Sri Lanka
Sturm auf den Präsidentenpalast: Präsident Rajapksa tritt zurück
Die Stimmung in der offiziellen Residenz des Premierministers ist ausgelassen. Am Abend nach der größten Demonstration des Landes wird von der Veranda Musik gespielt, der Rasen davor ist voll. Hier feiert aber nicht die Regierung, sondern Demonstranten, die monatelang den Rücktritt des Präsidenten forderten. Sie besetzten am Samstag die Residenzen des Präsidenten und Premierministers sowie den Präsidentenpalast. Auslöser für die Demonstrationen ist die schwerste Wirtschaftskrise in der Geschichte von Sri Lanka. Die Lebensmittelpreise sind explodiert, Gas und Medikamente sind seit Monaten knapp. Wer sein Auto auftanken will, muss derzeit mehr als drei Tage in kilometerlangen Schlangen warten.
Unter Präsident Rajapaksa konnte die Regierung bis jetzt keine Fortschritte in der Krisenbewältigung verzeichnen. Auch Verhandlungen mit dem IWF konnten keine nennenswerten Erfolge erzielen. Manche Familien müssen bereits auf eine Mahlzeit am Tag verzichten. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen verteilt bereits Notrationen an drei Millionen Bedürftige in dem Land mit 22 Millionen Einwohnern.
Mit dem Rücktritt des Präsidenten richten sich nun alle Blicke auf eine zukünftige Regierung, die das Land aus der Krise führen soll. Der Premierminister will das Präsidentenamt übernehmen. Dies ist auch im Sinne der Rajapaksa-Familie, welche mit ihrer Partei weiterhin die Mehrheit im Parlament stellt. Die Demonstranten fordern aber einen politischen Neustart. Einige von ihnen brannten nach der Ankündigung des Premierministers Wickremesinghe sein privates Haus in Colombo nieder. Auch innenpolitisch könnte es für ihn eng werden. Sein Kabinett trat geschlossen zurück.
Ein kompletter Neustart erscheint im Moment schwierig. Verfassungsrechtlich sind Neuwahlen frühestens im März 2023 möglich. Zwar wird ist die Rede von einer „Unity Government“, einer Regierung, die von allen Fraktionen im Parlament unterstützt wird. Die zersplitterte Parteienlandschaft erschwert aber diesen Vorschlag. Zudem fehlt ein charismatisches Regierungsoberhaupt. Ohne eine Person mit der notwendigen politischen Legitimität, sowohl im Parlament als auch in der Bevölkerung sind die notwendigen und schmerzhaften Reformen kaum durchzuführen. Ohne diese Reformen ist aber die dringend benötigte Unterstützung durch den IWF kaum möglich. Ein Neustart oder nur eine politische oder wirtschaftliche Normalisierung bleibt in den nächsten Monaten unwahrscheinlich. Für die feiernden Demonstranten in der Residenz des Premierministers wird sich vielleicht bald der Kater einschleichen.
Wolfgang Heinze ist Leiter der Büros in Sri Lanka und Bangladesch der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Colombo.