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Antisemitismus: Haltung zeigen

Frank Müller-Rosentritt im Interview über seine Engagement gegen Antisemitismus
Frank Müller-Rosentritt

Sie sind neu im Bundestag und engagieren sich dort hörbar gegen Antisemitismus. Wie kam es dazu?

Als in Dresden die rechtsextremen PEGIDA-Aufmärsche unter meinem damaligen Bürofenster begannen, war für mich klar: Es ist keine Option, nur daneben zu stehen. Eines Tages werden mich meine drei Töchter fragen, was ich unternommen habe, als Deutschland nach rechts gerückt ist. Daher habe ich entschieden, mich aktiv für eine vielfältige und weltoffene Gesellschaft einzusetzen. Vor dem Hintergrund der in Ostdeutschland stark verbreiteten einseitigen Fundamentalkritik an Israel kämpfe ich gegen den zunehmenden Antisemitismus. Auch in meiner Heimatstadt Chemnitz wurde im vergangenen Jahr am Rande rechtsextremer Aufmärsche ein jüdisches Restaurant attackiert. Diese Zustände sind unhaltbar und dagegen müssen wir als Politiker Haltung zeigen.

Welche Ziele haben Sie konkret? Was stößt Ihnen besonders auf?

Jüdinnen und Juden müssen genauso angstfrei in Deutschland und Europa leben können wie alle anderen Bürger. Antisemitismus, auch wenn er sich hinter sogenannter „Israelkritik“ versteckt, ist Gift für unsere Gesellschaft. Deshalb habe ich im Bundestag mit anderen Politikern und Parteien einen Beschluss herbeigeführt, mit dem wir uns gegen die Israel-Boykottbewegung BDS stellen. Damit wollen wir erreichen, dass solche Initiativen nicht mehr durch Steuergelder gefördert werden können.

Eines Tages werden mich meine drei Töchter fragen, was ich unternommen habe, als Deutschland nach rechts gerückt ist.

Frank Müller Rosentritt
Frank Müller-Rosentritt

Was gibt es noch zu tun?

Auch in der deutschen Außenpolitik muss sich einiges ändern. Israel ist eine Demokratie mit einer sehr vielfältigen Gesellschaft. Die Bundesregierung redet gern von Solidarität mit Israel, fällt dem Land dann aber ständig in den Rücken. Das muss aufhören! Deutschland darf sich nicht weiter an der völlig einseitigen Verurteilungswelle gegen Israel in den Gremien der Vereinten Nationen beteiligen. Außerdem müssen wir dafür sorgen, dass Terrororganisationen, wie die Hisbollah, benannt und bekämpft werden. Und müssen uns Staaten wie dem Iran, der die Auslöschung Israels propagiert, klar entgegenstellen.

Wie sind die Reaktionen auf Ihr Engagement? Da gibt es sicher nicht nur Applaus.

Die Reaktionen sind überwiegend positiv und vor allem Jüdinnen und Juden in Deutschland freuen sich, dass ihre Sorgen und Nöte endlich ernst genommen werden. Natürlich ruft solch ein Engagement aber auch Gegner auf den Plan, die uns vorwerfen, wir würden jeglichen Kritikern der israelischen Regierung den Mund verbieten. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Meinungsfreiheit ist für mich als Liberalen ein extrem hohes Gut und es steht jedem frei, die Regierungspolitik anderer Länder zu kritisieren. Meine Toleranz endet aber dort, wo Hass auf Juden als Gruppe gesät und dem Staat Israel das Existenzrecht abgesprochen wird.

Diese Zustände sind unhaltbar und dagegen müssen wir als Politiker Haltung zeigen.

Frank Müller Rosentritt
Frank Müller-Rosentritt

Warum geht uns – und auch die kommenden Generationen – das Thema in Zukunft an?

Antisemitismus ist leider keine rein historische Erscheinung. Der Hass auf Juden und das Verbreiten antisemitischer Verschwörungstheorien sind Themen, denen wir tagtäglich begegnen. Wenn wir uns nicht klar und schon von Anfang an gegen Verunglimpfung und Herabsetzung von Menschen nach Gruppen stellen, sind wir schnell wieder bei den dunkelsten Kapiteln der Geschichte angelangt. Deswegen wünsche ich mir, dass sich auch junge Menschen antisemitischen Klischees und Parolen im Alltag entgegenstellen, zum Beispiel, wenn das Wort „Jude“ als Schimpfwort benutzt wird. Das gilt natürlich auch für andere Formen der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, etwa gegenüber Homosexuellen oder Einwanderern. 


Über Frank Müller-Rosentritt

Gemeinsam mit seiner Frau und den drei kleinen Töchtern wohnt Müller-Rosentritt in Chemnitz. Nach seinem Studium und den ersten Arbeitsjahren bei der Deutschen Bank ging er als Quereinsteiger in die Politik. 2017 zog er für die FDP in den Deutschen Bundestag ein und ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Dort beschäftigt er sich besonders mit Antisemitismus und den deutsch-israelischen Beziehungen.