Nepal Politics
Warum Nepal junge Menschen stärker in die Politik einbinden will
Ihre Denkmuster sind unkonventionell, sie sind voller innovativer Ideen, sprudeln vor Energie und Leidenschaft: Das Potential junger Menschen für eine lebendige Demokratie ebenso wie eine stabile und friedliche Gesellschaft zu nutzen, ist unerlässlich. Die Jugend wird heute immer stärker in den politischen Alltag einbezogen, wodurch sie maßgeblich am Kampf gegen autoritäre Regime, Korruption und Benachteiligung gesellschaftlicher Gruppen mitwirkt. Auf einer Online-Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zum Thema „Youth Participation in Nepal Politics“ Ende Mai 2022 diskutierten Vertreter von Jugendorganisationen und Experten, wie junge Menschen die politische Landschaft Nepals positiv beeinflussen, wie sie aber auch noch besser in das System integriert und ihre Bedürfnisse berücksichtigt werden können.
Zur Einstimmung auf das Thema wies ein kurzer Film darauf hin, wie stark jugendliche Organisationen in Nepal schon seit den 50er Jahren in das politische Geschehen eingebunden sind und dieses mitgestalten, sei es beim Übergang von der Monarchie zur Demokratie, von einem unitären zu einem föderalen System, vom Hinduismus zum Säkularismus, vom Bürgerkrieg zum Frieden. Bei den jüngsten lokalen Wahlen etwa im Mai 2022 lag der Anteil junger Menschen bei den Kandidaten bei 41 Prozent. Jeder zweite von ihnen wurde gewählt.
Moderator Bisesh Sangat unterstrich, welch große Bedeutung die jungen Menschen für den nepalesischen Staat hätten. 40 Prozent der Bevölkerung seien zwischen 16 und 40 Jahre alt. Wenn sich diese Gruppe nicht ausreichend im politischen System repräsentiert sehe, komme es zu Aufständen. Optimistisch stimme der Aufstieg junger Politiker und Politikerinnen bei den jüngsten Regionalwahlen in verantwortungsvolle Positionen, etwa in der Hauptstadt Kathmandu. Sunita Baral, Präsidentin der All Nepal National Free Students Union (ANNFSU) betonte, welch großen und verantwortungsvollen Beitrag diese junge Bevölkerungsgruppe heute bereits leiste.
Kanchan Jha, Vertreter der Jugend in der Nepalesischen Kongresspartei und Journalist, relativierte das Thema Alter mit einem Sprichwort: „Alter ist lediglich eine Zahl, man ist so jung, wie man sich fühlt.“ Jugend in der Politik sei für ihn gleichbedeutend mit Wandel, Innovation, Fortschritt, Einsatz für eine bessere Zukunft. Da spiele das Alter keine maßgebliche Rolle. Pradip Pariyar, Geschäftsführender Vorsitzender der 2009 gegründeten Samata Stiftung, die sich für soziale Gerechtigkeit, Inklusion und benachteiligte gesellschaftliche Gruppen einsetzt, sieht die politische Beteiligung jüngerer Gruppen in Nepal immer noch als eine zentrale Herausforderung.
Welchen Beitrag die jeweiligen Organisationen der Webinar-Teilnehmenden zur Beteiligung junger Bevölkerungsgruppen, aber vor allem auch zum Aufstieg junger Politikerinnen und Politikern in Führungspositionen leisteten, wollte Moderator Sangat von der Runde wissen. Sunita Baral unterstrich, dass man bereits einiges erreicht habe, aber weiter für noch größeren und schnelleren Fortschritt kämpfen müsse. Kanchan Jha berichtete, dass bei den jüngsten Wahlen zwar mehr junge Männer gewonnen hätten, aber der Anteil von Frauen sogar gesunken sei. Und sehr viele junge Menschen hätten für unabhängige Parteien kandidiert. „Das zeigt das mangelnde Vertrauen in etablierte Parteien.“ Ihn treibe vor allem um, so Pradip Pariyar von der Samata Stiftung, dass junge Menschen viel zu wenig ältere politische Führungskräfte herausfordern würden.
Mit einem Zitat von Abraham Lincoln verdeutlichte Sunita Baral, dass es im politischen Prozess darum gehen müsse, mit Blick etwa auf Berufe und Denkweisen möglichst unterschiedliche Gruppen zu repräsentieren, nicht nur die parteinahen oder Parteimitglieder. „Demokratie ist die Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk.“ In der Verfassung müssten jedoch noch mehr Repräsentationsrechte festgeschrieben werden, sagte Kanchan Jha, Vertreter der vor 75 Jahren gegründeten Nepalesische Kongresspartei. Bei der Beteiligung junger Bevölkerungsgruppen würden auf den unteren politischen Ebenen durchaus Fortschritte erzielt. „Je höher die Regierungsebene, desto weniger jüngere Politikerinnen und Politiker sind vertreten.“ Pradip Pariyar ergänzte, dass es gelingen müsste, mehr jüngere Menschen zu beteiligen, unabhängig von deren familiärem Background und Einkommen. Die jüngste große Beteiligung ebenso wie der Erfolg junger Kandidatinnen und Kandidaten bei den Regionalwahlen wertete Kanchan Jha als Weckruf. „Die Parteien müssen die Interessen junger Menschen ernst nehmen.“ Die Ergebnisse machten aber auch Mut, etwas zu ändern. Ein Fokus müsse darauf liegen, Frauen stärker zu ermuntern, sich wirtschaftlich und politisch zu engagieren. „Um die vielen Herausforderungen wie COVID-19 und de Ukraine-Krise zu bewältigen, brauchen wir unbedingt junge politische Führer“, brachte es Pradip Pariyar auf den Punkt.
Abschließend begrüßte Dr. Carsten Klein, Leiter des Regionalbüros Südasien der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, als weiteren Gast des Webinars Ram Pratap Thapa, der sich als Honorargeneralkonsul Nepals in Köln und Vorsitzender der Deutsch-Nepalischen Gesellschaft e.V. für die Völkerverständigung zwischen Nepal und Deutschland einsetzt. Mit Blick auf den hohen Anteil der jungen Bevölkerung in Nepal müsste noch mehr Druck gemacht werden, um diese angemessen am politischen System zu beteiligen. Klein ziteirte schließlich einen Kernsatz aus einem strategischen Papier des Jugend- und Sportministeriums Nepals, wonach die Jugendlichen die Game Changer in politischen, wirtschaftlichen und sozialen Fragen seien, egal in welchem Land.
Die rege Beteiligung der Webinar-Besucher in der abschließenden Fragerunde zeigte, wie sehr das Thema einen Nerv trifft.