Macau / Hongkong
Zwei Städte – ein Schicksal

Demonstranten schwenken während einer Kundgebung in Hongkong Fahnen mit der Aufschrift „Hongkong Independence“.
© picture alliance/AP Photo | Mark SchiefelbeinWährend Hongkong für Demokratie kämpfte, geriet Macau still und leise unter die Pekings Kontrolle. In beiden Städten sind Freiheiten mittlerweile fast verschwunden.
Macau und Hongkong sind beide Sonderverwaltungszonen der Volksrepublik China. Beide haben koloniale Vergangenheit. Doch abgesehen davon könnten die beiden Städte nicht unterschiedlicher sein. Hongkong ist ein internationales Finanzzentrum mit wohlhabenden Expats und einer sehr dynamischen Bevölkerung - Macau ein Glücksspielzentrum, das vor allem von reichen Festlandchinesinnen und -chinesen frequentiert wird.
In Hongkong hatte die britische Kolonialregierung unter Lord Patten bis zur Übergabe an Peking 1997 versucht, die Bürgerrechte und die Demokratie zu stärken und zu schützen. Im Gegensatz dazu fand sich die portugiesische Regierung damit ab, tatenlos abzuwarten, bis Peking im Jahr 1999 die Macht übernahm. Eigentlich sollten beide Städte nach dem Konzept "Ein Land, zwei Systeme" regiert werden, und zwar durch eine "Mini"-Verfassung namens "Basic Law". Aber es kam anders: Beide Städte stehen heute fest unter der politischen Kontrolle Pekings. Von zwei Systemen ist keine Spur mehr zu sehen.
Gemeinsame Erklärungen sind ihr Papier nicht wert
Am 19. Dezember 2024 waren es 40 Jahre her, dass die Sino-British Joint Declaration in Peking unterzeichnet wurde. Das Dokument haben die britische Premierministerin "Eiserne Lady" Margaret Thatcher sowie der damalige chinesische Premierminister Zhao Ziyang unterschrieben. Es besiegelte das Schicksal der Hongkongerinnen und Hongkonger für die nächsten 50 Jahre. Die Zukunft Macaus wurde mit der Unterzeichnung der Sino-Portuguese Joint Declaration im Jahr 1987 besiegelt.
2017 verkündete Peking dann offiziell, dass die "Sino-British Joint Declaration" keine Bedeutung mehr habe und nur noch ein historisches Dokument sei. Dabei war in der Vereinbarung eine Laufzeit von 50 Jahren, also bis 2047, festgelegt worden. Mit diesem Vertragsbruch hatten die kommunistischen Machthaber auf dem Festland den Grundstein gelegt für hartes Durchgreifen in Hongkong im Rahmen der Demokratieproteste und dann final durch die Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020.
Und wie erging es Macau? In den Augen der Kommunistischen Partei Chinas war Macau schon immer das Paradebeispiel für das Modell "Ein Land, zwei Systeme". Macau war gehorsam, anfällig für Einfluss vom Festland, hatte keine Zivilgesellschaft und nur wenig Opposition. Das bedeutete, dass Macau schon 1999 vollständig unter Pekings Kontrolle geriet, und zwar ohne Gegenwehr der Bevölkerung. 2009 erließ Macau sein eigenes nationales Sicherheitsgesetz. In Macau, eigentlich ein braves Vorzeigekind, wurde keine Demokratie oder weitgehende Autonomie für die Stadt verwirklicht - obwohl dies im Grundgesetz von Macau festgelegt ist.
Manche Pro-Pekinger Politikerinnen und sagten, dass wenn Hongkong sich mehr fügen würde und Pekings Anweisungen besser folgen würde, würde man den Menschen in Hongkong die versprochene Demokratie und ein hohes Maß an Autonomie gewähren. Aber die Geschichte von Macau entlarvt diese Argumentation. 2021 wurden auch die wenigen pro-demokratischen Politikerinnen und Politiker in Macau von Peking wegen Illoyalität und Gefährdung der nationalen Sicherheit ihres Amtes enthoben. Kurz zuvor waren in Hongkong pro-demokratische Politikerinnen und Politikern nach der massenhaften disqualifiziert worden.
Emigration nach Pekings Machtübernahme
Selbst wenn die Hongkongerinnen und Hongkonger genauso gefügig und kooperativ wären wie die Menschen in Macau, wäre ihr Schicksal nicht viel anders verlaufen. Dass sich für Hongkong ein alternativer Weg auftun würde, war eine Illusion. Der einzige, aber große Unterschied ist: Die Menschen in Hongkong wollten nicht kampflos untergehen. Sie haben gekämpft.
Vergangenen Monat kam ein weiterer rechtswissenschaftliche Experte und Beamter vom Festland nach Hongkong und verkündete, dass das Versprechen "Hongkongerinnen und Hongkonger regieren Hongkong" im Rahmen von "Ein Land, zwei Systeme" nicht bedeute, dass ausschließlich "Hongkongerinnen und Hongkonger" regierten. Das Versprechen bedeute vielmehr, dass die Zentralbehörden ein Mitspracherecht bei der Regierung von Hongkong hätten. Peking verzerrt hier erneut den eindeutigen Text des Grundgesetzes auf orwellsche Weise. Früher haben die Leute noch protestiert und ihre Meinung gesagt. Aber heute? Die meisten Hongkongerinnen und Hongkonger haben sich aus dem politischen Engagement zurückgezogen. Mehr als 500.000 haben sich entschieden, ihre Heimat zu verlassen und nach Großbritannien, Kanada, Australien und in die USA zu ziehen.
Pekings Kontrolle schadet auch wirtschaftlich
Die Wirtschaft Hongkongs befindet sich im freien Fall. Und die Regierung hat kürzlich ein Haushaltsdefizit von mehr als 100 Milliarden US-Dollar verzeichnet. So werden die Reserven in weniger als 18 Monaten aufgebraucht sein. Eine der wohlhabendsten Städte der Welt befindet sich nun in finanziellen Schwierigkeiten. Hongkongs Finanz- und Immobilienmärkte befinden sich in den tiefsten Krisen der Geschichte.
Bei seinem Treffen mit Xi in Peking versprach Hongkongs Verwaltungschef John Lee, dass er das Defizit in den kommenden Jahren beheben werde. Wie er das machen will, hat er nicht gesagt. Also glaubt man ihm nicht so richtig. Aber es kümmert niemanden mehr, wenn die Regierung offen lügt. Wie Alexander Solschenizyn sagte: In einem autoritären Regime weiß jeder Mensch, dass die Regierung lügt. Die Regierung weiß, dass sie lügt. Und die Regierung weiß auch, dass jeder Mensch weiß, dass sie lügt.
Xi Jinping besuchte im Dezember 2024 Macau, um das 25. Jubiläum der Rückkehr nach Festlandchina zu feiern. Er lobt die Rückkehr als das größte Beispiel für Erfolg und Wohlstand unter "Ein Land, zwei Systeme". Während seines Besuchs waren in Macau die lokalen Sicherheitsbestimmungen so streng, als ob die Stadt unter Kriegsrecht stünde. Das veranschaulicht, welche Vision Peking hatte, als die Sino-Verträge in den 1990er Jahren unterzeichnet wurden.
Anonymous ist ein ehemaliger Hongkonger Politiker.