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Präsidentschaftswahlen
Bleibt der Senegal stabiler Anker Westafrikas?

Präsidentschaftswahlen im Senegal: Fragen und Antworten.
Wahlkampf im Senegal: In den Straßen der Hauptstadt Dakar ist der jetzige Präsident allgegenwärtig

Wahlkampf im Senegal: In den Straßen der Hauptstadt Dakar ist der jetzige Präsident allgegenwärtig

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Friedlich, politisch stabil und wirtschaftlich im Aufwind: Im Senegal läuft es im Vergleich zu den Nachbarländern gut. Am 24. Februar steht die Wahl eines neuen Präsidenten an. Doch wie offen ist das Rennen? Fragen und Antworten an Jo Holden, West-Afrika Direktor der Friedrich-Naumann Stiftung mit Sitz in Dakar/ Senegal.

Der Senegal wählt am 24. Februar einen neuen Präsidenten.  Die meisten Analysten gehen davon aus, dass  der 57-jährige Amtsinhaber Macky Sall  wiedergewählt wird. Doch im  Senegal existiert eine Tradition demokratischer Regierungswechsel, die auch in der  Vergangenheit Entscheidungen wenig vorhersehbar machte. Ist die Wahl tatsächlich schon gelaufen? 

Die Wahl ist noch nicht gelaufen, und der Wahlkampf wird bis zur letzten Minute intensiv geführt. Von den fünf zur Wahl stehenden Kandidaten werden Dreien derzeit die meisten Chancen eingeräumt. Neben dem amtierenden Präsidenten Macky Sall ist der erste Herausforderer der ehemalige Premierminister, der 59 jährige Idrissa Seck. Obwohl beide Kandidaten im Wahlkampf erbitterte Konkurrenten sind,  stehen sie politisch nicht weit auseinander.  Sie kommen aus derselben politischen Heimat und waren ursprünglich Mitglieder der liberalen PDS Partei (Parti Démocratique Sénégalais) des früheren Staatspräsidenten Abdoulaye Wade. 2006 trennte sich Seck von der PDS  und rief seine eigene liberale Partei ins Leben, die REWMI, was in der Lokalsprache Wolof so viel wie „das Land“ bedeutet. 2008 folgte Macky Sall und gründete seine ebenfalls liberale Partei APR (Alliance pour la République). Neben diesen beiden politisch dem Liberalismus nahestehenden Protagonisten gibt es noch einen dritten hoffnungsreichen Kandidaten, den 44-jährigen ehemaligen Steuerinspektor Ousmane Sonko. Sonko sieht sich als eine Art „Anti-Establishment“ Kandidat. Er zieht vehement gegen Korruption ins Feld und ist besonders bei der jungen urbanen Bevölkerung beliebt. Als jemand, der von außen in die Politik gekommen ist, genießt er eine hohe Glaubwürdigkeit. 

Präsident Sall hat aber sicherlich gute Karten.  Sein ambitiöser nationaler Entwicklungsplan, der  Senegal  bis 2035 zu einer „Emerging Economy“ machen soll, sorgt für  einen massiven Investitionsschub. Große Infrastrukturprojekte dominieren die Hauptstadt Dakar und ihr Umland, aber auch im ländlichen Raum sind Verbesserungen sichtbar.  Das Wirtschaftswachstum liegt in den letzten Jahren bei anhaltend hohen sieben Prozent. So etwas sorgt bei großen Teilen der Bevölkerung für Anerkennung und setzt den Präsidenten in ein positives Licht. Auch wenn  ein Teil dieser Infrastrukturvorhaben  schon von seinem Vorgänger  angestoßen wurde, gibt es ihm das Image eines „Machers“ – jemand  der Dinge voranbringt und liefert. Schließlich ist es auch bei ausländischen Beobachtern unbestritten,  dass sich der Senegal in den letzten sieben Jahren erheblich entwickelt hat.  Dennoch, wo  Licht ist, ist auch Schatten:  die soziale Kluft in einem von Armut ehedem geprägten Land weitet sich weiter aus. Das Wirtschaftswachstum allein reicht nicht aus, um das Bevölkerungswachstum mittelfristig zu kompensieren. Auch mehrt sich Kritik an den zum großen Teil  kreditfinanzierten Staatsinvestitionen, durch die sich das Land stark verschuldet.  Teile der Bevölkerung hinterfragen zudem Sall´s Regierungsstil und seinen Umgang mit der Opposition, dazu kommen Anschuldigungen über vermeintlichen Nepotismus und dubiose Vergabekriterien bei den neu zu erschließenden Erdöl– und Erdgasfeldern.

