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China
Können Demokratien China mit Sanktionen begegnen?

Biden Xi Video Conference

18. März 2022, US-Präsident Joe Biden führt ein Videogespräch mit Xi Jinping, um die anhaltende Krise in der Ukraine zu erörtern.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Adam Schultz/White House

Demokratien in aller Welt haben auf die russische Invasion mit beispiellosen Sanktionen reagiert. Mit dieser Strategie ist es jedoch bisher nicht gelungen, Russlands Aggression zu stoppen, und es scheint sogar noch unwahrscheinlicher, dass sie gegen China erfolgreich sein wird. Welche Mittel bleiben den Demokratien dann noch?  

Der Autoritarismus ist auf der ganzen Welt auf dem Vormarsch. Während Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und Chinas eskalierende Vorgehensweise im südchinesischen Meer, in Xinjiang oder gegenüber Taiwan die Schlagzeilen beherrschen, sind diese Aktionen Teil eines wachsenden globalen Trends. Alarmierenderweise erstreckt sich dieser Anstieg des Autoritarismus auch auf westliche Verbündete. Einem Bericht der schwedischen gemeinnützigen Organisation V-Dem aus dem Jahr 2021 zufolge waren die „USA und ihre Verbündeten für einen deutlich überproportionalen Anteil des weltweiten Rückgangs der Demokratie im letzten Jahrzehnt verantwortlich". 

Die Frage ist nun, was die Demokratien tun können, um diesen Trend umzukehren? Militärische Optionen und erzwungene Regimewechsel haben sich als risikoreich erwiesen; zudem ist es höchst unwahrscheinlich, dass sie tatsächlich erfolgreich sind. Als Reaktion auf Russlands Einmarsch in der Ukraine haben die Vereinigten Staaten, Europa und Verbündete wie Japan und Südkorea beispiellose Sanktionen gegen Russland verhängt, die der russischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen. Dennoch geht die russische Invasion unvermindert weiter, obwohl Berichte über Verhandlungen im Anfangsstadium vielversprechend schienen.

Daran zeigt sich: Wenn die Vereinigten Staaten, die EU und ihre Verbündeten künftige chinesische Aktionen gegen Taiwan verhindern oder bestrafen wollen, indem sie zu einem bestimmten Zeitpunkt Sanktionen verhängen, wie sie es als Reaktion auf die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang getan haben, ist es unwahrscheinlich, dass das Russland-Konzept Erfolg haben wird. Chinas Wirtschaft ist viel stärker mit der Weltwirtschaft verflochten - viele Länder sind nach wie vor auf chinesische Waren und Produktion angewiesen, daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass der globale Süden diese Maßnahmen unterstützen würde - und Chinas Finanz- und Militärmacht ist weitaus größer als die Russlands. Gezielte Sanktionen gegen bestimmte chinesische Wirtschaftszweige könnten zwar Chinas finanzielle und militärische Macht beeinträchtigen, werden aber höchstwahrscheinlich nicht dazu führen, dass sich das chinesische Verhalten signifikant ändert. Noch dazu verursachen sie den von der chinesischen Wirtschaft abhängigen Ländern erhebliche Kosten. Sanktionen können eine Option sein, um gegen autoritäre Staaten vorzugehen, aber allein werden sie nicht ausreichen. Führende Demokratien müssen gleichzeitig umfangreiche Reformen durchführen, einschließlich der Bekämpfung von Korruption und Geldwäsche, der Steigerung der Produktion erneuerbarer Energien und der Unterstützung globaler Infrastrukturinvestitionen.

Herausforderungen für den Erfolg von Sanktionen

Es gibt inzwischen zahlreiche Belege dafür, dass die Wirksamkeit von Sanktionen abnimmt, obwohl ihr Einsatz dramatisch zugenommen hat. Den Zahlen des Historikers Nicholas Mulder zufolge hat sich der Einsatz von Sanktionen in den 1990er und 2000er-Jahren im Vergleich zum Zeitraum zwischen 1950 und 1985 verdoppelt. In den 2010er-Jahren verdoppelte sich der Einsatz von Sanktionen noch einmal. Gleichzeitig ging die Wirksamkeit von Sanktionen deutlich zurück: Die Erfolgsaussichten von Sanktionen sanken von 35-40 Prozent zwischen 1985 und 1995 auf unter 20 Prozent im Jahr 2016.

Diese Zahlen verdeutlichen ein entscheidendes Problem: Obwohl die Vereinigten Staaten, die EU und andere Länder in den letzten drei Jahrzehnten verstärkt auf Sanktionen zurückgegriffen haben, hat ihre Wirksamkeit stetig abgenommen. Doch als politisches Instrument sind Sanktionen eindeutig auf Dauer angelegt. Wenn Demokratien Sanktionen einsetzen wollen, um dem Autoritarismus entgegenzuwirken, ist es von entscheidender Bedeutung, diesen Trend der abnehmenden Wirksamkeit umzukehren. 

