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Senegal
Demokratischer Aufbruch in Senegal: „Unzählige Möglichkeiten für Investitionen“

Ein Gastbeitrag von Alexandra Heldt beim Tagesspiegel.
Die Jugend will Wandel und ein neues Verhältnis zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.

Die Jugend will Wandel und ein neues Verhältnis zur ehemaligen Kolonialmacht Frankreich.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mosa'ab Elshamy

Senegal hat in diesem Jahr vorgemacht, was in vielen anderen Staaten Afrikas nicht funktioniert. Präsident Macky Sall hatte auf ein drittes Mandat verzichtet und damit die Bahn frei gemacht für Wahlen.

Auch eine Verzögerungstaktik in letzter Minute musste er unter dem Druck der Straße und des Verfassungsgerichts schnell fallen lassen. Mit der sofortigen Anerkennung des bisherigen Oppositionellen Bassirou Diomaye Faye als neuen Präsidenten hat er für einen geordneten Übergang gesorgt.

Die Präsidentschaftswahlen 2024, getragen von einer starken Zivilgesellschaft und stabilen Rechtsorganen, die sich schützend vor die Verfassung stellten, zementierten den Ruf Senegals als Vorbild-Demokratie in Afrika.

Die jungen Leute fordern Wandel

Von einer begeisterten, zumeist jungen Wählerschaft getragen, wurden der Führer der oppositionellen Pastef-Partei, Ousmane Sonko, und Stellvertreter Bassirou Diomaye Faye an die Macht katapultiert. Die beiden ehemaligen Finanzbeamten waren erst kurz zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden.

Sie versprachen eine „rupture“, französisch für „Bruch“ – also Wandel und Aufbruch. Im Inneren und auch in der Außenpolitik, wo man sich von Frankreich weiter emanzipieren will. Doch anders als in den westafrikanischen Putschländern Burkina Faso und Niger soll das im Dialog mit Paris passieren.

Im März 2024, zu den Präsidentschaftswahlen, war die Partei Pastef mit großen Versprechen angetreten: Abbau des informellen Sektors, mehr Perspektiven für die Jugend, Konzepte gegen Armut und Korruption, ein funktionierendes Verkehrskonzept zur Eindämmung von Staus, Abgasen und Verkehrstoten, eine Justizreform, die Beschneidung der Befugnisse des mächtigen Präsidentenamtes.

Bisher einzelne Aktionen mit populistischem Charakter

Doch das Jahr hat auch gezeigt, dass Wahlversprechen noch keine Regierungspolitik sind. Die Menschen hoffen auf die rasche Umsetzung konkreter Maßnahmen, die ihr Leben spürbar verbessern.

Stattdessen herrschte institutioneller Stillstand, bis im November auch ein neues Parlament gewählt wurde, in dem die alten Kräfte bis dahin gebremst hatten.

Diese Zeit wurde mehr schlecht als recht durch Einzelaktionen und Ankündigungen übertüncht, die vor allem populistischen Charakter hatten. Im Kampf gegen das bisherige Establishment werden Posten umverteilt, Vermögen eingefroren, Bauvorhaben gestoppt – oft ohne klare juristische Grundlage.

Abnabelung von Frankreich

Präsident Faye unterstreicht die größere Unabhängigkeit von Paris und bleibt den Einladungen von Präsident Emmanuel Macrons fern, wie zuletzt dem Gipfel der Frankofonie.

Schon nach seinem Amtsantritt hatte er Zeichen gesetzt: Er besuchte die Länder der Sahelregion, statt zuerst nach Paris zu fliegen. Vor einigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Und er fordert die Beschleunigung des Abzugs der wenigen Hundert französischen Soldaten, die sich noch im Senegal befinden.

Senegal war seit 1895 eine französische Kolonie gewesen und wurde 1960 unabhängig.

Das sorgt für Unruhe bei internationalen Geldgebern, Ratingagenturen und der lokalen Wirtschaft. Dabei bietet der Rückzug Frankreichs anderen Ländern die Möglichkeit, wirtschaftlich in Senegal Fuß zu fassen.

Senegal ist ein attraktiver Markt

Energiequellen von Solar bis Gas, eine motivierte Jugend, unendlich viele Arbeitskräfte, Seltene Erden, über 500 Kilometer Küste und eine kreative Mode-, Kultur- und Gründerszene bieten unzählige Möglichkeiten für Investitionen.

China, Marokko, Türkei, Indien sind präsent. Deutschland tut sich schwer. Trotz des Besuchs von Außenministerin Annalena Baerbock im Sommer 2024, die den verstärkten Willen zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit dem Privatsektor unterstrich. 

Vermittlerrolle in Westafrika

Senegals neue Führung bekennt sich zu einem panafrikanischen Afrikaverständnis und zur westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft Ecowas. Das ist zu begrüßen. Präsident Faye ist mit seinem tschadischen Kollegen zum Vermittler zwischen der Regionalorganisation und den abtrünnigen Staaten Mali, Niger und Burkina Faso (AES) auserkoren worden.

Senegal brauchte den Wechsel, das ist geschafft. Jetzt braucht es eine Vision und seine Umsetzung.

Alexandra Heldt

Die drei Staaten, in denen Putschregime an der Macht sind, hatten sich zu einem eigenen Verbund zusammengeschlossen und wollen die Ecowas verlassen.

Die populistischen Gesten im Inland begeistern zwar die Anhänger, lösen aber nicht die Probleme. Was noch zu fehlen scheint, ist ein pragmatisches Konzept und die Expertise zur Umsetzung des Wandels.

Das geschäftige Treiben auf den Märkten der Hauptstadt ist kein Zeichen für eine strukturierte und gezielte Unterstützung der Kleinhändler und Kleinbauern durch den Staat. Es ist ein Zeichen für die Resilienz einer Bevölkerungsschicht, die versucht, über die Runden zu kommen. Ein Volk, das es sich nicht leisten kann, im Stillstand zu verharren.

Senegal brauchte den Wechsel, das ist geschafft. Jetzt braucht es eine Vision und seine Umsetzung.

Das Jahr 2025 wird zeigen, ob das Politikerduo aus Präsident Faye und Premierminister Sonko die Vorschusslorbeeren der senegalesischen Wähler und Wählerinnen verdient hat. Sie müssen aus dem Zeitlupentempo in den nächsten Gang schalten.

Alexandra Heldt ist Leiterin des Regionalbüros Westafrika der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Dakar.

Dieser Artikel erschien erstmals am 28. Dezember 2024 beim Tagesspiegel.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
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