All dies bietet genug politische Angriffsfläche für die Opposition und lässt den Wahlkampf spannend bleiben. Es ist daher auch gar nicht sicher, ob der amtierende Präsident einer Stichwahl entgehen kann und gleich beim ersten  Wahlgang die absolute Mehrheit erringt. Kommt es zu einem zweiten Wahlgang, besteht die Gefahr, dass sich die  Opposition noch stärker zusammenfindet und mit geeinten Fahnen gegen ihn zu Felde zieht. Die demokratische Tradition im Senegal hat in der Vergangenheit im zweiten Wahlgang schon für Überraschungen gesorgt. So war es nicht zuletzt Macky Sall`s Vorgänger Abdoulaye Wade, der 2012 im zweiten Wahlgang überraschend aber deutlich aus dem Amt gewählt wurde. Wenn Macky Sall am kommenden Sonntag den ersten Wahlgang nicht gleich gewinnt, könnten seine Chancen erheblich schwinden.

Idrissa Seck, der ehemalige Premierminister führt seit 2006 die liberale Partei REWMI an und gilt als stärkster Herausforderer es Amtsinhabers

Idrissa Seck, der ehemalige Premierminister führt seit 2006 die liberale Partei REWMI an und gilt als stärkster Herausforderer des Amtsinhabers

© Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Kritiker und Opposition behaupten, die Wahl sei für Präsident Sall auch deshalb einfach, weil die einzigen ernsthaften Gegenkandidaten gar nicht zur Wahl antreten dürfen?

Diese Ansichten sind in der einen und anderen Form schon seit einigen Jahren – also weit vor den Wahlen - lautbar geworden, doch gibt es auch hierzu geteilte Meinungen. Derzeit befinden wir uns in der heißen Wahlkampfphase. Übertreibungen, Halbwahrheiten und „Sensationsgeschrei“ gehören  in dieser Zeit des Wahlkampfes dazu – im Senegal  genau wie auch in vielen anderen Ländern. Wenn jetzt Demonstranten der Opposition in den Straßen von Dakar den amtierenden Präsidenten als einen schlimmeren Diktator wie Robert Mugabe bezeichnen und einige Medien dies unreflektiert aufgreifen, dann kann man diesen Demonstranten sicherlich nur wünschen, dass sie nie in die Lage kommen mögen jemals für eine oppositionelle Partei in Zimbabwe zu demonstrieren; doch bleiben wir bei den Fakten: 

Nach Entscheidung des senegalesischen Verfassungsgerichts wurden  der Sohn des früheren Staatspräsidenten Abdoulaye Wade und ehemalige Minister, Karim Wade sowie der von den Ämtern als Oberbürgermeister Dakars und Abgeordneter in der Nationalversammlung enthobene Khalifa Sall (NB: nicht verwandt mit dem Präsidenten) nicht zur Wahl zugelassen, da  sie durch rechtskräftige Verurteilung zu Haftstrafen von mehr als fünf Jahren ihr Wahlrecht – und damit auch die Möglichkeit zur Kandidatur – juristisch verwirkt haben. Dies entspricht zunächst einmal dem geltenden Wahlgesetz.  

