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Eine Kolumne von Karl-Heinz Paqué

75 Jahre NATO
Ein Erfolg

In diesem Jahr ist die NATO 75 Jahre alt geworden. Dies wurde jüngst in Washington gefeiert. Zu Recht.
Die Staats- und Regierungschefs stehen beim Nato-Gipfel für das Familienfoto zusammen.

Die Staats- und Regierungschefs stehen beim Nato-Gipfel für das Familienfoto zusammen.

© picture alliance/dpa | Kay Nietfeld

Es ist merkwürdig. Liest man in diesen Tagen die Berichterstattung über die Bilanz der NATO nach 75 Jahren ihrer Existenz, so drängt sich der Eindruck auf, es handele sich um eine internationale Organisation in der Krise. Und tatsächlich steht die NATO vor gewaltigen Herausforderungen. Vor allem ihre finanzielle Zukunft macht Sorgen: Was passiert mit ihr, wenn Donald Trump im November an die Macht kommt und seine Drohungen wahr macht und Amerikas militärischen Schutzschirm über Europa in Frage stellt? Werden die Europäer einschließlich der Deutschen die Kraft aufbringen, ihre Beiträge zur NATO kräftig zu erhöhen, um selbst für mehr Sicherheit zu sorgen? Werden die unsicheren Kantonisten in der NATO, allen voran Ungarn und die Türkei, mit ihren autokratischen Präsidenten durch Annäherung an Russland das gesamte Projekt gefährden? Wie wird der künftige atomare Schutzschirm aussehen? Und was wird aus der Ukraine?

Das sind berechtigte Fragen, auf die es heute noch keine klare Antwort gibt. Gleichwohl dürfen sie nicht den Blick dafür verstellen, dass diese NATO, die North Atlantic Treaty Organization, mit ihren inzwischen 32 Mitgliedern historisch ein riesiger Erfolg ist und bleibt. Sie wurde vor 75 Jahren als gegenseitiger Beistandspakt  der Gründungsmitglieder geschaffen, um im Fall eines Angriffs Deutschlands oder der Sowjetunion die freie Welt zu schützen. Deutschland ist inzwischen als Ganzes Teil dieser freien Welt, die Sowjetunion gibt es nicht mehr, aber es bleibt ein militärisch aggressives Russland, dessen Machthaber Wladimir Putin aber sehr wohl davor zurückschreckt, irgendein Land des mächtigen westlichen Militärbündnisses anzugreifen. Und die politisch Verantwortlichen Europas wissen dies auch: Nach Putins Angriff 2022 auf die Ukraine, ein Nicht-NATO-Mitglied, beschlossen Finnland und Schweden, NATO-Mitglied zu werden – Schweden übrigens nach rund zwei Jahrhunderten der stolzen Neutralität. Wahrlich eine Zeitenwende!

Tatsächlich genießt die NATO in der breiten Bevölkerung einen sehr guten Ruf - jedenfalls in Deutschland. Eine jüngste Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat gezeigt, dass hierzulande rund drei Viertel der Befragten Deutschlands Mitgliedschaft in der NATO befürworten und unterstützen. Unter den Anhängern von Union, FDP, SPD und Grünen sind es noch deutlich mehr – anders als bei den Anhängern der AfD, die der NATO wegen der Dominanz der USA misstrauen. Wohlgemerkt: Der Grad der Zufriedenheit mit der NATO war hierzulande nicht immer so hoch. In den siebziger und achtziger Jahren zu Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses herrschte vor allem in politisch linken Kreisen weit größere Skepsis. Ein vager Pazifismus war en vogue. Dies hat sich deutlich geändert – als Folge der Aggression von Putins Russland, aber auch durch geopolitische Veränderungen wie den Aufstieg Chinas, die der NATO eine zusätzliche Existenzberechtigung geben. Künftige Beschlüsse zum Ausbau der Bundeswehr und deren Finanzierung werden auf dieser gestärkten Unterstützung aufbauen müssen – auch wenn es darum geht, den Bundeswehretat nach 2028 wieder voll in den Bundeshaushalt zu integrieren, ohne Rückgriff auf ein sogenanntes Sondervermögen.

Komplizierter ist und bleibt dagegen die Stimmungslage in den USA, dem mit Abstand wichtigsten Land der NATO. Die erwähnte Umfrage der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit hat nämlich gezeigt, dass dort die Unterstützung für die NATO bröckelt, vor allem im Lager der republikanisch geneigten Wählerinnen und Wähler. Es wird einer intensiven Pflege der transatlantischen Beziehungen bedürfen, um die wachsende amerikanische Skepsis zu zerstreuen. Entscheidend wird dabei sein, ob das finanzielle Commitment der europäischen Länder – mindestens zwei Prozent des jeweiligen BIP für Verteidigung – tatsächlich auf Dauer eingehalten oder gar deutlich übertroffen wird. Soll die NATO gesund und stark als Garant der Freiheit der „westlichen“ Welt überleben, sind hier in fast allen europäischen Nationen wichtige finanzpolitische Entscheidungen zu treffen. Sie erfordern Opfer, aber diese sind unvermeidbar – für die Freiheit.