EN

BRICS
Brücken bauen, „Brick by BRICS“

Ausblick, Chancen und Herausforderungen
Der chinesische Präsident Xi Jinping (L), der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa (C) und der russische Präsident Valdimir Putin

Der chinesische Präsident Xi Jinping, der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa und der russische Präsident Valdimir Putin

© picture alliance/EPA-EFE | GIANLUIGI GUERCIA / POOL

Der bevorstehende 15. Gipfel der BRICS (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) in Johannesburg vom 22. bis 24. August verspricht eine hochinteressante Zusammenkunft der Staatschefs von vier wichtigen Schwellenländern und Russland. Dieses Treffen wirft bereits im Vorfeld bedeutende Fragen auf, die die internationale Gemeinschaft beschäftigen. Ein besonders kontroverses Thema war die Teilnahme von Wladimir Putin, der vom Internationalen Strafgerichtshof (ICC) wegen Kriegsverbrechen angeklagt wurde. Im Einklang mit dem Römischen Statut, dem Südafrika als Unterzeichner verpflichtet ist, hätte das Land den Haftbefehl vollstrecken müssen. Letztendlich wurde eine diplomatische Lösung gefunden, die den Präsidenten Südafrikas, Cyril Ramaphosa von dieser brisanten Herausforderung entlastete. Putin wird den Gipfel virtuell besuchen, während sein Außenminister, Sergej Lawrow, ihn persönlich vertritt.

Diese Einzelheiten werfen ein Schlaglicht auf einen der am meisten erwarteten BRICS-Gipfel aller Zeiten. Hier werden nicht nur hochrangige Führungspersonen aus Regierungen, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und multilateralen Institutionen zusammenkommen, sondern das geschieht in einer spannungsgeladenen Atmosphäre, die von den globalen Entwicklungen geprägt ist.

Vor dem Hintergrund eines sich zuspitzenden internationalen Klimas bietet dieser Gipfel eine Gelegenheit für die BRICS und ihre Partner, ihre Positionen auf der globalen Bühne zu verdeutlichen. Die BRICS zielen darauf ab, das gegenwärtige globale politische, wirtschaftliche und finanzielle Gefüge, das bisher von den USA und dem Westen dominiert wird, zu reformieren. Dies könnte ihnen die Position verschaffen, sich als Stimme des globalen Südens zu etablieren und eine internationalere Ordnung zu gestalten. Zweifelhaft ist allerdings, wie Russland als Industriestaat aus dem Norden in diesen Kontext passt – außer durch ein geteiltes Unbehagen hinsichtlich vieler globaler Institutionen.

BRICS-Erweiterung – „Non-Event“ oder Etappensieg gegen den Westen?

Der russische Präsident Wladimir Putin nimmt per Videokonferenz an einem außerordentlichen BRICS-Gipfel teil, während Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Bildschirm zu sehen ist.

Die Erweiterungsrunde der BRICS-Gruppe Anfang des Jahres um fünf neue Mitgliedstaaten wirft Fragen nach den politischen und wirtschaftlichen Folgen auf. Was versprechen sich jeweils die bisherigen Mitglieder von der Erweiterung? Was die neuen? Was bedeutet die BRICS-Erweiterung für den Westen, und wie kann eine liberale Antwort hierauf aussehen?

Weiterlesen

China und Russland verfolgen aggressiv eigene außen- und wirtschaftspolitische Ziele

Gleichzeitig können die Eigeninteressen und die Strukturen der einzelnen beteiligten Staaten nicht ignoriert werden. China und Russland sind keine Demokratien, sondern autoritäre Regimes mit starken Tendenzen zu totalitärer Herrschaft. Sie verfolgen aggressiv eigene außen- und wirtschaftspolitische Ziele, im Falle Russlands mit kriegerischen Mitteln. Das können die anderen Partner in BRICS nicht dauerhaft ignorieren.

Im 15. Jahr ihres Bestehens repräsentieren die BRICS nun stolze 41 % der Weltbevölkerung und etwa 25 % des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP). Diese gemeinsame Stärke lässt erahnen, dass die BRICS eine bedeutende Rolle in den Entscheidungsstrukturen der globalen politischen und wirtschaftlichen Ordnung einnehmen könnten.

Schritt für Schritt haben die BRICS Fortschritte bei der Schaffung ihrer eigenen Finanz- und Governance-Strukturen erzielt, die als Alternative bzw. Ergänzung zu den vorherrschenden Bretton-Woods-Institutionen dienen sollen. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist die Gründung der Neuen Entwicklungsbank, die Infrastrukturprojekte in Mitgliedsländern und anderen Entwicklungsländern finanziert. Ebenso sind die Vereinbarungen für vorübergehende Reserven (CRA) ein wichtiges Währungsinstrument, das vor möglichen Liquiditätsengpässen und externen Schocks schützen soll.

Über wirtschaftliche und finanzielle Diplomatie hinaus haben die BRICS auch weitere Kooperationsbereiche identifiziert, die voraussichtlich auf der Agenda des Gipfels stehen werden. Themen wie der Klimawandel, Bildung, die Förderung der wirtschaftlichen Erholung nach der Pandemie sowie die Einbindung Afrikas in die globale Reformagenda werden erörtert.