Khalifa Sall galt als Hoffnungsträger der Sozialistischen Partei PS (Parti Socialiste). Er wurde als ehemaliger Oberbürgermeister von Dakar wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder  2017 inhaftiert und im Januar 2019 rechtskräftig zu fünf Jahren Haft und zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt.  Karim Wade wurde wegen Korruption zu sechs Jahren Haft verurteilt. Obschon von Staatspräsident Sall begnadigt und seither im Exil lebend, kann er aufgrund seiner Verurteilung ebenfalls nicht kandidieren. Die Anhänger beider verhinderter Kandidaten sehen darin nun die Verschwörung einer politisierten Justiz. Dies, zusammen mit Vorwürfen über Unregelmäßigkeiten und Korruption in Macky Sall´s eigener Regierung, bestärkt  bei manchem das Gefühl der ungerechten Behandlung. Das Rechtsempfinden orientiert sich dabei  jedoch am Prinzip des „tu quoque“ – oder, um es einfacher auszudrücken: Wenn alle vermeintlich korrupt sind, warum wird dann nur die Opposition dafür bestraft?  

Für andere – und zwar nicht nur für die Anhänger Macky Salls - ist gerade  die Verurteilung des einstigen Spitzenpolitikers Karim Wade ein Zeichen einer funktionierenden und unabhängigen Justiz. Viele Senegalesen haben es mehr als gutgeheißen, dass „endlich“ auch korrupte Politiker nicht mehr automatisch straffrei bleiben.  Man sollte in diesem Zusammenhang nicht vergessen, dass Ex-Bürgermeister Khalifa Sall die Veruntreuungen vor Gericht eingestanden hat. Karim Wade war in der letzten Amtsphase seines Vaters als „Superminister“ mit Kontrolle über nahezu  50% des nationalen Budgets beauftragt. Er war über windige Geschäfte in den Panama  Papers involviert, und noch heute stehen in Dakar zahlreiche unfertige illegale Immobilienprojekte in privilegierten Lagen, die von Günstlingen des Präsidentensohns bei  entsprechenden „Gegenleistungen“ errichtet werden durften. Bereits zu seinen Ministerzeiten war Karim Wade  im Senegal wenig beliebt. Er lebt bis heute von der Anhängerschaft und der andauernden Popularität seines Vaters. Insofern muss auch stark angezweifelt werden, ob er wirklich ein ernsthafter Präsidentschaftskandidat geworden wäre. Dies sehen seine Anhänger und vor allem sein Vater natürlich völlig anders. 

Im Unterschied zu vielen anderen Ländern der Subregion kennt der Senegal seit seiner Unabhängigkeit nur friedliche Regierungswechsel basierend auf demokratischen Mehrheitsentscheidungen. Werden sich auch diesmal die Kandidaten und ihre Anhänger an die demokratischen Spielregeln halten oder sind Unruhen und Gewalt zu befürchten?  

In der Tat, der Senegal hat nie einen Militärputsch oder gewaltsamen Regierungswechsel erlebt und gilt daher auch als stabiler Anker Westafrikas. Demonstrationen während des Wahlkampfes können jedoch auch hier  in gewalttätige  Auseinandersetzungen zwischen Parteianhängern und Ordnungskräften umschlagen.  Dies hat es in den letzten Wochen bereits vereinzelt  gegeben und damit ist auch in  den en kommenden Tagen zu rechnen, besonders wenn es zu einem  zweiten Wahlgang kommt. Bisher waren dies jedoch eher spontane Aktionen, die von wenigen gewaltbereiten Anhängern provoziert wurden und die nicht gesteuert waren. Man kann nur hoffen, dass sich dies nicht ändert und keiner der Kandidaten versuchen wird, mit Gewalt Politik zu machen.    

Das Problem sind hierbei weniger die Anhänger der beiden Hauptkonkurrenten  Macky Sall und Idrissa Seck.  So vertreten beide Kandidaten doch ein ähnliches, von liberalen Ideen  inspiriertes Regierungsprogramm.  Es steht also kein politischer Systemwechsel zur Wahl, was auch in ihrer jeweiligen Anhängerschaft weniger polarisiert oder radikalisiert. 

