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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

USA
Ende der Schonzeit

Mit Donald Trumps zweiter Amtszeit werden Deutschland und Europa mit den Realitäten der Weltpolitik konfrontiert. Das schafft Risiken, bietet aber auch Chancen.
Am 20. Januar wird Donald Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.

Am 20. Januar wird Donald Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Evan Vucci

„Amerikanische Woche“: In sechs Beiträgen unterschiedlicher Autoren hat die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in dieser Woche die Herausforderungen des bevorstehenden Amtsantritts von Donald Trump beleuchtet. Abschließend äußert sich der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Professor Paqué, seit über vier Jahrzehnten Mitglied der „Atlantik-Brücke“. Für ihn sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen nicht nur eine Sache des liberalen Herzens, sondern auch des realpolitischen Verstands.

 

Deutsche und Europäer neigen von jeher zur Arroganz. Jedenfalls im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Die gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Trends, die sich dort abzeichnen, werden oft genug mit einem Kopfschütteln quittiert. Und dies, obwohl regelmäßig diese Trends mit ein paar Jahren Verspätung auch über Deutschland und Europa hereinbrechen. Kein Land der Welt ist eben ein so machtvoller universaler Trendsetter wie die Vereinigten Staaten von Amerika. Wer viel in der Welt herumkommt, kann dies mit aufmerksamen Augen mühelos erkennen. „America matters, whether you like it or not.“

Genau so war es beim Aufstieg der MAGA-Bewegung Donald Trumps. Über deren Schlachtruf „Make America Great Again!“ wurde in Deutschland und Europa zunächst gelächelt, dann geschimpft und schließlich geflucht. Man wollte nicht wahrhaben, dass eine Art egomanische Zeit jenseits des Atlantiks angebrochen ist. Bis zum Schluss des Wahlkampfs hielten viele – auch der Autor dieser Zeilen – einen Sieg der viel moderateren Demokratin Kamala Harris für möglich. Das klare Wahlergebnis für den Republikaner Trump war dann für viele eine Sensation.

Es gilt, sich damit abzufinden. Mehr als das: Es gilt, eine vernünftige Strategie zu entwickeln, wie man den Herausforderungen begegnen kann. Eine solche Strategie muss auf einer grundlegenden Prämisse beruhen: Amerika ist und bleibt ein Freund in Freiheit, mit dem wir fundamentale liberale Werte teilen. Wohlgemerkt: trotz Trump! Der Umgang mit den USA muss also stets konstruktiv sein – in dem Sinne, dass die transatlantischen Beziehungen nicht in Bitterkeit zerbrechen. Deshalb gilt für Deutschland und Europa: Jede „Äquidistanz“ zwischen dem demokratischen Westen (USA) und dem autoritären Osten (Russland und China) verbietet sich. Entsprechenden Neigungen der extremen Rechten und Linken muss man hierzulande strikt entgegentreten.

Dies gesagt, bleiben transatlantische Konflikte der Ideologien und Interessen, die in Zukunft unter Trump 2025-29 viel stärker ins Gewicht fallen werden als unter Biden 2021-25 und auch Trump 2017-21. Die zentralen Konfliktfelder liegen auf der Hand. Es geht in erster Linie um die Sicherheits- und die Handelspolitik, der Rest der politischen Menükarte ist wohl im herkömmlichen Stil zu managen.

Bei der Sicherheitspolitik lautet das Hauptthema: militärische Stärke. Trump will, dass Europa im Rahmen der NATO mehr in seine eigene Verteidigung investiert. Erste Schritte in diese Richtung sind geschehen, Weiteres muss folgen. Die Zahlen, mit denen Trump hantiert – zunächst 3 Prozent der Wirtschaftsleistung, inzwischen 5 Prozent – sind Hausnummern, an deren oberer Größenordnung selbst die USA mit 3,4 Prozent scheitern würde. Aber der qualitative Kern der Forderung ist mehr als berechtigt: Es ist für den Durchschnittsamerikaner nicht einzusehen, dass letztlich Amerika das ferne Europa schützen muss. Dass die Ukraine ohne die US-Unterstützung zusammenbrechen würde, entlarvt die Schwäche Europas. Dies hat Folgen: Es werden wie im Nahen Osten Trumps USA sein, die den Hebel zu Verhandlungen über einen Waffenstillstand in der Hand haben – und Europa kann froh sein, wenn es überhaupt genug Kraft hat, die Interessen der Ukraine ins Spiel zu bringen. Eine demütigende Situation, die schnellstmöglich enden muss.

Machen wir uns nichts vor: Damit dies gelingt, müssen Deutschland und Europa wirtschaftlich wachsen, sonst ist das neue geopolitische Gewicht des Kontinents ohne schlimmste Schmerzen des Sparens an anderer Stelle nicht finanzierbar. Die Wachstumsbilanz in der Europäischen Union ist aber frustrierend mittelmäßig, in Deutschland ist sie katastrophal – jedenfalls im Vergleich zur Wirtschaftsdynamik in den USA. Gerade aus geopolitischen Gründen ist deshalb eine angebotspolitische Agenda der Reformen dringend geboten. In Deutschland wird die Bundestagswahl am 23. Februar darüber Auskunft geben, ob mit einer solchen Agenda zu rechnen ist.

In dieser Hinsicht will allerdings Trump den Europäern die Aussichten eher verderben: durch blanken Protektionismus. Nichts können die Deutschen und die Europäische Union weniger gebrauchen als Zollmauern der USA, die das Wachstum ihrer Industrien in der Globalisierung behindern. Trump und seine Berater sprechen von Importzöllen in der Größenordnung von 20 bis 30 Prozent – ein Desaster der Desintegration. Dies muss mit allen diplomatischen Mitteln verhindert werden. Dazu gehören geduldige Gespräche, aber im Extremfall auch die Drohung mit harten Gegenmaßnahmen, die den Widerstand amerikanischer Pressure Groups aus den exportorientierten Branchen der Hochtechnologie provozieren. Auch die USA sind, was den Handel betrifft, verwundbar – mehr als der krude Merkantilismus eines Donald Trump glauben macht.

Generell gilt: Deutschland und Europa müssen ihre eigene Abhängigkeit von den Großmächten des Handels vermindern. Dazu zählt der geopolitische Freund USA genauso wie der geopolitische Gegner China. Das Stichwort lautet „friendshoring“: Es gibt genug Länder in Lateinamerika, Afrika und Asien (außerhalb Chinas), die als Zielnationen für eine Intensivierung der Handelsbeziehungen und für mehr Direktinvestitionen bereitstehen. Man muss allerdings mutig vorangehen und bilaterale Handelsverträge abschließen und ratifizieren wie zum Beispiel das EU-Mercosur- oder das EU-Mexiko-Abkommen. Zögerlichkeiten wie in der Vergangenheit kann sich Europa nicht mehr leisten.

All dies funktioniert nur mit einer klaren Positionierung der Glaubwürdigkeit, die in den USA zur Kenntnis genommen wird – als Indikator für ein einiges selbstbewusstes Europa. Dazu braucht es auch ein dichtes Kontaktnetz mit den Vereinigten Staaten, das genutzt wird, um ideologischen Freunden und Gegnern im Kongress deutlich zu machen, dass mit Europa nicht zu spaßen ist, aber der alte Kontinent unverbrüchlich zu den transatlantischen Werten der Freiheit steht. Deutschland – die größte Nation der Europäischen Union – trägt dabei eine besondere Verantwortung. Die Schonzeit geht zu Ende.

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