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COP29
COP29 in einem Klima der Unterdrückung

Die UN-Klimakonferenz in Baku 2024 findet vom 11. bis 24. November des Jahres in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku statt.

Die UN-Klimakonferenz in Baku 2024 findet vom 11. bis 24. November des Jahres in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku statt.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Peter Dejong

Aserbaidschan ist Gastgeber der 29. Sitzung der UN-Weltklimakonferenz (COP29) mit mehr als 32.000 Besuchern. Die aserbaidschanische Regierung nutzt dies als Gelegenheit, das Land als umweltfreundlich zu präsentieren und den Übergang zu erneuerbaren Energien voranzutreiben. Aber im Land herrscht ein Klima der Ungerechtigkeit mit Dutzenden politischer Gefangener. Viele hofften, dass sie freigelassen werden könnten, noch bevor oder während die Weltöffentlichkeit zur COP29 in Baku zu Gast ist.

Das Hauptziel der COP29 besteht darin, die Finanzierung der neuen ehrgeizigen Klimaschutzverpflichtungen der Entwicklungsländer zu sichern. Bisher waren es 100 Milliarden US-Dollar, die für globale Klimaschutzmaßnahmen bereitgestellt werden sollten. Das neue Klimafinanzierungsziel nach 2025 könnte die klimapolitischen Prioritäten und den damit verbundenen Finanzbedarf der Entwicklungsländer erheblich verändern. Milliarden werden für diese Ambitionen nicht ausreichen, jetzt geht es um Billionen.

20 Nov.
20.11.2024 19:00 Uhr
virtuell

Die Weltklimakonferenz in Baku

Ambitionierte Ziele, reale Herausforderungen - Wie geht es weiter?

Öl-Gas-Abhängigkeiten

Das neue Klimafinanzierungsziel lässt die Industrie und andere wichtige Verbraucher für fossile Brennstoffe zahlen. Es werden also auch Themen wie Öl-Gas-Einnahmen und Subventionen diskutiert. Dies ist von großer Bedeutung für Aserbaidschan, das vollständig von fossilen Brennstoffen abhängig ist. Offiziellen Statistiken zufolge machten Erdöleinnahmen im Jahr 2023 knapp 37% des aserbaidschanischen BIP aus, rund 52% der Haushaltseinnahmen und 90% der Exporte. Allerdings geht die Erdölförderung des Landes von Jahr zu Jahr zurück, und die Erdgasförderung ist fast auf ihrem Höhepunkt angelangt.

Die aserbaidschanische Regierung hat 2017 das Pariser Abkommen ratifiziert und sich verpflichtet, die Treibhausgas(THG)-Emissionen bis 2030 um 35 % im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Von 1990 bis 1997 gingen die THG-Emissionen allerdings schon aufgrund des Zusammenbruchs der ehemaligen sowjetischen Industrie um 53% zurück und begannen später wieder leicht anzusteigen. Mit anderen Worten: Als Aserbaidschan das Pariser Abkommen unterzeichnete, war die Verpflichtung schon fast erfüllt. Die THG-Emissionen lagen 2017 um 31,4 % unter denen von 1990. Seit 2017 haben sie nicht zugenommen. Inzwischen hat sich Aserbaidschan verpflichtet, seine THG-Emissionen bis 2050 um 40 % zu reduzieren. Umweltexperten sind jedoch der Meinung, dass die Regierung ehrgeiziger sein und bis 2050 eine Netto-Null-Kohlenstoff-Politik umsetzen sollte.

Investitionswünsche für erneuerbare Energien

Die aserbaidschanische Regierung versprach zudem die Kapazität erneuerbarer Energien bis 2030 um 30 % zu erhöhen. Das ambitionierte Ziel ist allein zeitlich kaum zu erreichen. Aber die Regierung bemüht sich intensiv um Investitionen in diesem Bereich. Von Januar bis September 2024 stieg der Anteil erneuerbarer Energien auf 14%. Das Solarkraftwerk Garadagh mit einer Kapazität von 230 MW, wird das erste große Ökostromprojekt sein, an dem ausländische Investoren beteiligt sind. Masdar, ein in den VAE ansässiges Unternehmen für erneuerbare Energien, wird 262 Millionen Dollar investieren. Viele weitere Projekte für erneuerbare Energien sind in Vorbereitung. Die Regierung hat Verträge mit BP und chinesischen Investoren abgeschlossen und beabsichtigt, TotalEnergies aus Frankreich einzubinden.

