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AmeriKKKas dunkles Erbe

Der Glaube an die weiße Vorherrschaft in den Südstaaten

Die hasserfüllten und für eine Gegendemonstrantin tödlich verlaufenen Proteste eines rechten Bündnisses in Charlottesville zeigen, dass in den Vereinigten Staaten ein Kulturkampf tobt, der längst überwunden geglaubte Ressentiments zu Tage fördert. Die Kontroverse um ein konföderiertes Reiterstandbild in Charlottesville ist dabei kein Einzelfall – Auseinandersetzungen um rechte Symbolik, Rassismus und die Rolle des Staates finden überall im Land statt.

Die Stele des Anstoßes ist nur rund 15 Meter hoch, doch sie beschäftigt die überwiegend afroamerikanischen Einwohner der Stadt Birmingham bereits seit Jahren. Eigentlich geht es nur um die Inschrift zu Ehren konföderierter Soldaten auf dem Sockel eines Obelisken, der seit 1905 im Herzen von Alabamas größter Stadt steht. Weniger als eine halbe Meile entfernt von dem Konföderierten-Denkmal befindet sich eine Kirche, auf die Mitglieder des Ku-Klux-Klans im Jahr 1963 einen Bombenanschlag verübten, bei dem vier afroamerikanische Mädchen ihr Leben verloren. Verurteilt wurde die Mörderbande erst Jahrzehnte später.

Als Birminghams Bürgermeister William Bell, ein afroamerikanischer Demokrat, als Folge der gewalttätigen Demonstration in Charlottesville den Sockel des Denkmals verhüllen lässt, wird er vom Generalstaatsanwalt des Staates Alabama, einem weißen Republikaner, umgehend verklagt. Niemand dürfe das Denkmalschutzgesetz des Staates Alabama (Alabama Memorial Preservation Act) verletzen, erklärt Justizminister Steve Marshall. Dass das von der republikanischen Senatsmehrheit in Alabama eingebrachte Gesetz erst seit im Mai 2017 in Kraft ist, verschweigt er. Der Stadtrat von Birmingham hatte seit 2015 nach einem Weg gesucht, das Denkmal zu entfernen. Der Obelisk ist der Stachel in einer offenen Wunde, die den Süden der Vereinigten Staaten seit Jahrzehnten plagt.

Agenten des Hasses

Der Amerikanische Bürgerkrieg ist seit nunmehr 152 Jahren ausgefochten, doch noch immer erinnern weit mehr als 700 Denkmäler an die Konföderierten Staaten von Amerika. Für die einen repräsentieren sie Stolz, Tradition und Herkunft, für andere sind sie ein Relikt aus Zeiten der Sklaverei und ein Symbol für Rassismus. Dabei wurden die meisten Denkmäler nicht unmittelbar nach Ende des Bürgerkrieges, sondern erst in den Jahren zwischen 1890 und 1920 aufgestellt. Es ist kein Zufall, dass zu dieser Zeit eine scharfe inneramerikanische Debatte über die Trennung von Afroamerikanern und Weißen („separate but equal“) ausgefochten wurde, die sich in vielen Südstaaten in den sogenannten „Jim Crow“-Gesetzen manifestierte.

Bei den gewalttätigen Demonstrationen in Charlottesville versammelten sich allerdings keineswegs nur ewiggestrige Südstaatler. Die unter dem Motto „Unite the Right” stehende Demonstration sollte dazu dienen, den Flickenteppich rechtsextremer Gruppierungen zu vereinen und Neonazis, Neokonföderierte – also Anhänger eines „Südstaatennationalismus“ – und Ultrarechte zu mobilisieren, gemeinsam auf die Straße zu gehen. Neben der Flagge der Konföderation wehte das Hakenkreuz, Arme erhoben sich zum Hitlergruß und Demonstranten skandierten antisemitische Hassparolen. In mehreren Reden wurde zugesichert, Donald Trumps Aufruf, die Vereinigten Staaten „zurückzuerobern“, in die Tat umzusetzen.

In den vergangenen Jahren versuchten amerikanische Neonazi- und „White Nationalist“-Aktivisten immer wieder, Allianzen zu schmieden, um geschlossen an Einfluss zu gewinnen. Den letzten nennenswerten Vorstoß unternahm Jeff Schoep, der 2016 die Aryan Nationalist Alliance (ANA) gründete, der sich 26 Gruppen anschlossen, darunter auch Ortsgruppen des Ku-Klux-Klans. Inzwischen ist die Anzahl der Mitgliedsgruppen aber wieder auf 15 geschrumpft und die Allianz wurde nach internen Streitigkeiten in National Front (NF) unbenannt. Das Milieu der Neonazis, die Hitler verehren und sich in Naziuniformen zeigen, scheint vor allem für die jüngere Generation nicht mehr attraktiv zu sein.

Charlottesville
Demonstration und Gegendemonstration in Charlottesville. © CC BY 2.0/ flickr.com Anthony Crider

Junge Rechte fühlen sich eher von der selbst ernannten „Alt-Right“-Bewegung angesprochen, die in den vergangenen zehn Jahren vor allem in Internetforen, Blogs und auf Social Media-Plattformen agierte. Anhänger der „Alt-Right“ sind rassistisch, antisemitisch und bedienen sich rechtsradikaler Thesen. Seit der Wahl Donald Trumps fühlt sich die Bewegung ideologisch im Aufwind, ein Ergebnis des Trump-Wahlkampfes ist sie jedoch nicht. Aufgrund einer immer diverseren US-Gesellschaft erleben rechte Sammelbewegungen seit Jahren ein Comeback. Die Wahl Barack Obamas zum ersten afroamerikanischen Präsidenten brachte für einige das Fass zum Überlaufen.

