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USA
Joe Bidens erste 100 Tage im Amt

Joe Biden im Kongress
Joe Biden im Anschluss an seine Rede im Gespräch mit Mitgliedern des Kongress © picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Caroline Brehman

Präsident Joe Biden hat am Mittwoch, den 28. April, seine erste Ansprache vor einer gemeinsamen Sitzung des US-Kongresses gehalten, nur zwei Tage vor seinem hundertsten Tag im Amt. Die Rede kam zu einem Zeitpunkt, zu dem seine Regierungsarbeit sich weiterhin auf die Coronavirus-Pandemie konzentriert und in der er versucht, die Gesetzgeber im amerikanischen Kongress für sein massives Infrastrukturpaket zu gewinnen.

Die 100-Tage-Marke der Amtszeit wird von politischen Beobachtern in den USA traditionell genutzt, um die Prioritäten und die Regierungsstrategie eines Präsidenten erstmals zu bewerten und auf mögliche Probleme hinzuweisen. Sie wird aber auch von den Präsidenten selbst genutzt, um erste Ziele zu formulieren und über ihre Erreichung zu berichten. Was können wir von Bidens ersten 100 Tagen lernen?

Innenpolitik vor Außenpolitik

Ein Großteil von Bidens ersten Regierungstagen konzentrierte sich auf die Innenpolitik, insbesondere auf die Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie und die Ankurbelung der Wirtschaft. Biden wurde im November 2020 vor allem wegen des Umgangs seines Vorgängers Donald Trump mit der Pandemie gewählt. Die US-Wähler hatten das Gefühl, dass Trump bei der Bekämpfung der Pandemie versagt hatte und suchten nach einer Führungspersönlichkeit, auf die sie sich in diesem Krisenmoment verlassen koennen.

Deshalb lag Bidens zentraler Fokus in den letzten dreieinhalb Monaten auf der Bekämpfung der Pandemie, insbesondere auf der Einführung einer nationalen COVID-19-Strategie und der Schaffung einer sicheren, effektiven und umfassenden Impfkampagne. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Biden erklaerte, in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit 100 Millionen Impfungen durchzufuehren. Bereits jetzt sind insgesamt mehr als 200 Millionen Impfdosen verabreicht worden. Das bedeutet, dass mehr als 50% der Erwachsenen in den USA mindestens eine Dosis des COVID-19-Impfstoffs erhalten haben.

Weiterhin gelang es Praesident Biden, ein 1,9-Billionen-Dollar-Pandemie-Konjunkturpaket auch ohne eine einzige republikanische Stimme erfolgreich durch den US-Kongress zu bringen. Bidens Regierung hat außerdem ein Infrastrukturpaket in Höhe von 2,25 Billionen Dollar angekündigt, den "American Jobs Plan", der in US-Arbeitsplätze und Infrastruktur investieren wird, um Amerikas Stärke und Wettbewerbsfähigkeit im Ausland zu verbessern.

Neben der Pandemie sieht sich Biden aber mit zwei weiteren nationalen Krisen konfrontiert: eine Welle von Migranten an der Grenze der USA zu Mexiko, die allerdings nicht neu ist, und der erhöhten Zahl von Massenschießereien. Hier handelt es sich um Themen, mit denen Biden aktuell konfrontiert wurde und nicht um solche, die er ursprünglich am Beginn seiner Amtszeit angehen wollte. Es sind Themen, die beträchtliches Konfliktpotential für die weitere Arbeit der Administration haben. Beim Thema Einwanderung hat Biden noch kein klares und allgemeines Konzept zu erkennen gegeben. Er muss er auf einem schmalen Grat wandern, um einerseits mit der harten Politik der Trump-Administration zu brechen und andererseits nicht zu links zu wirken und damit Wechselwähler zu verprellen. Bidens Streben nach Überparteilichkeit wird in der Auseinandersetzung um eine stärkere Waffenkontrolle einer großen Bewährungsprobe ausgesetzt – diese wird derzeit von den Republikanern komplett blockiert. Die Unfähigkeit oder Unwilligkeit auch der Demokraten, die Filibuster-Regeln (die 60-Stimmen-Hürde im US Senat) zu ändern, wird zusammen mit dem Widerstand der Republikaner wahrscheinlich dazu führen, dass der Präsident auf diesem Gebiet nur wenig erreichen wird.

