Argentinien
Peronist gewinnt Präsidentschaftswahlen
Präsident Mauricio Macri hat die Wirtschaftskrise nicht in den Griff bekommen. Am Sonntag wurde er abgewählt. Dass die Peronisten, die nun die Macht wieder übernehmen, es besser machen, darf bezweifelt werden.
Eine Runde reichte aus. Bereits im ersten Anlauf war die Sache entschieden: Alberto Ángel Fernández wird neuer argentinischer Präsident. Rund 48 Prozent der gültigen Stimmen konnte er bei den Wahlen zum Staatsoberhaupt am Sonntag auf sich vereinigen, etwas mehr als die für den Sieg erforderlichen 45. Amtsinhaber Mauricio Macri musste sich geschlagen geben.
Macri trat auf dem Ticket von „Juntos por el cambio“ an, einer weltanschaulich vielfarbigen, konservativ-sozialliberalen Parteienallianz. Mit ihr überzeugte er gut vierzig Prozent der Wähler. Unter dem Namen „Cambiemos“ hatte ihm dieses Bündnis vor vier Jahren den Einzug in die Casa Rosado, den Amtssitz des Präsidenten im Herzen von Buenos Aires, ermöglicht. Die enorme ideologische Integrationskraft seiner Allianz zeigt auch die Biografie seines Stellvertreterkandidaten: Miguel Ángel Pichetto kommt aus dem peronistischen Lager.
Es ging nur noch um Gesichtswahrung
Ein Trost für den abgewählten Präsidenten: Der Rückstand hinter Fernández fiel diesmal nicht ganz so dramatisch aus wie noch bei den Vorwahlen Mitte August. Seinerzeit hatten rund 48 Prozent für den Herausforderer und nur etwa 32 für den Amtsinhaber gestimmt. Bei den eigentlichen Wahlen am Sonntag betrug der Abstand nur noch gut sieben Prozentpunkte. Das ist nicht unbedeutend. An einen Wahlsieg Maris hatte zuletzt niemand mehr ernsthaft geglaubt. Es ging nur noch um Gesichtswahrung. Eine Wiederholung des Vorwahlergebnisses hätte das Regierungsbündnis in Trümmer gelegt.
Nun kann es sich mit erhobenem Haupt auf eine Führungsrolle in der Opposition konzentrieren. Im Parlament sieht die Situation gar nicht so düster aus. Auch die Hälfte der Abgeordneten ist an diesem Sonntag neu gewählt worden. Das Macri-Lager kommt nunmehr auf 119 der insgesamt 257 Sitze und hat damit nur einen Parlamentarier weniger als die Peronisten. Auch im Senat bilden es mit 29 von 72 Sitzen nach wie vor einen wichtigen Faktor.
Trophäe der Präsidentschaft zurückerobern
Fernández, der am 10. Dezember die Amtsgeschäfte offiziell übernehmen wird, ist nicht zu beneiden. Argentinien steckt in einer tiefen wirtschaftlichen Krise, deren Erscheinungsformen – hohe Staatsverschuldung, galoppierende Inflation, steigende Armut – noch ein Erbe der Kirchner-Zeit sind, allerdings auch das Resultat einer halbherzigen und widersprüchlichen Reformpolitik. In Zeiten wie diesen in Argentinien Präsident zu sein, ist ein Knochenjob, mindestens.
Fernández' im Mai bekanntgegebene Kandidatur war ein Coup. Bis dato war damit gerechnet worden, dass die peronistische Opposition mit Ex-Präsidentin Cristina Kirchner in den Wahlkampf ziehen würden. Dass sie sich in ihrer achtjährigen Amtszeit (2007 bis 2015) auf Kosten der Menschen bereichert hat, war ihrem Image nicht wirklich abträglich. Auf dreißig Prozent war ihr Potenzial im Falle einer Präsidentschaftskandidatur geschätzt worden. Immer noch ordentlich für jemanden, gegen den mehrere Gerichtsverfahren wegen Korruption laufen. Aber eben nicht genug, um die Trophäe der Präsidentschaft zurückzuerobern.
Feigenblatt für linkspopulistisches Aktionsprogramm
Der in Auftritt und inhaltlicher Positionierung moderatere Fernández wurde Kandidat für das Amt des Staatschefs, Kirchner für das der Vizepräsidentin. Bislang war der rhetorisch wenig inspirierende, 60-jährige Juraprofessor eher ein Mann der zweiten Reihe. Das höchste politische Amt, das er innehatte, war das des Kabinettschefs, in Argentinien eine Art Premierminister. Trotzdem: Seinem Selbstverständnis nach dürfte er mehr sein als das Feigenblatt für Kirchner und ihr linkspopulistisches Aktionsprogramm. Einfach gehorchen oder gar weichen wird er seiner Vizepräsidentin nicht.
Mit Fernández ist der Peronismus zurück an den Hebeln der Macht. Damit scheint ein argentinientypischer Normalzustand wiederhergestellt zu sein. Seit rund sieben Jahrzehnten entkommt das Land den Fängen Juan Domingo Peróns, des Gründervaters, und seiner politischen Kinder und Enkel nicht wirklich – von wenigen kurzen Abenteuern abgesehen.
Launen und Wunschlisten der eigenen Leute
Der Peronismus ist keine Partei mit politischer Leitidee und programmatischer Basis. Er besteht aus zahlreichen Gruppen und Netzwerken, linken wie rechten, vereinzelt sogar aus liberalen. Es wird interessant sein zu beobachten, welche dieser Spielarten sich in den nächsten vier Jahren durchsetzt: eine eher pragmatische, für die der neue Präsident zu stehen scheint, oder eine auf die wenig segensreiche starke Hand des Staates setzende. In jedem Falle wird sich Fernández bei allem, was er plant und umsetzen will, zunächst mit den Launen und Wunschlisten der eigenen Leute arrangieren müssen: der Abgeordneten und Senatoren im Kongress in Buenos Aires, der Gouverneure in den Provinzen – und natürlich seiner Stellvertreterin.
Was immer Fernández und seine Mannschaft behaupten werden, wenn sie sich demnächst anschicken, das Land aus der Krise zu führen: Nicht der Ansatz einer marktorientierten Wirtschaftspolitik ist mit Macri gescheitert. Dessen Fehler war nicht ein Übermaß an Reformen, sondern ein Mangel an Mut, Kommunikationsfähigkeit und strategischer Weitsicht. Er hat Subventionen gestrichen, um den Staatshaushalt zu entlasten. Die Menschen aber haben allein die höheren Kosten gespürt. Als Proteste gegen die wachsende Armut lauter wurden, verfiel die Regierung in Aktionismus und griff dabei immer wieder auch auf das Instrumentar des schon von den Peronisten kultivierten staatlichen Dirigismus zurück.
Marktwirtschaft geht anders. Das Fernández sich ihre Grundsätze zu eigen macht, ist unwahrscheinlich. In dieser Ignoranz aber liegt eine Chance, nicht zuletzt für den Liberalismus. Er muss seine Rollen für die nächsten vier Jahre finden, in der parlamentarischen Opposition genauso wie in der öffentlichen Diskussion.