Gefahren für die demokratische Meinungsbildung  kommen wenn, dann von einer anderen Seite, nämlich vom ehemaligen Präsidenten Abdoulaye Wade und seinen Anhängern. Wade war von 2000-2012 Präsident des Landes und hat sich gerade in seiner ersten Amtszeit unbestritten um das Land verdient gemacht. Nach Amtsantritt im Jahr 2000 führte  er das Land aus 40 Jahren sozialistischem  Staatsinterventionismus, öffnete die Märkte und liberalisierte die Wirtschaft. Die heutige wirtschaftliche Dynamik im Senegal  würde es ohne diese fortschrittliche Politik unter Wade nicht geben.  Leider wurde sein Regierungsstil mit zunehmender Amtszeit immer autoritärer. Als er sodann versuchte,  seinen Sohn Karim als Nachfolger zu etablieren und damit eine Art dynastisches Prinzip einzuführen,  hatten die Senegalesen genug und wählten ihn aus dem Amt. 

Statt sich als „Elder Statesman“ zur Ruhe zu setzen greift  der inzwischen 93 -jährige von seinem französischen Altersruhesitz weiter aktiv in die Politik des Landes ein. In einer Mischung aus Dynastiedenken und   Altersstarrsin hält er an der Idee fest,  seinen wenig populären Sohn doch noch als Präsidenten Senegals erleben zu können. Da sich dieser Wunsch zumindest bei den jetzigen Präsidentschaftswahlen nicht erfüllen lässt, versucht er nun so viel Unruhe wie möglich zu verbreiten.  

Der gefährliche Greis: Ex-Präsident Abdoulaye Wade macht sich mit 93 Jahren zum  „Enfant Terrible“ des senegalesischen Wahlkampfes

Der gefährliche Greis: Ex-Präsident Abdoulaye Wade macht sich mit 93 Jahren zum „Enfant Terrible“ des senegalesischen Wahlkampfes

© www.dakarmidi.net

Wade ist Anfang Februar 2019 in den Senegal zurückgereist und lässt keine Minute aus, gegen den Amtsinhaber aber auch gegen die Wahlen als solches zu wettern. Er verfügt nach wie vor über eine bedeutende Anhängerschaft, auch wenn seine Partei,  die traditionsreiche liberale PDS, nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Da Wade seine autoritären Allüren auch dort auslebt und die Partei öffentlich als sein persönliches Eigentum bezeichnet, haben die zukunftsträchtigsten Köpfe die PDS inzwischen verlassen. 

Wade hat aber durchaus das Potential, dem Wahlkampf eine gewalttätige Seite zu geben. Er hat die Senegalesen bereits aufgefordert, die Wahlen zu boykottieren und ihre Stimmzettel zu verbrennen. Einige seiner Anhänger legten dies weiter aus und forderten öffentlich, die Wahlbüros gleich mit anzuzünden.  Ein solches Gewaltpotential, einmal entfesselt, könnte schwer zu kontrollieren sein, und  Wade selbst wird wenig Anstalten machen dies aufzuhalten. In einer Art senilem Zorn trachtet er nun nach Vergeltung für seinen an der Kandidatur gehinderten Sohn. Aus einem ehemaligen verdienten Präsidenten wurde somit ein starrsinniger Greis, der getreu dem Leitsatz „nach mir die Sintflut“ durchaus bereit ist, seinem eigenen  Land zu schaden. 

Es ist allerdings zu hoffen, dass  die meisten Senegalesen in der Tradition des wahren größten Sohns ihres Landes, des Staatsgründers,  Schriftstellers und Philosophen Leopold Sedar Senghor,  solche Provokationen an sich abprallen lassen.  Als gefestigte Demokratie sollte der Senegal dann  auch dieses Unwetter überstehen.