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Antisemitismus
"Boykottaufrufe sind inakzeptabel"

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist die erste Antisemitismusbeauftragte des Landes NRW. Sie warnt im Interview vor einer zunehmenden Judenfeindlichkeit.
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

© picture alliance / Michael Kappeler/dpa

Die Zahl der antisemitischen Straftaten in Deutschland hat in einem besorgniserregenden Maße zugenommen. Laut einer kürzlich veröffentlichten Statistik des BKA gab es im vergangenen Jahr 1.799 judenfeindliche Straftaten – ein Plus von fast 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Diese Entwicklung bestätigt unsere Eindrücke: Die Angst in jüdischen Gemeinden vor Übergriffen und sozialer Ausgrenzung wächst. Jude ist in aller Öffentlichkeit erneut zu einem Schimpfwort geworden. Unterstützt wird diese Entwicklung von der rechtspopulistischen AfD, die immer öfter den Schulterschluss mit dem rechtsextremen Umfeld sucht und somit versucht, den Antisemitismus gesellschaftlich zu legitimieren. Als Antisemitismusbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen und als stellvertretende Vorsitzende einer Stiftung, die sich weltweit für die individuelle Freiheit einsetzt, sorgt mich diese Entwicklung. Politik und Gesellschaft müssen stärker sensibilisiert werden und an einem Strang ziehen. 

Wie kann dem Antisemitismus entgegengewirkt werden?

Aufklären, bilden, informieren, sensibilisieren - all das muss noch intensiver auf allen Ebenen passieren. Erinnern bedeutet, sich ständig der Erinnerung für die Zukunft wachzuhalten. 

Die 2005 nach einem Aufruf zivilgesellschaftlicher palästinensischer Organisationen gegründete Kampagne BDS macht seit Jahren mit Boykottaufrufen gegenüber Israel auf sich aufmerksam. Wie sollte man mit BDS umgehen? 

Unter dem Deckmantel der Israelkritik werden antisemitische Denkmuster propagiert und zum Boykott jüdischer Geschäfte und Waren aufgerufen. „Kauft nicht bei Juden“, lautet eine dieser Parolen. So begann das traumatischste Kapitel deutscher Geschichte und der Holocaust. Die langfristigen Folgen dieser Stimmungsmache sind bekannt. Der BDS schlägt eine solche Richtung ein, wenn er zum Boykott von israelischen oder in Israel produzierten Produkten aufruft. Der Aufruf ist repressiv und unter keinen Umständen akzeptabel. Wer die israelische Politik kritisieren möchte, kann dies auf konstruktive Weise in Israel selbst tun – auch gegenüber Israel selbst. Das unterscheidet Israel von all seinen Nachbarstaaten.

Der interfraktionelle Antrag im Bundestag wie auch im Landtag von NRW setzt daher ein wichtiges Zeichen. Als liberale politische Stiftung sind wir besonders sensibel, wenn es um antisemitische Parolen geht. Selbstverständlich sind wir sehr darauf bedacht, dass es keine Unterstützung des BDS durch unsere Projektarbeit mit unseren Partnern gibt. Und das ist und bleibt unser Maßstab.