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Tunesien
Präsidentschaftswahlen in Tunesien: Ein Urnengang ohne Wahl

 Kais Saied

Präsident Kais Saied steht am 6. Oktober 2024 erstmals zur Wiederwahl.

© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Hasan Mrad

Am 6. Oktober 2024 steht der seit Oktober 2019 autoritär regierende Präsident Kais Saied, der 2021 in einem „Verfassungsputsch“ das demokratisch legitimierte Parlament entmachtete und im Jahr darauf per Referendum einen neue, autoritär ausgerichtete Präsidialverfassung verabschieden ließ, erstmals zur Wiederwahl.

Repressive Maßnahmen und Wahlmanipulation

Bereits im Vorfeld wird  durch eine Vielzahl repressiver Maßnahmen -   u.a. Diffamierungskampagnen, Verfolgung und  die Einführung willkürlicher prozeduraler Hürden - ernsthafte Konkurrenz frühzeitig aus dem Weg geräumt. Auch wurden im August 2024 in einer rechtlich umstrittenen Entscheidung von der staatlichen Wahlbehörde überhaupt nur zwei alternative Kandidaten zugelassen: zum einen der Unternehmer und Gründer der Partei „Azimoun“ Herr Ayachi Zammel und zum anderen der Vorsitzende der Partei „Volksbewegung“ Herr Zouhair Maghzaoui.

Beide sahen sich in der Folge ebenfalls diversen Schikanen durch den Sicherheitsapparat ausgesetzt, darunter Betrugsvorwürfe und im Falle von Zammel sogar Verhaftung. Eine Anordnung des Verwaltungsgerichts, weitere Kandidaten zur Wahl zuzulassen, wurde von der obersten Wahlbehörde ignoriert. In der Folge entzog das Parlament dem Verwaltungsgericht auf Vorschlag des Präsidenten die Zuständigkeit. Das Ursprungsland des arabischen Frühlings reiht sich damit ein in den weltweiten Trend zu einem populistischen Autoritarismus.

Tunesien ringt weiter mit ungelösten politischen und wirtschaftlichen Krisen

Während der populistisch-nationalistisch ausgerichtete Präsident somit weitgehend ungehindert durch Gewaltenteilung oder politische Konkurrenz agieren kann, bleiben die enormen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, vor denen auch Tunesien steht, weiterhin ungelöst.

Durch inländische Verschuldung, ad-hoc Budgethilfen befreundeter Staaten, eine massive Einschränkung von Importen und nicht zuletzt auch einer Verknappung subventionierter Güter wie Milch und Zucker  gelang es, die prekären Staatsfinanzen für den Moment zu stabilisieren und den  drohenden Zahlungsausfall zu verhindern. Ob diese Maßnahmen und Initiativen, eine „geopolitische Rendite“ durch Annäherung an China und Russland oder die Rolle des Landes in der Migration nach Europa zu erwirtschaften, mehr erreichen, als diese zentralen Herausforderungen in die nahe Zukunft zu verschieben, ist jedoch fraglich.

Tunesien in der Sackgasse

Angesichts dieser Umstände ist davon auszugehen, dass die Bedeutung und Aussagekraft der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen begrenzt bleiben werden. Ein für umfangreiche Reformen oder gar eine Neuausrichtung des Landes notwendiges Mandat für die neue 5-jährige Amtszeit wird aus ihnen absehbar nicht hervorgehen. Dies ist jedoch Voraussetzung, um in einer Zeit des geopolitischen Wandels aus der Stagnation auszubrechen und die Gestaltungsmacht im Hinblick auf die Zukunft des Landes wiederzuerlangen.

Um sich glaubhaft als strategischer Partner in der Bewältigung der vielfältigen nationalen und regionalen Herausforderungen von Migration bis Klimawandel einbringen zu können und notwendige Reformen voranzubringen, braucht es ein robusteres Mandat, als es das eingeschränkte Kandidatenfeld und die absehbar geringe Wahlbeteiligung hervorbringen können, selbst für den Fall, dass der Amtsinhaber bereits in der ersten Runde die erforderliche absolute Mehrheit erreichen sollte.