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Jordan Elections
Jordaniens Wahlen 2024: Ein Wendepunkt mit anhaltenden Herausforderungen

Jo Election

Die Parlamentswahlen 2024 in Jordanien markierten einen wichtigen Moment in der politischen Entwicklung des Landes und erinnern an die Ergebnisse von 1989 durch großen Erfolg islamistischer Kräfte. Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten und zunehmender geopolitischer Spannungen, insbesondere im Schatten des Gaza-Konflikts, waren diese Wahlen durch neue Reformen geprägt, die auf eine stärkere politische Beteiligung von Parteien abzielten. Trotz einiger Erfolge bleiben tief verwurzelte Herausforderungen bestehen, während das Land mit Fragen der Repräsentation, Wählerbeteiligung und Wahlintegrität ringt.

Politische Reformen und Parteibeteiligung

Ein zentrales Merkmal der Wahlen 2024 war die Einführung von Reformen, die darauf abzielten, das politische System von stammesdominierten Strukturen hin zu einem parteizentrierten System zu verschieben. Diese Reform, Teil eines umfassenderen Demokratisierungsprozesses, sollte die Beteiligung politischer Parteien fördern. Jordaniens größte Oppositionspartei, die Islamic Action Front (IAF) und politischer Arm der Muslimbruderschaft, nutzte diese Veränderungen und sicherte sich 31 Sitze – ein historischer Erfolg, der wohl die für die Haltung der Partei zum Konflikt in Gaza gewonnene Unterstützung widerspiegelt. Die eigentliche Stärke der IAF zeigt sich noch deutlicher bei den Zweitstimmen, die für Parteilisten oder Parteibündnisse abgegeben wurden. Hier fallen von 38 Sitzen, die für Parteien reserviert sind, 17 auf die IAF. Dieses Resultat unterstreicht eindrucksvoll die derzeit  organisatorische, ideologisch-programmatische Überlegenheit der Isalmisten gegenüber allen anderen Parteien und sogar Parteibündnissen. Die Mehrheit der Sitze hat die IAF jedoch verfehlt, selbst zusammen mit Vertretern ähnlich gesinnter oder kommunistischer Parteien kann sie keine Mehrheit bilden.  

Obwohl die Reformen die Beteiligung politischer Parteien förderten, bleibt die politische Landschaft Jordaniens weitgehend von Stammeszugehörigkeiten und regierungsnahen Fraktionen dominiert. Nichtsdestotrotz ist es dem jordanischen Staat durch vergangene Reformen gelungen, eine stärkere Partizipation und Sichtbarkeit verschiedener Parteien zu fördern. Knapp 75% der Gewählten haben eine Parteizugehörigkeit.

Jordaniens Engagement für stärkere Inklusivität zeigte sich in reservierten Parlamentssitzen für Frauen, Christen und ethnische Minderheiten. Das Quotensystem sicherte bedeutende Erfolge für weibliche und Minderheitenkandidaten, wobei einige Frauen, wie Ruwa Al-Zboun, besonders erfolgreich waren. Auch christliche Kandidaten profitierten von den reservierten Sitzen und blieben in Regionen wie Ajloun und Balqa vertreten. Insgesamt sind doppelt so viele Frauen wie in der vorherigen Legislatur vertreten, davon sechs Gewählte und 18 durch die Quote gesicherte, was einen weiteren Erfolg vieler Reformanstöße im Land zeigt.

Trotz des Fortschritts wirft das Quotensystem Fragen über das Ausmaß der gesellschaftlichen Integration dieser Kandidaten auf, da viele stark auf die Unterstützung ihrer Gemeinschaft angewiesen sind und nur begrenzten Rückhalt in der breiteren Bevölkerung haben. Dies schränkt ihre potentielle Wirkung auf die nationale Politik ein und zeigt, dass neben Inklusivitätsmaßnahmen bei zukünftigen Wahlen ein größerer Fokus auf Parteiprogrammen liegen muss, um die Wählerlandschaft zu überzeugen.  

Wählerbeteiligung und Engagement

Zwar meldete die unabhängige Wahlkommission (IEC) eine ähnlich hohe Wahlbeteiligung wie in Vorjahren von rund 32%, jedoch ist eine deutlich hohe Wahlpartizipation (43%) unter jungen Wählerinnen und Wählern (unter 35 Jahren) zu verzeichnen, was einen wirklichen Wendepunkt in Jordanien verzeichnet. Jordanien hat eine sehr junge Bevölkerung, 53% sind jünger als 25Jahre. Die im Altersvergleich überdurchschnittliche hohe Wahlbeteiligung der jüngeren Wahlberechtigten, zeigt, dass die Demokratisierungsinitiative des Königs zu greifen scheint und verspricht hinsichtlich des Demokratisierungsprozesses für Jordanien einigen Optimismus. Allerdings müssten dann mehr Repräsentanten dieser Altersgruppe auch im Parlament bzw. unter den Kandidaten vertreten sein. In den städtischen Gebieten wie Amman war die Wahlbeteiligung wie auch in Vorwahljahren niedrig, rund 20%, was die Vision des Königs, eine Westminster-ähnliche parlamentarische Demokratie zu etablieren, vielleicht noch einige Jahre auf sich warten lässt.

Die IAF erhob zwischenzeitlich Vorwürfe, dass Sicherheitskräfte in den Wahlprozess eingegriffen und ihnen zugehörige Unterstützer sowie Kandidaten eingeschüchtert hätten. Allerdings wurden solche Vorwürfe nicht explizit von unabhängigen Wahlbeobachtern bestätigt.

Dominanz der Regierung und Erfolge der Opposition

Die Wahlen 2024 repräsentieren gleichzeitig Fortschritt sowie Kontinuität für Jordaniens politische Sphäre.

Trotz der bemerkenswerten Erfolge der IAF spielen stammesbasierte und regierungsnahe Fraktionen weiterhin eine starke Rolle bei Wahlen. Dies spiegelt einerseits den anhaltenden Einfluss traditioneller politischer Strukturen in Jordanien wider, insbesondere in ländlichen Gebieten, wo die Loyalität zur Monarchie und zu den Stämmen stark bleibt. Anderseits deutet dies darauf hin, dass die islamistischen Solidaritäts-Chöre nicht die Mehrheit des Landes von ihren Inhalten überzeugen konnten.

Die Reformen, die auf eine stärkere Beteiligung politischer Parteien und eine verbesserte Inklusivität von Frauen und Minderheiten abzielten, sind durchaus als positiv zu werten und zeigten bereits erste Früchte. Auch eine stärkere Wandlung hin vom Personenbezogenen System hin zu einer stärkeren Parteilandschaft mit Parteistrukturen weisen auf Erfolge im von König Abdullah II. angestoßenen Demokratisierungsprozess hin.

Für die Zukunft sind weitere Reformen erforderlich, um das parteizentrierte System weiter zu stärken und die Wahlintegrität auszubauen. Eine verstärkte Wählerbeteiligung, insbesondere durch politische Bildung und den Aufbau von Vertrauen in das Wahlsystem, wird unumgänglich sein, um Jordaniens Weg zu einer repräsentativeren Demokratie stärker zu ebnen.