China
China bedroht das freie Internet
Im Westen kennen wir das Internet als ein dezentral organisiertes, freies Netzwerk. Diese Freiheit ist vielen autoritären Staaten ein Dorn im Auge. China hat eigene Vorstellungen von der Zukunft des Internets: Kontrolle und Zensur. Demokratien brauchen Strategien zur Verteidigung der digitalen Freiheit.
Modernes Leben ist ohne Internet nicht mehr vorstellbar. Gleichzeitig steht das Netz vor seiner bisher größten Herausforderung. „Splinternets“, also verschiedene, lokalisierter Internet-Versionen, könnten entstehen. Regierungen oder Unternehmen könnten die Herrschaft über Informationsflüsse und Dienste übernehmen. Das würde die Grundprinzipien des Internets konterkarieren: Gleichheit, Selbstbestimmung und offener Zugang. Genau dieses Internet, das seinem ursprünglichen Design treu bleibt, brauchen wir. Das Netz muss Offenheit, Zusammenarbeit, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit umfassen, die Privatsphäre schützen und das Vertrauen in die digitale Welt fördern.
Kontroll-Design beim Netz-Aufbau
Das Internet in China ist heute schon so ein „Splinternet“. Die Volksrepublik hat mit etwa einer Milliarde Internetnutzenden die größte Online-Bevölkerung der Welt. Hinter der berüchtigten Großen Firewall (GFW) erleben die chinesischen Bürger ein zensiertes, überwachtes und fragmentiertes Internet. Es ist isoliert von der globalen Online-Gemeinschaft. Peking schuf beim Aufbau seines Netzes eine Internetinfrastruktur, die Kontrolle von Plattformen und Anwendungen ermöglicht. Chinas rechtlicher, technischer und operativer Apparat etablierte Datenerfassung, Echtzeitzensur, Propagandaverbreitung und Desinformationskampagnen. Das Internet wird durch Gesetze reguliert. Sowohl in- als auch ausländische Nutzende sollen wirtschaftlich und politisch kontrolliert werden. Ein Ziel ist, schrittweise ausländische Unternehmen aus dem chinesischen Markt zu drängen. China will unabhängiger werden und damit unempfindlicher für westlichen Sanktionen.
Transnationalisierung digitaler Unterdrückung
Chinas digitaler Autoritarismus hat mit der ursprünglichen Konzeption eines offenen, gemeinschaftlichen, sicheren Internets nichts mehr gemein. Peking ist nicht alleine. Viele autoritäre Regime nutzen das Internet als Instrument politischer Unterdrückung und geopolitischer Manöver. Das passt China. Peking möchte sein digitales Unterdrückungsregime transnationalisieren. China nutzt dazu internationale Technologie- und Standardisierungsorganisationen, darunter die Internationale Telekommunikation Union ITU, eine UN-Unterorganisation. Dort drängt China darauf, das westlich geprägte, freie Internet dem chinesischen, kontrollierten Netz anzupassen. Demokratische Staaten sollten strategisch und entschlossen reagieren. Technik und Struktur des freien Internets und alle damit verbundenen Technologien, Plattformen, Standards und Rahmenbedingungen müssen geschützt werden. Unser Internet muss offen und partizipativ für alle bleiben, nicht nur für Regierungen. Forschung und Entwicklung von Technologien gegen Zensur und für den Schutz der Privatsphäre sollten verstärkt werden. Die Verteidigung eines freien, offenen, globalen Internets sollte Teil der Außenpolitik demokratischer Staaten sein.
Demokratien brauchen Strategien
Chinas Internet-Governance und Zensurregime sind nicht statisch, sondern entwickeln sich weiter. Das bekommen auch Firmen zu spüren, die nach China gehen. Manche internationalen Internetkonzerne haben in der Vergangenheit ihr Glück versucht, um dem chinesischen Markt dann ein paar Jahre später mehr oder weniger gezwungenermaßen den Rücken zu kehren. Google ist das bekannteste Beispiel. Die Suchmaschine ging 2006 nach China. Nach Cyberattacken auf google sowie auf google Konten von Menschenrechtsverteidigern stellte das Unternehmen 2010 alle Dienste in China ein. Der Ausflug kostete google Geld und Wissen. Er brachte dem Unternehmen auch einen Reputations-Schaden.
Trotz Risiken lockt die Größe des chinesischen Marktes weiterhin viele Internet-Unternehmen an. Charles Mok zeigt sich in seinem Paper überrascht, wie anfällig diese Unternehmen sind, dieselben Fehler zu wiederholen die andere wie zum Beispiel google bereits gemacht haben. Unternehmen tragen Verantwortung. Wenn Apple die Daten von chinesischen Userinnen und Usern in China speichert, kann das sicherheitsrelevante Konsequenzen für die Betroffenen haben. Das gilt insbesondere, wenn diese Personen sich für Menschenrechte oder Demokratie engagieren. Denn der chinesische Staat behält sich den Zugriff auf in China gespeicherte Daten vor.
Verständnis des chinesischen Internet-Modells ist Voraussetzung für Überlegungen, wie seine Verbreitung verhindert und digitale Freiheit bewahrt werden könnte. Demokratien brauchen Strategien für die Verteidigung des freien Internets.
Charles Mok war von 2012 bis 2020 Parlamentsabgeordneter in Hongkong. Er ist heute Visiting Scholar am Cyber Policy Center der Stanford University in den USA. Mit der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit veröffentlichte er gerade "The Everything Everywhere Censorship of China". Darin analysiert Mok Chinas Internet und Pekings Transnationalisierungs-Bestrebungen.
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