Atmosphärische Annäherung ohne konkrete Ergebnisse
Anfang Februar besuchte US-Außenminister Tillerson auf seiner Südamerikareise auch Argentinien. Welche waren die beherrschenden Themen und wie sieht es im argentinisch-argentinischen Verhältnis aus? Im Gespräch mit unserem Argentinienexperten Jörg Dehnert.
Argentinien - das Land am Rio de la Plata steht dieses Jahr außenpolitisch nicht nur durch die Austragung der Jugendolympiade und den G-20 Gipfel im internationalen Blickpunkt. Nach der Abwahl des ersten populistischen Regimes in Lateinamerika, dem weiterhin schwächelnden Brasilien, kommt Argentinien nicht nur innerhalb des MERCOSUR, sondern auch in ganz Südamerika eine Führungs- und Vorreiterrolle zu.
Mit der 2015 erfolgten Regierungsübernahme durch Mauricio Macri hat sich das internationale Image Argentinien stark gewandelt. Auch in den USA hat der Regierungswechsel 2016/17 zu Donald Trump zu Imageveränderungen geführt. Wie haben sich der Führungswechsel und die beiden Image-Veränderungen auf die amerikanisch-argentinischen Beziehungen ausgewirkt?
Die bilateralen Beziehungen waren in den letzten 15 Jahren starken Wandlungen unterworfen. Während der 15-jährigen Amtszeit der drei Kirchner-Regierungen war das Verhältnis schlecht und von einem starken Anti-Amerikanismus geprägt. Unvergessen ist der Eklat während eines Besuches von George W. Bush bei Nestor Kirchner, der dazu führte, dass bis zur Regierungsübernahme Macris kein US-Präsident mehr Argentinien besucht hat. Verstärkt wurde dies noch unter Cristina Kirchner, die insbesondere durch den Konflikt mit den Hedge-Fonds die negative Stimmung noch anheizte und die USA als Feindbild aufbaute - selbst unter Inkaufnahme einer wirtschafts- und finanzpolitischen Isolierung Argentiniens. Dies gipfelte darin, daß dem Land der Zugang zu den internationalen Finanzmärkten verwehrt wurde. Mit dem Amtsantritt Macris änderte sich dies schlagartig. Macri gelang relativ rasch eine Einigung im „Hedgefonds-Konflikt“, verschaffte seinem Land damit wieder Zugang zu den Finanzmärkten und beendete auch diese Isolierung Argentiniens. Bestes und eindeutiges Signal dafür war der Staatsbesuch von Barack Obama 2016. Zum ersten Mal reiste ein US-Präsident bei einer Südamerikareise NUR nach Argentinien und dann unmittelbar wieder zurück in die USA. Die Beziehungen entspannten sich bis hin zu einem freundschaftlichen Verhältnis, zumal auch die persönliche Chemie zwischen Macri und Obama stimmte.
Der Sieg Donald Trumps komplizierte die Beziehungen wieder. Obwohl Trump und Macri alte Bekannte sind - schließlich hatten sie vor ihren politischen Karrieren einige Immobiliengeschäfte zusammen gemacht und auch gemeinsam ihrer beiderseitigen Golfleidenschaft „gefrönt“ - war das Verhältnis zunächst unterkühlt. Die argentinische Regierung, vor allem angetrieben durch die bis Juni 2017 amtierende Außenministerin Susana Malcorra, hatten im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf aus ihrer Sympathie für Hillary Clinton keinen Hehl gemacht. Das so belastete bilaterale Verhältnis scheint sich mittlerweile wieder verbessert zu haben. Bei den bisherigen persönlichen Treffen in Washington und in Hamburg im Rahmen des G-20 Gipfels konnte beide Staatschefs diese „Mißstimmigkeiten“ ausräumen. Ein weiteres Signal für die gestiegene Wertschätzung und Bedeutung Argentinien und Macris sind die Aussagen Tillersons bei seinen jetzigen Besuch in Buenos Aires. Auf der Pressekonferenz bezeichnete der US-Chefdiplomat den argentinischen Präsidenten als „Paladin der Demokratie“ und als starken regionalen Führer. Es bleibt abzuwarten, ob sich dieser positive Entwicklungstrend weiter fortsetzt, es gibt viele Faktoren, die dies begünstigen. Beide Präsidenten kommen aus der Wirtschaft, beide sind starke Anhänger einer freien Marktwirtschaft und strenge Gegner sozialistischer Politikansätze.
