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Vorgezogene Wahl im Senegal
Zwischen Abfuhr und Befreiungsschlag

Mit der vorgezogenen Neuwahl wollen sich Präsident Bassirou Diomaye Faye und Premierminister Ousmane Sonko eine Mehrheit für ihre Partei Pastef sichern.

Mit der vorgezogenen Neuwahl wollen sich Präsident Bassirou Diomaye Faye und Premierminister Ousmane Sonko eine Mehrheit für ihre Partei Pastef sichern.

 

 

 

 

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Mosa'ab Elshamy      

Senegal steht zum zweiten Mal in diesem Jahr vor richtungsweisenden Wahlen: Nach den Präsidentschaftswahlen im März wird an diesem Sonntag ein neues Parlament in dem westafrikanischen Land gewählt. Mit der vorgezogenen Neuwahl wollen sich Präsident Bassirou Diomaye Faye und Premierminister Ousmane Sonko eine Mehrheit für ihre Partei Pastef sichern, um die von ihnen geplanten Reformen umzusetzen. Bisher verfügt Pastef über lediglich 56 der insgesamt 165 Sitze.

Das Duo Faye/Sonko, zwei Oppositionelle und ehemalige Steuerbeamte, waren im März an die Macht gekommen und hatten Präsident Macky Sall abgelöst. Der eigentliche Vordenker und Parteiführer Sonko durfe aufgrund eines Gerichtsurteils nicht antreten und so war sein Stellvertreter Faye als Präsidentschaftskandidat aufgestellt worden. Sonko wurde nach dem Wahlsieg Fayes zum Premierminister ernannt. Im Wahlkampf hatten sie angekündigt, Rohstoffverträge neu zu verhandeln und politische Institutionen zu reformieren. Zudem wollen sie den Senegal unabhängiger machen von der früheren Kolonialmacht Frankreich.

Da die Vertreter der bisherigen Regierungsparte Macky Salls das Parlament beherrschen, hat sich zur Enttäuschung ihrer zumeist jungen Wähler in den vergangenen acht Monaten wirtschaftlich und sozial wenig verändert.

Scharfe verbale Angriffe

Vor allem verbal war das Führungsduo gegen alle, die nicht Pastef-hörig sind: das Polit-Establishment, die religiösen Bruderschaften, die Privatwirtschaft, die Verwaltung und die Rechtsorgane. Premierminister Sonko hatte den Wahlkampf mit aufheizenden Parolen populistisch dominiert.

Im Senegal geht es meist nicht um Programme und Ideologien, es geht vor allem um einen personalisierten Wahlkampf. War die Präsidentschaftswahl eine Abstimmung für oder gegen Macky Sall, so geht es bei der Parlamentswahl vor allem um die Person von Premierminister und Parteichef Ousmane Sonko. Er scheint nicht verwunden zu haben, dass er nicht selbst im Präsidentenpalast sitzt. Die einzig auf seine Person als Parteivorsitzender ausgerichtete Wahlkampagne hat er als Chance verstanden, dies wettzumachen. Sollte Pastef eine Zweidrittel-Mehrheit erringen, wäre das die Bestätigung und Legitimation für Sonko. Er könnte dann auch die politischen Institutionen umbauen. Es ist kein Geheimnis, dass die Beschneidung der präsidialen Befugnisse und die Einrichtung eines Hohen Gerichts zu seinen Prioritäten gehört.

Verbündeter wird Gegner

Den Wahlkampf hatte er mit aufheizenden Parolen populistisch dominiert. Als Hauptgegner scheint er nicht Macky Salls Koalition zu sehen, sondern einen ehemaligen Verbündeten: Barthélémy Dias, seit zwei Jahren Bürgermeister von Dakar. Dias distanzierte sich von der Pastef und wurde zur Zielscheibe in dem polarisierenden Zweikampf. Dabei kam es auch zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Politiker in der nördlichen Inselstadt Saint-Louis und in der Hauptstadt Dakar.

Dias, Sohn eines ehemaligen Ministers, kennt, wie er selbst sagt, nur die Politik. Seine neue, politisch breiter aufgestellte Koalition Sam Sa Kaddu (Ehre Dein Wort!) wird als ernstzunehmender Gegner Sonkos im Kampf um die Parlamentssitze gesehen. Diaz gilt als Macher. Infrastrukturverbesserungen vor allem im Bereich Mobilität und Beleuchtung in der von Verkehr, Stau und Kriminalität geplagten Hauptstadt werden ihm zugutegehalten.

Dabei ist Dias kein Unschuldslamm. Vor einigen Jahren verurteilt wegen des ungeklärten Todes eines Mannes vor seinem Amtssitz, war er im Gefängnis. Sein Ton ist rau, sein Auftreten auch. Zumindest in letzterem sind sich Bürgermeister Dias und Premierminister Sonko nicht unähnlich.

Dieser Zweikampf war denn auch das Aufregendste in einem eher uninspirierten Wahlkampf zwischen den gut 40 Wahllisten. Angeführt von alten Hasen wie Amadou Ba, Khalifa Sall, Karim Wade oder Macky Sall, die wenig Neues und somit auch wenig Vielversprechendes bieten. Keine der Oppositionsparteien hat den Sprung in die Moderne gewagt: keine Erneuerung geschweige denn Verjüngung an den Parteispitzen, keine Frauen auf Spitzenposten. Das kommt Diaz und Sonko zugute. Mangels überzeugender Alternativen stehen sie im Zentrum der Aufmerksamkeit.

Eine Wahlprognose ist schwierig, darin sind sich alle Beobachter einig. In der breiten Bevölkerung ist eine zunehmende Desillusionierung spürbar ob der bisher wenig überzeugenden Performance der Pastef-Regierung und der gewalttätigen Rhetorik und Ausschreitungen. In der engsten Anhängerschaft hingegen, meist jung und nicht ausgebildet, stehen Sonko und seine Partei weiter hoch im Kurs. Zu kurz ist die Zeit seit der Regierungsbildung, so die Anhänger, um der noch jungen Regierung einen Strick aus dem Stillstand zu drehen.

Die Schwächen von Sonko, seine Arroganz, seine gewalttätige Rhetorik, auch die Korruptionsvorwürfe gegen ihn wiegen wohl noch nicht schwer genug. Und die Untaten der Vorgängerregierung sind sehr präsent in den Köpfen der Wähler.

 

Alexandra Heldt ist Leiterin des Regionalbüros Westafrika der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit Sitz in Dakar.

Dieser Artikel erschien erstmals am 17. November 2024 beim Tagesspiegel.

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Florian von Hennet
Florian von Hennet
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