Weltwirtschaft
Globalisierung in Gefahr
War es Zufall? Am Montag, dem 20. Januar 2025, trat in den Vereinigten Staaten Donald Trump zum zweiten Mal das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten an. Am gleichen Tag veröffentlichte Oxfam zum Beginn des World Economic Forum in Davos seine neue Studie „Takers Not Makers“. Trump steht politisch rechts, Oxfam links. Aber beide lieferten aus ihrer jeweiligen Perspektive eine überaus scharfe Kritik an dem Zustand und den Ergebnissen der Globalisierung.
Trumps Botschaft: Protektionismus
Bei Trump war die Botschaft ganz einfach. Sie fügt sich ein in sein MAGA-Weltbild: „Make America Great Again!“ Danach sind die USA einer der großen Verlierer des freien internationalen Handels, der über die aus seiner Sicht unfaire industrielle Konkurrenz vor allem aus Europa und China die altindustriellen Kerne der USA zerstört hat – zum Leid der amerikanischen Arbeiterschaft, die ihre Jobs verlor. Trumps Lösung: eine scharfe Kehrtwende in der Handelspolitik – hin zum Protektionismus, mit hohen Zöllen und damit Abschottung von der Konkurrenz. In seiner Rede drohte Trump mit einem umfassenden Zollschutz, der so hoch sein solle, dass auch ergiebige Zolleinnahmen sprudeln, die dann bei einem neu geschaffenen „External Revenue Service“ landen werden – in Analogie zum „Internal Revenue Service“ für die Steuereinnahmen.
Ende der Schonzeit
Mit Trumps zweiter Amtszeit endet für Deutschland und Europa die Komfortzone. Es drohen Konflikte in Handel und Sicherheitspolitik – doch kluge Strategien könnten auch Chancen eröffnen.
Das klingt nach ernsthafter politischer Absicht. Würde sie umgesetzt, könnte sie die Axt an die liberale Weltordnung legen – durch einseitige Kündigung der handelspolitischen Kooperation des wirtschaftlich stärksten Landes der Welt. Dies darf nicht geschehen. Vor allem Europa muss dies verhindern – durch kluge Kontaktpflege in die USA, aber auch durch harte Verhandlungen. Denn natürlich profitiert auch die Wirtschaft der Vereinigten Staaten vom Freihandel, vor allem ihre überaus starken und wettbewerbsfähigen Tech-Industrien am „high end“ der Informationstechnologie, die wesentlich zur beachtlichen amerikanischen Wirtschaftsdynamik der letzten Jahre beitragen. Es ist eine geradezu groteske Verzerrung der Wahrnehmung zu glauben, Amerika sei der Leidtragende der Globalisierung. Das Gegenteil ist der Fall.
Oxfams Botschaft: Umverteilung
Um dies zu erkennen, muss man nur einen Blick in die Oxfam-Publikation „Takers not makers“ werfen, die am gleichen Tag erschien. Deren Klage über die Globalisierung wird gerade damit begündet, dass die entstandene weltwirtschaftliche Arbeitsteilung für Ungerechtigkeit sorgt – durch die Entstehung einer Schicht von „Super-Reichen“, die vor allem in den wohlhabenden Nationen des Westens leben und dort als Unternehmer sowie Kapitaleigner Milliarden über Milliarden anhäufen, darunter natürlich überdurchschnittlich viele Amerikaner, einschließlich Tech-Tycoons wie Elon Musk, Trumps Freund und Weggefährte. Die „linke“ These von Oxfam ist, dass allein eine massive globale Umverteilung für mehr Gerechtigkeit sorgen kann, zumal der Wohlstand des globalen Nordens weitgehend auf der kolonialen Ausbeutung des globalen Südens beruht.
Auch Oxfams scharfe Kritik der Globalisierung kommt – wie die Trumps – im drohenden Ton daher. Auch sie steht inhaltlich auf tönernen Füßen: Nichts wird gesagt zur Leistung marktwirtschaftlicher Systeme, deren Einführung massiv zur Senkung der Armut, aber eben auch zum Entstehen großer Vermögen beigetragen hat – zum Beispiel in Ländern wie China und Indien, aber auch zu früheren Zeiten in Deutschland und Japan. Nichts wird gesagt über den konkreten Zusammenhang zwischen kolonialer Vergangenheit und heutigem Wohlstandsniveau, der offenbar sehr komplex ausfällt, wie ein Vergleich von früheren Kolonialmächten wie Großbritannien und Frankreich mit Ländern ohne kolonialer Vergangenheit wie Schweden, der Schweiz oder Südkorea deutlich machen. Nichts wird schließlich gesagt über die Bedeutung der Innovationskraft in marktwirtschaftlichen Wachstumsprozessen, die Anreize zum Erzielen von höheren Einkommen durch zusätzliche Leistung erst ermöglicht. Was für Oxfam zählt, ist allein die statische Einkommensverteilung, nicht das dynmaische Wachstum, das künftigen Wohlstand sichert, auch für die Ärmeren.
Die Aufgaben des Liberalismus
So stehen sich ein „rechtes“ Weltbild à la Trump und ein „linkes“ Weltbild à la Oxfam inhaltlich diametral gegenüber, beide intellektuell völlig unbefriedigend, aber beide mit der klaren politischen Botschaft, was man nicht will: die weitere Globalisierung. Und dies, obwohl die Globalisierung, wie viele Studien zeigen, im Ergebnis überaus erfolgreich war, und zwar vor allem in all jenen Ländern der Welt einschließlich der USA, die sich ihr öffneten. Das ist eine höchst gefährliche Situation. Sie erinnert an die Zwischenkriegszeit, als die marktwirtschaftliche Ordnung und die offene Gesellschaft in den ideologischen Zangengriff des Faschismus sowie Nationalsozialismus von rechts und des Kommunismus und Sozialismus von links geriet.
Was sollen Liberale in dieser Lage tun? Die Antwort ist intellektuell einfach, aber politisch komplex. Sie lautet: Klar gegenhalten, aber mit der anderen Seite gesprächsbereit bleiben:
- Die weltweite Entwicklung des Wohlstands spricht eindeutig dafür, dass die Globalisierung in einer möglichst offenen Welt ein gigantischer Erfolg der Menschheit war. Der Weg muss fortgesetzt und positiv gestaltet werden. Radikale Abweichungen davon wie Trumps Plan des Protektionismus oder Oxfams Phantasie einer gigantischen weltweiten Umverteilung muss man im Kern scharf entgegentreten. Die empirischen Belege und Beweise dafür liegen wissenschaftlich auf dem Tisch. Sie müssen einer breiten Öffentlichkeit weiter verständlich gemacht werden. Das ist schwierig, aber nicht unmöglich. Einen Weg zurück darf es jedenfalls nicht geben.
- In der praktischen Politik muss ein pragmatischer Weg gefunden werden, wie – auch falsch verstandene – nationale Interessen so berücksichtigt werden können, dass die Globalisierung möglichst wenig Schaden nimmt. Im Fall des Handelskonflikts, der sich durch Trump zwischen USA und Europa anbahnt, ließe sich über eine Zerlegung der früher avisierten Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) in kleine sektorale Handelsverträge nachdenken, die auch politisch kommunizierbare, tangible Vorteile für beide Seiten versprechen. Mit Blick auf die von Oxfam beklagten Ungerechtigkeiten wäre es sinnvoll, neue Konzepte der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit zu fördern, die gerade ärmeren Ländern – an oft korrupten Regierungen vorbei – neue Chancen des Wachstums bieten.