Grundsatzrede
Bundespräsident a.D. Joachim Gauck: Appell, die deutsche Demokratie "auch mit Waffen" zu verteidigen
Bevor der runde Geburtstag von Dr. Wolfgang Gerhardt am Samstag, 17. Februar, mit einem bewegenden Empfang nachgefeiert wurde, stand Alexej Nawalny in der IHK Wiesbaden für einige Momente im Fokus. Karl-Heinz Paqué, Vorsitzender des Vorstands der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, nannte den einen Tag zuvor ums Leben gekommenen russischen Oppositionellen einen großen „charismatischen Kämpfer“ für den Rechtsstaat und gegen die Korruption. Der Kremlkritiker sei einen fast schon „übermenschlichen Weg eines Märtyrers“ gegangen.
Der FNF-Ehrenvorsitzende Gerhardt war am 31. Dezember 80 Jahre alt geworden und hatte sich statt Torten einen nachdenklichen Rahmen für die Feier der Naumann-Stiftung anlässlich seines Geburtstags gewünscht und dafür als Hauptredner den früheren Bundespräsidenten Joachim Gauck bekommen.
Die rund 150 Gäste, darunter Parlamentarier aus dem Bund und Hessen sowie zahlreiche ehemalige Minister, hörten zunächst, wie Paqué in der Begrüßung seinen „persönlichen Freund“ Wolfgang Gerhardt einen großartigen Redner nannte, der sein Publikum „fesselt und zusammenführt“. Er erinnerte auch an die Verdienste Gerhardts bei der Modernisierung der Naumann-Stiftung, die „tiefe Einschnitte in Altgewohntes“ mit sich brachten.
Demokratie steht nicht in Frage
Deutschland verfüge über unheimlich viele Potenziale, die genutzt werden sollten, hob die hessische FDP-Landesvorsitzende Bettina Stark-Watzinger in ihrem Redebeitrag hervor. Nicht den Status quo erhalten, sondern „raus aus der Komfortzone“, laute die Botschaft. „Es gibt keinen anstrengungslosen Wohlstand“, sagte die Bundesbildungsministerin. Sie lobte den klaren Kompass Gerhardts. Ihn zeichne aus, dass er seine Nachfolger gewähren lasse und da sei, wenn man ihn brauche.
Joachim Gauck wählte in seiner Rede einen überraschenden Einstieg: „Ich bin parteiloser Rentner und Wechselwähler. Und ich fühle, dass ich an diesem Ort nicht falsch bin“. Er nahm den Tod von Alexej Nawalny zum Anlass, das Gebaren des russischen Präsidenten und früheren KGB-Mitarbeiters Wladimir Putin zu analysieren. Dabei helfe es, sich die Herrschaftstools des russischen Geheimdienstes genauer anzuschauen: Eine einmal gewonnene Macht nie wieder aus den Händen zu geben, Scheinwahlen abzuhalten und keine öffentlichen Debatten zu führen. Gauck: „Dann hast Du Ruhe“. Putin zeichne sich durch eine Rechtsferne und regelrechte Rechtsverachtung aus.
„Die Demokratie steht für die Mehrheit der Deutschen nicht in Frage“, ist sich der frühere Bundespräsident sicher. „Nazis kommen in diesem Land nicht mehr an die Macht“. Zwar gebe es Menschen, die dem Wandel immer skeptisch gegenüber stehen, die lieber geführt werden wollten. „Wir werden nicht alle erreichen, die wir erreichen wollen“, schränkte er ein.
Kommunikation als Schlüssel zur Überwindung von Krisen
Problematisch werde es, wenn man in „dieser Welt“ nicht mehr leben möchte. Dann sei die „entschlossene Haltung“ der Politik gefragt. „Dazu brauchen wir Politikerfiguren, die fähig sind zu kommunizieren, so dass wir es verstehen“, sagte Gauck. Es komme darauf an, mit der Zeitenwende die „Köpfe und Herzen“ der Deutschen zu erreichen.
Am Ende der Veranstaltung, die unter dem Motto „Ein politisches Leben für die Freiheit“ stand, ergriff der Gefeierte selbst das Wort. Gerhardt lobte dabei die Fähigkeit Gaucks, mit Menschen zu reden, die „nicht so mitgehen wollen“ und denen man die Angst nehmen müsse: „Ich hätte Ihnen eine längere Amtszeit gewünscht. Sie waren der richtige Mann.“
Für die Geburtstagsgäste gab es zum Abschied ebenfalls ein Geschenk: ein Buch, das die zahlreichen politischen Stationen Gerhardts anhand von Redebeiträgen und Würdigungen einiger Weggefährten nachzeichnet - als Landesvorsitzender der FDP Hessen, stellvertretender Hessischer Ministerpräsident und Fraktionsvorsitzender der FDP im Hessischen Landtag, Bundesvorsitzender der FDP und Vorsitzender der FDP-Fraktion im Deutschen Bundestag sowie als Vorsitzender des Vorstandes der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.