BRICS stehen vor internen Herausforderungen

Mit Südafrika als amtierendem Vorsitzenden haben die BRICS Afrika und die institutionelle Reform in den Mittelpunkt der diesjährigen Agenda gerückt. Das Motto lautet: "BRICS und Afrika: Partnerschaft für gegenseitig beschleunigtes Wachstum, nachhaltige Entwicklung und inklusiven Multilateralismus". Besonders spannend ist die Rolle des Afrikanischen Kontinentalen Freihandelsabkommens (AfCFTA), das Chancen für die BRICS und viele Entwicklungsländer bietet, den Handel, die Investitionen und die Infrastrukturentwicklung auf dem Kontinent zu stärken. Die Teilnahme von Führungspersonen aus 67 Ländern aus Afrika, Lateinamerika und der Karibik bietet außerdem die Gelegenheit für bilaterale Gespräche und stärkt die Beziehungen im globalen Süden.

Trotz der vielversprechenden Perspektiven für eine engere Kooperation und globale Einflussnahme stehen die BRICS auch internen Herausforderungen gegenüber. Der Handel und die Investitionen innerhalb der Gruppe machen nur einen Bruchteil der ausländischen Direktinvestitionen (FDI) aus, die in die BRICS-Wirtschaften fließen. Die Daten der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) zeigen, dass die innerhalb der BRICS getätigten Investitionen nur 4,7 % des kombinierten FDI-Bestands ausmachen. Besonders China dominiert diese Investitionen.

Südafrika verzeichnet Handelsdefizite mit allen BRICS-Partnern. Zudem wirft die starke Abhängigkeit von Rohstoffexporten Fragen hinsichtlich der weiteren Industrialisierung des Landes auf. Andererseits kommen die fünf größten FDI-Beiträge für Südafrika aus den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Belgien, den USA und Deutschland. Diese Investitionen betreffen Industriegüter wie Automobile und Maschinen und verdeutlichen, dass die wirtschaftliche Verflechtung innerhalb der BRICS noch ausbaufähig ist. Dem stehen jedoch erhebliche Probleme gegenüber – so können eine Vielzahl von Gütern und Technologien ohne intensive Integration in globale, mit den westlichen Industriestaaten verbundene Lieferketten nur schwer genutzt werden. Es zeigt sich zudem, dass eine Positionierung von BRICS als Gegenentwurf zu den bestehenden globalen Institutionen beträchtliche Risiken für einige Länder beinhaltet, wenn sie so in neue Abhängigkeiten, etwa von China geraten. Gleichzeitig wird eine Herausforderung für die Staaten des globalen Nordens, für die westlichen Industriestaaten deutlich: Sie müssen mehr tun, um mit den Schwellen- und Entwicklungsländern langfristig zu kooperieren deren Interessen stärker berücksichtigen.

Vertiefte wirtschaftliche Integration und eine kluge Erweiterungsstrategie

Ein weiteres Überlegungsfeld für die BRICS ist die Erweiterung ihrer Mitgliederliste. Mit über 40 Ländern, die Interesse an der Mitgliedschaft bekundet haben, stehen die BRICS vor einer zweifachen Herausforderung. Eine erweiterte Gruppe könnte einen größeren Einfluss und mehr Ressourcen bedeuten, um die internationale Ordnung zu reformieren. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass die Bedeutung einiger starker Mitglieder abnimmt, insbesondere wenn einflussreiche Länder wie Saudi-Arabien beitreten würden.

Zusammenfassend betrachtet stehen die BRICS vor kritischen Entscheidung. Sie könnte einen Beitrag dazu leisten, eine inklusivere und ausgewogenere internationale Ordnung zu formen. Gleichzeitig können weder die weltpolitischen Entwicklungen noch die traditionellen globalen Institutionen ignoriert werden. Zudem ist das Bild einer Gemeinschaft mit umfassenden gemeinsamen Interessen unvollständig: Es geht nicht allen Mitgliedern vor allem um Inklusion und eine ausgewogene Weltordnung, sondern in starkem Maße auch um massive eigene Interessen. Diese werden aggressiv und im Falle Russlands mit völkerrechtswidrigen Mitteln verfolgt.

Um die von ihnen deklarierten Ziele zu erreichen, können die BRICS auf eine vertiefte wirtschaftliche Integration und eine kluge Erweiterungsstrategie hinarbeiten. Dem Versprechen der „gleichen Augenhöhe“ müssen Taten folgen – gerade bei China ist das in den Beziehungen zu kleineren Ländern selten gegeben. Jedes einzelne Land, insbesondere die Demokratien in dem Staatenbündnis, müssen gleichzeitig ihre eigenen Interessen genau abwägen. Eine Entfremdung von den westlichen Partnern ist langfristig weder in ihrem wirtschaftlichen noch im politischen Interesse. Die Zusammenarbeit innerhalb von BRICS auf der Basis klarer Interessen und auf klar definierten Feldern kann dagegen den Menschen in den beteiligten Ländern und darüber hinaus großen Nutzen bringen.

Kwezi Songoni, Programme Manager FNF Südafrika.

Mehr zum Thema:

  • BRICS-Gipfel: Die afrikanische Sicht | Gespräch Inge Herbert, FNS Johannesburg

Mit freundlicher Genehmigung von Radio Bremen.