Um den Finanzbedarf für diese Projekte zu decken, nutzt Aserbaidschan allerdings internationale Finanzinstitution aus, ohne Transparenzstandards und Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten. Aserbaidschan plant, umfangreiche Darlehen von der Weltbank, der Asiatischen Entwicklungsbank (ADB) und der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) aufzunehmen. Die Weltbank wird im Januar 2025 ein neues Darlehen in Höhe über 294Mio. USD für das Scaling-Up Renewable Energy Project des staatlichen Unternehmens Azerenerji OJSC geben. Die ADB plant die Finanzierung von Solarenergieprojekten in den südlichen Bezirken Aserbaidschans.

Diese Projekte werden scheinbar realisiert, obwohl die aserbaidschanische Regierung keine nachhaltige Wirtschaftspolitik verfolgt und es viele Probleme hinsichtlich Transparenz und Korruptionsbekämpfung gibt. Im Korruptionswahrnehmungsindex 2023 von Transparency International liegt Aserbaidschan mit 23 von 100 Punkten auf Platz 154 von 180 Ländern. Das Land nimmt auch nicht an der Extractive Industry Transparency Initiative und der Open Government Partnership teil. Dem UNCTAD-Weltinvestitionsbericht zufolge bewegen sich die Zuflüsse ausländischer Direktinvestitionen nach Aserbaidschan seit 2021 zunehmend im negativen Bereich. Dies zeigt, dass auch Investoren kein Vertrauen in das Justizsystem haben und zu Recht große Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit des Landes hegen.

Internationale Reaktionen auf Menschenrechtsverletzungen

Trotz der drängenden Fragen zur Umwelt und grüner Energie, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die internationale Gemeinschaft ihre Aufmerksamkeit auf den rapide schrumpfenden Raum für die Zivilgesellschaft und die zunehmende politische Unterdrückung in Aserbaidschan richtet.

Die politische Bewertung der EBWE von Aserbaidschan 2024–2029 unterstreicht die Einschränkungen von Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit. Aufgrund von politisch motivierten Verhaftungen und Repressionen gegen unabhängige Medien und Zivilgesellschaft hat die Parlamentarische Versammlung des Europarats das Mandat der parlamentarischen Delegation Aserbaidschans in Frage gestellt. Auch das Europäische Parlament veröffentlichte eine kritische Resolution, in der es feststellte, dass die Menschenrechtsverstöße Aserbaidschans nicht mit der Ausrichtung der COP29 vereinbar sind.

Neue Welle von politischen Repressionen

Ende Juni 2023 gab es im aserbaidschanischen Dorf Soyudlu Proteste gegen die Umweltbelastungen durch eine Goldmine, die die aserbaidschanische Regierung versuchte zu unterdrücken. Seitdem erleben Regierungskritiker eine neue Welle politischer Repressionen: Seit Juli 2023 wurden Dutzende Journalisten, Vertreter der Zivilgesellschaft und politische Aktivisten auf Basis fadenscheiniger Anschuldigungen inhaftiert.

Der ehemalige Parlamentsabgeordnete Nazim Baydamirli war das erste Opfer. Er hatte kritisiert, dass die Regierung wegen der Proteste Druck auf das Dorf ausübte und den Zugang zum Dorf blockierte. Kurz darauf wurde Gubad Ibadoghlu, ein prominenter Wirtschaftswissenschaftler und Professor, verhaftet und unter Bedingungen festgehalten, die seine Gesundheit gefährdeten. Erst neun Monate später wurde die Haft in Hausarrest umgewandelt. Auch der Enthüllungsjournalist Hafiz Babali, der prominente Rechtsanwalt Alasgar Mamadli, der Wahlbeobachtungsexperte Anar Mamadli, die Journalisten Elnara Gasimova, Sevinj Abbasova, Nargiz Absalamova und Famil Khalilov stehen auf dieser Liste der politischen Gefangenen.

Der Bericht „Quest for Justice in a Climate of Unprecedented Repression“, der von der Anar Mammadli Kampagne veröffentlicht wurde, beschreibt die Menschenrechtssituation in Aserbaidschan am Vorabend der COP29 treffend. Er verdeutlicht, wie das Rechtssystem des Landes in den letzten zehn Jahren zu einer Waffe gegen die Zivilgesellschaft geworden ist. Durch politische Kontrolle über die Justiz und die Verabschiedung reaktionärer Gesetze schränkt die aserbaidschanische Regierung die Vereinigungs- und Meinungsfreiheit ein und legt Mechanismen zum Schutz der Menschenrechte lahm.

Die internationale Gemeinschaft muss die aserbaidschanische Regierung sowohl wegen ihrer Klimapolitik als auch ihrer Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft ziehen. Die COP29 könnte ein Schlüsselmoment sein, um in Aserbaidschan sowohl für Klimaschutzmaßnahmen als auch Freiheitsrechte etwas zu erreichen. Die Freilassung politischer Gefangener wäre ein symbolträchtiger Akt. Viele Beobachter bleiben jedoch skeptisch und bezweifeln einen schnellen Wandel.