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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

Ukraine-Hilfe
Ein ganz normaler Vorgang

Es ist üble Nachrede, dem Bundesfinanzminister Christian Lindner vorzuwerfen, er wolle die Ukraine-Hilfe beenden oder kürzen. Das stimmt nicht.
Lindner

Bundesfinanzminister Christian Lindner steht aktuell in der Kritik.

© picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Es begann mit einem Leitartikel in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) vom 18. August 2024. Die Überschrift auf der Titelseite lautete: „Kein neues Geld mehr für die Ukraine“. In ihm wurde suggeriert, der Bundesfinanzminister Christian Lindner streiche die Ukraine-Hilfe zusammen – und liefere damit ohne deutsche Unterstützung das angegriffene Land ungeschützt der Aggression von Putins Russland aus. Die Botschaft wurde von der CDU-Opposition gierig aufgegriffen, selbst Politiker aus der Regierungskoalition regten sich auf. Sie ging auch schnell um die Welt: Selbst die Financial Times berichtete darüber, und der hochangesehene liberale Publizist Timothy Garton Ash, sonst wenig engagiert in finanzpolitischen Fachfragen, sprach sinngemäß von dem Opfer der Ukraine auf dem Altar der deutschen Schuldenbremse.

Hintergrund des Berichts war die Tatsache, dass im neuen, nochmals jüngst angepassten Haushaltsentwurf die Finanzierung der Ukraine-Hilfe zu Recht umgestellt wurde – nach der G7-Vereinbarung vom Juni, nach der die Hilfe von der EU, den USA sowie Kanada und Japan mit einer internationalen Anleihe finanziert werden soll – auf der Grundlage der Erträge des in Europa eingefrorenen russischen Zentralbankvermögens, die dem Vernehmen nach in zweistelliger Milliardenhöhe anfallen. Die genauen Modalitäten dieser komplexen Operation liegen dabei noch nicht fest, und es ist in der Tat nicht völlig auszuschließen, dass sie noch komplett scheitert und das Geld dann nur in geringerer Höhe oder gar nicht fließt. Aber derartige Risiken sind völlig normal im Haushalt: Wer weiß auf der Einnahmenseite schon genau, wie hoch die Steuereinnahmen ausfallen – sie werden grob geschätzt und fallen in Deutschland oft in zweistelliger Milliardenhöhe größer oder kleiner an als erwartet? Und wer weiß auf der Ausgabenseite schon genau, wie hoch die Ausgaben für den Schuldendienst, für Investitionsprojekte und für Löhne und Gehälter der öffentlichen Bediensteten ausfallen, auch die werden grob geschätzt?

Tatsächlich bestehen diese Risiken immer. In den großen Krisen der letzten Jahrzehnte – Weltfinanzkrise, Flüchtlingskrise, Covid19-Krise, Flutkrise, Energiekrise – führten sie übrigens regelmäßig in der Atmosphäre öffentlicher Panik zu weit überhöhten Veranschlagungen, was anschließend dazu beitrug, dass beträchtliche Teile der Mittel nicht abflossen – und dann zweckmissbraucht wurden, was das Bundesverfassungsgericht dann zu Recht monierte. Es ist deshalb geradezu geboten, eine vorsichtige Veranschlagung vorzunehmen, nach bestem Wissen und Gewissen.

Eben dies hat Christian Lindner getan, pflichtgemäß. Und natürlich hat er als Bundesfinanzminister auch die Pflicht, den Abfluss der Mittel sorgfältig zu kontrollieren, wie nochmals aus einem Brief hervorging, den er an die beteiligten Ressorts schrieb, auch dies pflichtgemäß. Sollte sich herausstellen, dass die Mittel nicht reichen – für welchen Zweck auch immer – so muss eben nachgesteuert werden, was bei einem planmäßigen Haushaltsvolumen des Bundes von über 488,67 Milliarden Euro (2025) durch Umschichtungen möglich sein sollte. Dies hat Lindner unmittelbar nach Erscheinen des FAS-Beitrags auch deutlich gemacht, aber die Welle der zum Teil unredlichen Empörung war längst unterwegs. Er betonte insbesondere, dass keine Rede davon sein kann, dass die Ukraine-Hilfen gestoppt oder drastisch zurückgefahren würden. Es gibt kein neues politisches Signal an die Ukraine und Russland, sondern lediglich ganz normale Haushaltspolitik. Die Ukraine-Hilfe bleibt.

Klar ist natürlich, dass der Verlauf des Krieges von Russland gegen die Ukraine sowie die Haushaltsentscheidungen anderer großer Geldgeber wie der USA nach der Präsidentschaftswahl im November 2024 von überragender Bedeutung für den weiteren Mittelbedarf sind. Aber dies sind Risiken, die ohnehin nicht zu vermeiden sind – sie liegen in der Natur der Sache. Niemand kennt die Zukunft.

 

Karl-Heinz Paqué ist Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und war selbst von 2002 bis 2006 Finanzminister des Landes Sachsen-Anhalt.