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Geopolitik
Westafrika und die EU-Wahlen

EU Africa

Der ehemalige senegalesische Präsident Macky Sall trifft den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker

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Während sich der Nebel nach den Wahlen zur Europäischen Union lichtet, hallt das Echo der Ungewissheit über Europas Grenzen hinaus leise bis an die Küsten Westafrikas. Von Dakar bis Abidjan haben die EU-Wahlen und die Ergebnisse wenig bis kein Widerhall in der breiten Bevölkerung gefunden. Was vor 10 Jahren noch Tagesgespräch gewesen wäre, die haushohen Gewinne der rechten Kräfte und die daraus folgenden Regierungskrisen bspw. in Frankreich, scheinen zweitrangig. Höchstens in den unterrichteten Kreisen spürt man ein Gefühl der Verunsicherung, das sich mit der Bewunderung für die Ideale mischt, die die Europäische Union seit langem verkörpert.

Auf einem Kontinent, der voller Verheißungen steckt, aber auch mit unzähligen Herausforderungen zu kämpfen hat, ist die EU ein Leuchtturm der Hoffnung. Die Werte der stabilen Demokratie, der Toleranz und der Freiheit finden bei der afrikanischen Jugend großen Anklang. Die Möglichkeit zu wählen, sich frei zu äußern, zu reisen, zu lernen, zu arbeiten und soziale Sicherheit zu genießen, ist nicht nur ein europäisches Privileg, sondern ein universeller Wunsch, den viele Afrikaner hegen.

Der starke Anstieg der Unterstützung für rechtsextreme Parteien, insbesondere in der jüngeren Generation, lässt Zweifel an der Beständigkeit der bisher in Europa hochgehaltenen Werte aufkommen. In Deutschland zum Beispiel, wo fast ein Fünftel der 16- bis 24-Jährigen den Ergebnissen zufolge für die Rechtsextremen gestimmt haben, ist die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit sehr deutlich geworden.

Ironischerweise sehnt sich dieselbe demografische Kohorte in Afrika danach, den von der EU gebotenen Möglichkeiten nachzueifern und einen Weg zu finden, der Armut zu entkommen, Zugang zu Bildung zu erhalten und sich eine Zukunft zu sichern. Ihre oft gefährliche und mit Unsicherheiten behaftete Reise unterstreicht den krassen Gegensatz zwischen den Träumen der afrikanischen Jugend und den politischen Veränderungen, die sich in Europa vollziehen.

Als mögliche Folgen könnte Afrika erstens den bereits vorhandenen Ruf nach panafrikanischer Solidarität und Strukturen verstärkt erleben. Die Turbulenzen auf der anderen Seite des Mittelmeers bestärken die in der Region spürbaren Tendenzen, regionale Allianzen zu stärken und in einer scheinbar auf den Kopf gestellten Welt kollektive Widerstandsfähigkeit zu zeigen.

Zweitens könnte die zurückhaltende Reaktion der Westafrikaner auf die am EU-Wahlabend angekündigte Auflösung des französischen Parlaments durch Präsident Macron als ein Beispiel eines zunehmenden Desinteresses von der europäischen Innenpolitik gesehen werden.

Das bisher von Afrika ausgehende Interesse an Europa könnte zu Gunsten anderer Player wie China, Russland oder Türkei schwinden. Eine von den rechten Kräften geforderte stärkere Introspektion in und auf die EU würde Rolle und Einfluss der genannten Drittländer in Afrika stärken, insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit. Die von der EU bisher besetzten Themen in den Bereichen Migration, Sicherheit, Entwicklungszusammenarbeit und Klima aber auch der von der EU hochgehaltene Wertekanon, von Westafrika als paternalistisch und zunehmend belehrend empfunden, stehen auf dem Prüfstand. Die anstehende Wahl an der Spitze des Europäischen Parlaments und die Ausrichtung „nach links“ oder „nach rechts“ werden ausschlaggebend für die Gestaltung der zukünftigen Afrika-EU-Beziehungen sein. Zwischen Träumen und Realitäten wird Afrika den Nachbarkontinent Europa weiterhin beobachten, mit einer gehörigen Portion Skepsis und einem zunehmend selbstbewussten Pragmatismus.