Welches waren die dominierenden Themen während des dreitägigen Besuchs des US-Außenministers
Obwohl Argentinien in diesem Jahr Ausrichter des G-20 Gipfels ist, scheinen damit verbundene globale wirtschaftspolitischen Themen nur eine untergeordnete Rolle gespielt zu haben, zumindest ist dies aus den offiziellen Verlautbarungen zu entnehmen. Im Vordergrund standen eher bilaterale Themen, wie die hohen argentinischen Einfuhrzölle für amerikanisches Schweinefleisch, während auf argentinischer Seite die Schutzzölle für argentinischen Biodiesel in den USA kritisiert wurden. Im letzten Punkt verwiesen die US-Vertreter auf die wettbewerbsverzerrenden staatlichen argentinischen Subventionen als Grund und stellten bei deren Aufhebung Lockerungen in Aussicht.
Weitere Themen waren der Ausbau des Informationsaustausches im Sicherheitsbereich, insbesondere in den Feldern der organisierten Kriminalität und des Drogenhandels. Logistische Unterstützung sagten die USA auch bei den Untersuchungen im Fall des 2015 ermordeten Staatsanwalts Nisman sowie den Ermittlungen im Odebrecht-Skandal zu. Äußerst positiv wurde die Rolle und Unterstützung der US-Streitkräfte im Zusammenhang mit dem Ende 2017 gesunkenen und bisher nicht entdeckten argentinischen U-Bootes erwähnt.
Wo sehen Sie zukünftiges Konfliktpotential in den bilateralen Beziehungen?
Konfliktpotential ist vielleicht zu stark ausgedrückt. Im wirtschaftlichen Bereich liegen die Probleme sicherlich in der bisherige Subventionspolitik Argentiniens und hohen arbeitsrechtlichen Auflagen, die ausländische Investoren noch immer abschrecken. Zwar hat sich unter der Regierung Macri vieles verbessert, aber es bleibt gerade im Bereich Arbeitsrecht immer noch genügend zu tun. Hier kommt auch den Gewerkschaften eine große Verantwortung zu, die eine Modernisierung und Flexibilisierung mit ihren sehr sozialistischen und antiquierten Prinzipien blockieren.
Ein wesentlich größeres Problem in den bilateralen Beziehungen ist das Regime in Venezuela, das bei dem Besuchs Tillersons in der argentinischen Presse einen hohen Stellenwert und breiten Raum einnahm. So musste sich der US-Außenminister auf der Pressekonferenz mit der kritischen Frage eines argentinischen Journalisten auseinandersetzen, warum denn die USA trotz aller Sanktionen immer noch venezolanisches Petroleum importieren würden. Die Antwort des Außenministers, man befände sich „im Konflikt mit der Maduro-Regierung aber nicht mit dem venezolanischen Volk, das schon extrem leiden würde“ und man daher alle Sanktionen "sehr sorgfältig analysieren müßte“, klang für die Argentinier sehr „glatt“ und wenig überzeugend. Die Differenzen wurden auch auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Präsident Macri einen Tag später deutlich. Zwar seien sich beide Staaten in der Beurteilung der Lage und der Kritik an der Regierung einig, beide bezeichneten das Maduro-Regime als Diktatur und forderten die Einhaltung demokratischer Grundrechte ein, so Macri in seiner Einleitung. Der argentinische Präsident stellte jedoch eindeutig klar, dass weder die argentinische Regierung noch die Mitgliedsstaaten des MERCOSUR ein militärisches Eingreifen billigen oder unterstützen würden. Diese Reaktion des argentinischen Präsidenten ist umso bemerkenswerter, als er erst kürzlich in DAVOS den venezolanischen Präsidenten Maduro heftig kritisiert und auch persönlich für die desaströse Lage in seinem Land verantwortlich gemacht hatte. Nach Ansicht der Macri-Administration kommt hier auch Russland eine entscheidende Rolle zu. Macri forderte bei seinem Besuch in Moskau im Anschluss an DAVOS den russischen Präsidenten Putin, ein bisher erklärter Unterstützer des Maduro-Regimes, auf, seinen Einfluss zu nutzen, um die unerträgliche Situation in Venezuela zu verbessern.
Jörg Dehnert leitet das Projektbüro Argentinien in Buenos Aires.