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Female Forward
Deutschland ist auf seine Wissenschaftlerinnen angewiesen

Am 8. März 2023 feiern wir den Internationalen Frauentag
picture alliance / Westend61 | Eva Blanco

Deutschland muss in der Zeitenwende im internationalen Wettbewerb mithalten und als Wissenschaftsstandort zukunftsfähig gemacht werden. Denn: Von einer starken Wissenschaft als treibende Kraft für Innovationen und neue Technologien profitiert das Land auf allen Ebenen. Mit ihr kann es gelingen, die großen Herausforderungen unserer Zeit – etwa den Fachkräftemangel – anzugehen. Das Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft ist hierbei ausschlaggebend. Doch in einem Punkt unterliegen beide Branchen einem großen Wettbewerbsnachteil: Der Unterrepräsentanz von Frauen in zentralen Bereichen.

Gesellschaftliches Umdenken für mehr MINT-Expertinnen

Mit der vierten industriellen Revolution und den einhergehenden Herausforderungen Klimaschutz und Digitalisierung werden dringend Fachkräfte aus den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) benötigt. Allerdings stellen Frauen in diesen Bereichen eine unterdurchschnittliche Anzahl. Weltweit repräsentieren sie nur 28% der Hochschulabholvierenden im Ingenieurwesen und 40% der Hochschulabholvierenden in der Informatik und der Informationstechnologie. In Spitzenbereichen wie der künstlichen Intelligenz ist nur jede fünfte Fachkraft eine Frau. Woran liegt das? Jedenfalls nicht daran, dass Schüler in den MINT-Bereichen besser wären als Schülerinnen, betont auch McKinsey-Beraterin Melanie Krawina. Dennoch entscheiden sich im Vergleich viel weniger Frauen für ein MINT-Studium und repräsentieren demnach weniger als ein Drittel der Studierenden. Um diesem Problem zu begegnen, müssen so früh wie möglich Anreize gesetzt werden, damit sich Mädchen bereits in der Schule für die MINT-Fächer begeistern. Entscheidend ist hier ein Umdenken in der Gesellschaft – weg von stereotypischen Rollenbildern, hin zu mehr Sichtbarkeit von weiblichen Vorbildern und Botschafterinnen. Den positiven Effekt von Rollenvorbildern hat bereits eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung aus 2020 gezeigt.

Mehr Frauen in höheren Ebenen bleibt Mammutsaufgabe

Bleiben wir bei dem Vergleich Wissenschaft und Wirtschaft. Die Erwerbstätigkeitsquote unterscheidet sich zwischen Frau und Mann nur leicht (um 4,5% sind im Jahr 2021 mehr Männer als Frauen erwerbstätig), Frauen nehmen hingegen tendenziell eher ein Studium auf als Männer (im Wintersemester 2022/23 lag der Frauenanteil unter den Studierenden bei 50,2%). Doch die vermeintliche Gleichstellung trügt. Sowohl in der Wissenschaft, als auch in der Wirtschaft nimmt der Frauenanteil in den höheren Ebenen maßgeblich ab. Im Bereich der Wissenschaft wird sich hier u.a. an der Höhe des akademischen Abschlusses orientiert - nur etwa ein Viertel der Professuren in Deutschland ist mit Frauen besetzt. In den nationalen Wissenschaftsakademien machen sie sogar nur 12% der Mitglieder aus. Ähnliche Zahlen sind uns in der Wirtschaft über die geschlechterspezifische Verteilung der Vorstandsposten bekannt. Der Frauenanteil lag am 1. September 2022 bei den 160 größten an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen bei nur 14,2%. Hier ist also noch viel Luft nach oben. Wo manch einem bei solch alarmierenden Zahlen die Worte fehlen, formuliert es Frau Prof. Dr. Dr. Ute Frevert, stellvertretende Geschäftsführende Direktorin Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, treffend:

Das ist nicht nur ein Gerechtigkeitsproblem. Es gefährdet auch die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wissenschaft. Verzichtet die Wissenschaft auf die Kreativität von Frauen, nimmt sie Schaden: im internationalen Wettbewerb und im Wettbewerb mit dem außerakademischen Arbeitsmarkt um exzellentes Personal. Diversität steigert den Erfolg – das gilt auch für die Wissenschaft.

Prof. Dr. Dr. Ute Frevert

Nachhaltige Veränderung braucht mehr als nur mehr Sichtbarkeit

Die UN nimmt sich mit dem heutigen Jahrestag zum Ziel, Frauen und Mädchen in der Wissenschaft zu vernetzen. Zudem werden Wissenschaft, Politik und Gesellschaft zu „zukunftsorientierten Strategien“ aufgefordert. Dieser Ansatz ist richtig, da er den hier beschriebenen Herausforderungen mehr Sichtbarkeit schafft. Doch für eine wirkliche Veränderung, braucht es mehr als das: Veraltete Strukturen müssen aufgebrochen, alte Rollenverständnisse überwunden und eine fortschrittliche Führungskulturgeschaffen werden. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger gibt der Thematik mit ihrer Zukunftsstrategie „Forschung und Innovation“, die diese Woche im Kabinett beschlossen wurde, Gewicht: Das Potenzial von Frauen in Wissenschaft und Forschung soll ausgeschöpft, die Gleichstellung von Frauen und Männern in Wissenschaft und Forschung gestärkt werden. Konkret soll auch der Anteil von Frauen an Professuren auf 30% bis 2025 gesteigert werden. Mit den richtigen politischen und gesellschaftlichen Anreizen kann Frau gleichberechtigt sein – in der Wissenschaft und in allen anderen Bereichen, auf die Deutschland für die Zukunft angewiesen ist.