"Reset" der amerikanischen Außenpolitik

Zusätzlich zu diesen innenpolitischen Themen hat Biden begonnen, seine Außenpolitik zu gestalten. Er hat einen umfassenden "reset" der amerikanischen Außenpolitik angekündigt und signalisiert, dass die Vereinigten Staaten bereit sind, nach vier Jahren, in denen Trump eine "America First"-Agenda durchgesetzt hat, ihre Rolle als globale Führungsmacht wieder wahrzunehmen. In Erfüllung seines Versprechens, dass die USA zu einem multilateralen Ansatz in globalen Angelegenheiten zurückkehren, hat er bereits viele von Trumps Dekreten rückgängig gemacht. Der Wiedereintritt in das Pariser Abkommen zum Beispiel ist ein bedeutender Schritt der Biden-Administration, um die Klimapolitik der letzten vier Jahre zu ändern. Auch die Rückkehr in die Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist ein starkes Zeichen einer Rückkehr Amerikas in die multilateralen Institutionen.

Ein wichtiger Bestandteil des intensiveren Engagements der USA auf der Weltbühne ist das transatlantische Bündnis. Trump hat den transatlantischen Beziehungen erheblichen Schaden zugefügt, weswegen die Wiederherstellung und Stärkung der Beziehungen zwischen den USA und Deutschland für die Biden-Harris-Administration höchste Priorität hat. Bidens Entscheidung, in diesem Jahr 500 zusätzliche US-Soldaten nach Deutschland zu entsenden, ist ein klares Bekenntnis Amerikas zur europäischen Sicherheit und zu einer starken NATO. Die sich abzeichnenden Herausforderungen, wie North Stream 2, bedeuten jedoch, dass sich die Wiederbelebung der deutsch-amerikanischen Beziehungen als schwieriger erweisen könnte, als es zunächst scheint.

Weitere Punkte auf Bidens außenpolitischen Agenda der ersten 100 Tage waren die Annäherung an den Iran, der Truppenabzug aus Afghanistan und Sanktionen gegen Russland. Bidens Ankündigung eines Truppenabzugs aus Afghanistan – ein 20-jähriger Krieg wird am symbolischen Datum des 11. Septembers 2021 enden – ist ein Indiz dafür, dass sich die Biden-Administration mehr auf die globalen Herausforderungen durch China und Russland konzentrieren wird.

Bidens erste 100 Tage im Amt weitgehend erfolgreich

Wie bereits erwähnt, ist die 100-Tage-Marke willkürlich und daher ein schwieriger Punkt, um den Erfolg eines Präsidenten wirklich zu bewerten.

Erinnern wir uns daran, dass Biden den Amtseid am 20. Januar ablegte, als die COVID-Pandemie in den USA in der zweiten Welle ihren Höhepunkt erreichte, mit durchschnittlich 200.000 neuen Fällen pro Tag, die Wirtschaft immer noch im Sinkflug war und Amerika sich kaum in der Welt engagierte. Erschwerend kam hinzu, dass der ehemalige Präsident Trump sich weigerte, die Wahl anzuerkennen - und ein Großteil seiner Wähler dies glaubt. Dies wurde am 6. Januar, nur zwei Wochen vor Bidens Amtseinführung am deutlichsten, als ein wütender Mob von Trump-Anhängern das US-Kapitol erstürmte. Als ob das nicht schon chaotisch genug wäre, fielen die ersten zwei Wochen von Bidens Präsidentschaft dann auch noch mit dem Amtsenthebungsverfahren des Senats gegen Trump zusammen, was die Bestätigung von Bidens Kabinettskandidaten und den Start seiner Gesetzeinitiativen verzögerte.

Trotz dieses turbulenten Starts kehrte Biden, wie erwartet, zu einem konventionellen Regierungsstil zurück. Die ersten Wochen seiner Präsidentschaft waren bereits ein scharfer Kontrast zu den vier Jahren der Trump-Administration, die von Chaos und Sprunghaftigkeit gekenzeichnet waren. Die Art und Weise, wie Biden seine Ziele aggressiv vorantreibt, anstatt Zeit damit zu verschwenden, republikanischen Stimmen hinterherzujagen, ist ein Hinweis darauf, dass er sein Bestes tun wird, um sich nicht von der knappen demokratischen Mehrheit im Kongress und einer tief gespaltenen Nation an der Erreichung seiner Ziele hindern zu lassen.

Neben der Erreichung seiner wichtigsten innen- und außenpolitischen Ziele, hat Biden seine ersten 100 Tage im Amt vor allem dazu genutzt, einem großen Teil der Nation, die desillusioniert und enttäuscht von Washington war, zu zeigen, dass die

Bundesregierung in Zeiten großer Krisen funktionieren kann. Wie sich der Rest von Bidens Amtszeit entwickelt, bleibt abzuwarten.

Dieser Beitrag erschien erstmals am 29.04.2021 in gekürzter Fassung in der Fuldaer Zeitung.

29 Apr.
29.04.2021 18:00 Uhr
virtuell

100 Days into the Biden Presidency