Kanada
Ein neuer Premierminister und Wahlen in Kanada: Welche Rolle spielt der Trump-Effekt?

Der Vorsitzende der Liberalen Partei Kanadas, Mark Carney, spricht während seiner Wahlkampfauftaktveranstaltung.
© picture alliance / ZUMAPRESS.com | Frank GunnAls Mark Carney, der frühere Goldman Sachs-Manager und ehemalige Zentralbankchef von Kanada und Großbritannien, von den Mitgliedern der Liberalen Partei Kanadas am 9. März zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde, war klar: Die Liberalen wollen einen Neuanfang. Denn der inzwischen 60-jährige Mark Carney ist ein politischer Neuling. Die fast zehnjährige Amtszeit des Premierministers Justin Trudeau wurde damit von den Mitgliedern der Liberalen Partei beendet, und zwar personell wie inhaltlich. Trudeau hatte Anfang Januar seinen Rücktritt angekündigt. Justin Trudeau war vom internationalen jugendlichen Star innerhalb der Regierungschefs und Liebling des Boulevards zum Umfrage-Senkblei für die Liberalen geworden.
Nur Mark Carney kann Wirtschaft
Um auch gleich deutlich zu machen, dass die Ära Trudeau vorbei ist, verfügte Mark Carney den Stopp der von Trudeau geplanten Erhöhung der Kapitalertragsteuer. Die einst so „progressive“ Agenda der Liberalen Partei wird von Mark Carney auf die Wettbewerbsfähigkeit Kanadas getrimmt. Denn Wirtschaftskompetenz braucht es auch nach Ansicht der Bevölkerung, um Kanada vor den Folgen der aggressiven Zollpolitik Donald Trumps zu schützen.
Diese sind eine sehr ernste Bedrohung für Kanadas Wirtschaft. Beide Volkswirtschaften sind eng verflochten. Das von Trump in seiner ersten Amtszeit unterzeichnete Handelsabkommen zwischen den USA, Canada und Mexiko, USMCA, hat den Handel in diesem Wirtschaftsraum stark wachsen lassen. Der drittwichtigste Wirtschaftssektor für den Export nach Öl und Gas ist die kanadische Automobilindustrie. Sie ist eng mit den US-amerikanischen Automobilunternehmen verbunden und wäre erheblich von Zöllen betroffen.
Carney grenzt sich nicht nur von der Agenda seines Vorgängers ab. Er lässt auch keinen Zweifel aufkommen, dass sein Hauptkontrahent von den Konservativen, Pierre Poilievre, der falsche Premierminister wäre. Der 45-jährige Vorsitzende der kanadischen Konservativen Poilievre sitzt seit 20 Jahren im Parlament. Das nahm Carney zum Anlass, um zu behaupten, Poilievre habe noch nie in seinem Leben einen Lohnzettel gelesen.
Alle Parteien verlieren Zustimmung, nur Liberale gewinnen
Während sich alle Parteien in Kanada von den Konservativen über den Bloc Quebecois bis zur linken New Democratic Party im nationalen Konsens gegen die Attacken Trumps geeint sahen, gewann allein die Liberale Partei als Regierungspartei an Zustimmung in den Umfragen. Noch im Januar schienen die Liberalen aussichtslos zurückzuliegen. Die Umfragen sagten mit einer Wahrscheinlichkeit von 99% den Wahlsieg der Konservativen voraus. Das schon fast sensationell zu nennende Comeback verdanken die Liberalen vor allem einem Wahlhelfer: Donald Trump. Seine Attacken gegen Kanada erwecken bei den Kanadiern den Nationalstolz. Trump erklärte, Kanada zum 51. US-Bundesstaat zu machen und bezeichnete Premierminister Trudeau als „Gouverneur“ von Kanada, als sei er Regierungschefs eines US-Bundesstaates.
Private Boykotte von US-Produkten waren die Folge. Ein Eishockeyspiel zwischen den USA und Kanada wurde zum nationalen Ersatzkriegsschauplatz stilisiert. Und die liberale Minderheitsregierung spielt diese Themen sehr offensiv - schließlich ist Wahljahr.
Wahltermin im Umfragehoch vorgezogen
Bereits wenige Tage nach Amtsübernahme hat der neue kanadische Regierungschef am 14. März Wahlen für den 28. April angekündigt. Begründung: Er brauche ein starkes Mandat für die Verhandlungen mit Trump. Er will sicherlich auch nicht das Risiko eingehen, dass sein steiler Umfrageanstieg womöglich abflacht. Denn es wäre noch bis Ende Oktober Zeit gewesen, die Wahlen stattfinden zu lassen. Die Umfragen sagen derzeit, dass die Liberale Partei die Mehrheit der Sitze gewinnen könnte. Die wichtigsten Komponenten für dieses erstaunliche Comeback sind die Gegnerschaft zu Donald Trump und der Mut zu einem personellen und inhaltlichen Neuanfang.
Allerdings hat die gegenwärtige Regierung auch noch die Herausforderung, auf die Attacken und die Zölle von Trump die richtige Antwort zu finden. Für den 2. April hat Trump seine nächste Strafzollrunde angekündigt. Auf der einen Seite verlangt der Wahlkampf lautstarken Widerspruch. Auf der anderen Seite verlangt das nationale Interesse auch besonnenes Taktieren, so wie es die mexikanische Präsidentin gemacht hat.
Am 28. April könnte das Ergebnis in Kanada sein, dass Trumps politische „Freunde“, die Konservativen, wegen Trump verlieren, und Trumps Gegner, die Liberalen, wegen Trump gewinnen.