Stromverbrauch
Der entscheidende Engpass: Grüner Strom!
In diesem Monat - Juli 2021 - hat der deutsche Bundeswirtschaftsminister Altmaier endlich die Prognose für den künftigen Stromverbrauch nach oben korrigiert. Und zwar kräftig, jedenfalls bis 2030. Das war höchste Zeit, denn allein schon das gewaltige Mehr an geplanter Elektromobilität verlangt nach viel mehr Strom. Und viele andere ökologische Weichenstellungen könnten ähnliche Konsequenzen haben.
Die Dimension und Bandbreite der neuen Vorhersagen des Stromverbrauchs sprechen für sich: Die Prognos AG rechnet mit etwa 15 Prozent mehr als bisher, das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln mit fast 20 Prozent, ähnlich der Bundesverband Erneuerbare Energien, der sogar in seinen Spitzenszenarien noch deutlich höher greift, mit gut 25 Prozent. Kurzum: eine drastische Korrektur nach oben - im deutlich zweistelligen Bereich.
Daraus folgt: Wenn wir wirklich für das Klima etwas tun wollen, dann muss der rasant steigende Stromverbrauch grüner werden, und zwar radikal. Immerhin schreiben wir das Jahr 2021. Es geht also mit Blick auf die mittelfristige Vorhersage um ganze neun Jahre, um unsere Ziele zu erreichen, noch nicht einmal ein volles Jahrzehnt. Ein geradezu abenteuerlich kurzer Zeitraum für all die Investitionen in die Infrastruktur, die nötig sind, um das Ziel nicht gänzlich utopisch erscheinen zu lassen. Und an dieser Stelle wird es denn auch politisch brisant: Wie kann man das so schnell hinbekommen? Wie soll das gehen? Optionen liefern in Deutschland derzeit leider nur Wind- und Solarkraft.
Was die Windkraft betrifft, gibt es eigentlich nur zweierlei Varianten von Maßnahmen. Zum einen der Ausbau der Windkraftanlagen durch Verdichtung off-shore und on-shore, also weniger Abstand. Das heißt aber: off-shore weniger Vogelschutz, on-shore weniger Rücksicht auf landschaftlich reizvolle und zur Erholung nutzbare Naturflächen der Mittelgebirge wie Schwarz- und Odenwald, Thüringer und Bayerischer Wald, um nur einige Prominente zu nennen. Zum anderen braucht es die Schaffung von neuen riesigen Nord-Süd-Trassen des Energietransports vom windreichen Nordwesten in den Süden der Republik.
Was Solarkraft betrifft, geht es um eine massive Dezentralisierung der Stromerzeugung. Auf fast jedes neue Dach muss wohl eine Solaranlage, vor allem natürlich im Süden Deutschlands, wo der Wind nicht so üppig weht, aber die landsmannschaftlichen Traditionen des historisch bewussten Bauens der harten Logik der Sonnenstunden entgegenstehen. Was für eine Herausforderung!
Sicherlich: All dies ist theoretisch denkbar und technisch möglich. Aber ist es auch politisch und gesellschaftlich durchsetzbar? Und auch von den Menschen gewünscht? Und vor allem demokratisch akzeptabel in einem Land, das seit Jahrzehnten kaum ein Infrastrukturprojekt termingerecht verwirklicht hat und sich bei Großplanungen regelmäßig innerlich zerreißt - Stuttgart 21 lässt grüßen? Man staunt schon über so viele Luftschlösser und Träumereien, die nichts mehr zu tun haben mit dem nüchternen Realitätssinn der Nachkriegszeiten, wohl aber eine Menge mit der Tradition eines abgehobenen deutschen Idealismus, wie er im frühen neunzehnten Jahrhundert herrschte.
Bei all dem gibt es eigentlich nur einen vernünftigen Ausweg: Neu nachdenken - nach der Bundestagswahl 2021. Und zwar nicht über die großen Ziele der Klimapolitik, denn die sind weitgehend unstrittig, aber über die Mittel, wie wir sie erreichen können. Nie waren Koalitionsverhandlungen so wichtig und kritisch wie in Kürze: nach der Bundestagswahl am 26. September 2021. Es wird wirklich spannend. Auf dem Spiel steht nicht weniger als die ökonomische und ökologische Zukunft Deutschlands.