knapp durchsetzen. So folgte Laermann dem aus Gesundheitsgründen zurückgetretenen mecklenburgischen Landesvorsitzenden Rainer Ortleb als Bildungsminister nach.
In seinem Amt, das Laermann nur bis zur nächsten Regierungsbildung im November 1994 nach den Bundestagswahlen bekleidete, hat der dem technologischen Wandel gegenüber äußerst aufgeschlossene Rheinländer ganz erhebliche Aktivitäten entfaltet. So setzte er sich für die Erhöhung der BAföG-Freibeträge, die Förderung der Fachhochschulen und die Steigerung der Mittel für den Hochschulausbau ein. Schließlich unterstützte er die Verbesserung der „Europatauglichkeit“ der Studierenden und schlug mit einer „Gemeinschaftsinitiative Ost“ die Förderung von außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen vor. Auch wenn sich diese Pläne in der nur kurzen Amtszeit von neun Monaten nur ansatzweise umsetzen ließen, hatte Laermann bei seinem Ausscheiden Initiativen angestoßen, an die sein Nachfolger Jürgen Rüttgers (CDU) in dem neu geschaffenen „Zukunftsministerium“ für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie anknüpfen konnte.
Aufgrund seiner bildungspolitischen Verdienste wurde Laermann 1996 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen. Ohne Zweifel hat er mit seinem Wirken einen bedeutenden Beitrag zur Verwirklichung der liberalen Bildungsidee im Sinne eines Freiheits- und Partizipationsversprechens geleistet. Am 26. Juni 2024 ist er im hohen Alter von 94 Jahren verstorben.