Die Faktoren, die zum Rückgang der Wirksamkeit von Sanktionen beitragen, sind zahlreich und vielfältig. Während die Anwendung von Sanktionen weltweit eskalierte, haben die sanktionierten Länder ihre Wirtschaft angepasst und willige Partner gefunden, um die Sanktionen zu unterlaufen. Die Versuche Russlands, seine Wirtschaft nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 "sanktionssicher" zu machen, sind gut dokumentiert, und diese Erfahrung bietet eine Blaupause für andere Länder, die versuchen, sich trotz Sanktionen zurechtzufinden. Diese Maßnahmen bergen außerdem das Risiko, autoritäre Staaten zusammenzubringen, selbst solche mit traditionellen Rivalitäten, wie der aktuelle Fall von China und Russland zeigt. China hat zudem engere Beziehungen zum Iran und zu Venezuela aufgebaut, beides Länder, die unter den harten Sanktionen der Vereinigten Staaten leiden.

Verschärfte Sanktionen stellen die Staaten, die sie einsetzen, vor administrative Herausforderungen. Und später wird es oft schwierig, die Sanktionen aus politischen Gründen wieder aufzuheben. Dies kann dies zu einer aufgeblähten Liste von Sanktionen mit vagen oder unbestimmten strategischen Zielen führen. Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass es bei einer so umfangreichen Liste von Sanktionen, die es zu überwachen gilt, sehr viel schwieriger wird, sie durchzusetzen und sicherzustellen, dass sie den beabsichtigten Zielen dienen. Selbst als die Regierung von US-Präsident Donald Trump in Rekordtempo neue Sanktionen einführte, sank die Durchsetzung um 20 Prozent gegenüber der zweiten Amtszeit von Präsident Barack Obama. Diese Herausforderungen machen deutlich, dass nicht nur drastische Sanktionsreformen, sondern auch ernsthafte innenpolitische Reformen notwendig sind, um etwaige Änderungen der Sanktionsstrategien zu ergänzen.

Ausblick: Was sind die Optionen?

Es gibt Schritte, die unternommen werden können, um die Wirkung von Sanktionen zu verstärken und gleichzeitig die Regierungsführung im eigenen Land zu verbessern. Die Bekämpfung von Geldwäsche und Korruption, die vor allem in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königreich ein großes Thema ist, kann verhindern, dass wohlhabende Zielpersonen wie etwa russische Oligarchen ihr Geld verstecken und die Sanktionen umgehen können. Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Beschleunigung des Übergangs zu erneuerbaren Energien. Damit wird nicht nur sichergestellt, dass sich der Planet nicht weiter in alarmierendem Tempo erwärmt, sondern auch die Abhängigkeit von Öl aus autoritären Staaten wie Russland und Saudi-Arabien verringert. Selbst wenn die Europäische Union wöchentlich neue Sanktionen gegen Russland verhängt, gibt Europa einigen Schätzungen zufolge täglich bis zu 1 Milliarde US-Dollar für russische Energie aus. Das ist einfach untragbar, wenn der Westen Russland wirklich für seinen Einmarsch in der Ukraine bestrafen will.

Doch die Solidarität, die die westlichen Demokratien und ihre Verbündeten gegenüber Russland gezeigt haben, kann als Abschreckung für künftige chinesische Aggressionen dienen. Die Tatsache, dass China Russland weder militärisch noch mit bedeutenden öffentlichen Äußerungen unterstützt hat, zeigt, dass Peking sich auf der Weltbühne nicht weiter isolieren möchte und stattdessen immer noch hofft, eine globale Führungsrolle zu übernehmen. Die Aufrechterhaltung von Einigkeit und Konsequenz angesichts ähnlicher Fälle von Aggression wird in Zukunft entscheidend sein.

Schließlich sollten die Vereinigten Staaten, Europa und ihre Verbündeten ihre Bemühungen verstärken, diplomatische, regulatorische, kulturelle und andere Soft-Power-Instrumente einzusetzen, um dem wachsenden globalen Einfluss Chinas zu begegnen. Durch die „Neue Seidenstraße“ (Belt and Road Initiative, BRI) hat China seine globalen Wirtschaftsbeziehungen in Afrika, Lateinamerika und dem Nahen Osten effektiv ausgebaut. Bis zum Jahr 2035 wird weltweit eine Finanzierungslücke von 40 Billionen US-Dollar in der Infrastruktur bestehen, was eine große Chance für führende Demokratien darstellt, das Leben von Milliarden von Menschen weltweit zu verbessern und die demokratischen Werte von Transparenz und guter Regierungsführung zu verbreiten. Die Initiativen "Build Back Better World" (B3W) und "Global Gateway" der EU sind ein guter Anfang, aber für Vorhaben dieser Größenordnung sind konkrete Folgemaßnahmen und Aktionen erforderlich.

Diese Maßnahmen werden nicht einfach sein, und es bedarf eines erheblichen politischen Willens, um die gewünschte Wirkung zu erzielen. Doch Chinas wachsende Rolle auf der Weltbühne stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Förderung von Demokratie und Menschenrechten weltweit dar. Während Sanktionen gegen China allein nicht ausreichen werden, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Chinas wachsendem globalen Einfluss entgegenzuwirken und gleichzeitig die Regierungsführung im eigenen Land zu verbessern. Dies ist eine Win-Win-Situation, und wenn die Regierungen jetzt nicht handeln, wird dies sicherlich als eine große verpasste Gelegenheit gelten. 

Adam DuBard ist Program Associate beim FNF World Order and Globalization Hub in Washington DC. Dieser Artikel ist ein Auszug aus einem ausführlichen Grundsatzpapier über Sanktionen als Mittel zur Bekämpfung von Autoritarismus. Sie können es demnächst auf freiheit.org lesen.