Die jüngst in Charlottesville offenbarte Symbiose zwischen Neokonföderierten, Neonazis und der „Alt-Right“-Bewegung verschärft den lange währenden Kulturkampf um konföderierte Symbole in den USA. Nicht wenige Amerikaner assoziieren diese mit kultureller Identität, „Southern Pride“ und der besonderen Geschichte der Südstaaten. Laut einer Studie verbinden rund sechzig Prozent der weißen Amerikaner die Konföderiertenflagge mit Stolz statt mit Rassenwahn, während achtzig Prozent der Afroamerikaner die Flagge mit Rassismus verknüpfen. Für Kritiker verkörpern auch die unzähligen Denkmäler die Überlegenheit der Weißen und den unausgesprochenen Wunsch nach einer Aufrechterhaltung der Rassentrennung.

So wehte bei den Protesten gegen den Abriss des Reiterstandbildes von General Robert E. Lee in Charlottesville die Flagge der Konföderierten Seite an Seite mit Nazifahnen. Der Verweis auf „Southern Pride“, Denkmalschutz und dem Erhalt kulturellen Erbes wirkt unter diesen Voraussetzungen konstruiert. Gerade Anhänger der „Alt-Right“-Bewegung nutzten die Proteste als Plattform, ihre Hassbotschaften prominent zu platzieren. Mit provokanten antisemitischen Hassparolen zeigten sie, dass es ihnen nicht zuvorderst um das Andenken an die Konföderation ging. Es ist bezeichnend, dass sich bis vor Kurzem ausschließlich Neokonföderierte für den Erhalt der Denkmäler interessiert hatten. „Vor fünf oder zehn Jahren hatten die Neokonföderierten keine nennenswerte Anhängerschaft“, erläutert Professor Alexander Reid Ross von der Universität von Portland. „Doch der Anstieg von ‚Alt-Right‘-Gruppen an den Universitäten hat auch den Neokonföderierten eine neue Basis gegeben.“

Ein neu entfachter Kulturkampf

„Dieses Land darf unter keinen Umständen dem Hass, mit dem der Ku-Klux-Klan, Neonazis und andere Faschisten unsere Gesellschaft vergiften, eine Bühne bieten“, erklärte Bürgermeister William Bell, nachdem sein Kampf gegen das Konföderierten-Denkmal in Birmingham von bundesstaatlicher Seite torpediert wurde. Vertreter der Gegenseite sehen dies natürlich anders: „Das Entfernen von Denkmälern ist nichts anderes als Geschichtsschändung und genau das, wogegen unsere Vorfahren im Bürgerkrieg kämpften. Zensur, Lügen, und linke Propaganda sind die letzten Schritte hin zu einer Manifestierung der Vereinigten Staaten als sozialistisches und letztlich kommunistisches Land“, entgegnet Karl Andreas Bodenheimer, einer der Vorkämpfer für den Erhalt konföderierter Ehrenmale in Alabama. In seiner Freizeit stellt Bodenheimer ruhmreiche Schlachten des amerikanischen Bürgerkrieges nach.

„Weiße Südstaatler verklären oftmals das Wesen der Konföderation, indem sie das Element der Sklaverei aussparen“, sagt Professor Edward Ayers von der Universität von Richmond, die sich unweit von Charlottesville befindet. „Ihre Version der Geschichte lautet, dass sich die Konföderierten-Armee gegen eine tyrannische Bundesregierung auflehnte, die die Freiheit der Südstaaten bedrohte. Dass ihre Soldaten und Generäle jedoch ein Staatsgebilde verteidigten, das auf Sklaverei und der Leibeigenschaft von Millionen rechteloser Menschen aufgebaut war, spielt keine Rolle. Wenn die Konföderation gewonnen hätte, hätten wir – vielleicht bis heute – eine unabhängige Nation, die das größte und leistungsfähigste System der Sklaverei in der modernen Welt aufgebaut hatte.“

Vorfälle wie in Charlottesville, Birmingham und anderen Orten führen der amerikanischen Gesellschaft vor Augen, dass das Aufkeimen reaktionären Gedankenguts weit mehr ist als ein temporäres Internetphänomen. Auch geht es nicht zuvorderst um die exzentrischen Anführer der „Alt-Right“-Bewegung und ihre persönliche Geltungssucht. Es geht vielmehr um ein nur ungenügend aufgearbeitetes Kapitel amerikanischer Geschichte, dessen Verklärung weit mehr Amerikaner anhängen, als sich die aufgeklärten Eliten eingestehen wollten. Dass diese Aufarbeitung ausgerechnet unter einem Präsidenten Donald Trump beginnen wird, darf bezweifelt werden.

Iris Froeba ist Policy Analyst und Media Officer der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Washington.

Markus Kaiser ist Referent für das Transatlantische Dialogprogramm der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in Brüssel.