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Energie
Die Abkehr vom Emissionshandel wäre ein fatales Signal

erneuerbare energie
© picture alliance/dpa | Karl-Josef Hildenbrand

Die EU-Kommission hat gestern ihre Pläne vorgelegt, um die Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland voranzutreiben. Der EU-Plan sieht vor, dass in den nächsten Jahren bis zu 300 Milliarden Euro investiert werden. Demnach sollen 45 statt wie bisher geplant 40 Prozent der Energie in der EU bis 2030 aus erneuerbaren Quellen kommen. Gleichzeitig soll der Energieverbrauch bis zum Ende des Jahrzehnts um mindestens 13 statt 9 Prozent sinken. Um diese Ziele zu erreichen, sollen unter anderem Genehmigungsverfahren für erneuerbare Energie-Projekte verkürzt, eine Solarpflicht eingeführt und mehr klimafreundlicher Wasserstoff importiert werden.

Die Pläne der EU-Kommission sind äußerst ambitioniert. Sie können allerdings nur dann erreicht werden, wenn auch die Emissionen im Verkehrs- und Gebäudesektor signifikant gesenkt werden. Hierzu wurde von der Kommission bereits im letzten Jahr die Implementierung eines separaten Emissionshandels vorgeschlagen, mit dem die verursachten Emissionen einen Preis erhalten sollten. Doch genau dieser Vorhaben droht nun am Widerstand im Parlament zu scheitern oder zumindest bis zur Unkenntlichkeit verwässert zu werden.

Der Emissionshandel schafft echte Anreize zum Klimaschutz

Der Emissionshandel hat sich für die Erreichung der Klimaschutzziele als besonders effizient erwiesen. Die Grundidee ist denkbar einfach: Zunächst wird eine globale, akzeptable Erwärmungsgrenze festgelegt. Die Politik entscheidet daraufhin, basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie viele Treibhausgase noch maximal ausgestoßen werden dürfen – ohne besagte Grenze zu überschreiten. Anhand dieses Emissionsbudgets werden Zertifikate ausgegeben, die auf einem Markt gehandelt werden. Durch das Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage erhalten diese Zertifikate einen Preis. Mit zunehmender Verknappung der Zertifikate steigt deren Preis und in der Konsequenz auch die Kosten der Emissionen.

Hierdurch werden echte Anreize zur Reduzierung von Treibhausgasen geschaffen. Stößt beispielsweise ein Industrieunternehmen weniger CO2 aus als vorgegeben, kann es die übrig gebliebenen Zertifikate an andere Marktteilnehmer verkaufen. Reichen die Berechtigungen hingegen nicht aus, muss der Ausstoß an Emissionen reduziert oder Zertifikate hinzugekauft werden. Der Emissionshandel sorgt somit für eine Marktlösung, die ein festgelegtes und politisch vorgegebenes Umweltziel mit minimalen volkswirtschaftlichen Kosten erreicht. Langfristig können die daraus entstehenden Innovationsanreize sogar als Wachstumsimpuls für die Wirtschaft und somit positiv auf die Gesellschaft wirken.

Die Zahlen zeigen die Wirksamkeit des Emissionshandels

Die EU hat bereits im Jahr 2005 ein solches Emissionshandelssystem implementiert. Bislang wurden in diesem System hauptsächlich Emissionen aus der Energiebranche und Großindustrie berücksichtigt. Dabei zeigt sich: Das Instrument funktioniert! Seit Start des europäischen Emissionshandels im Jahr 2005 sind die Emissionen der beteiligten Wirtschaftsbereiche EU-weit um rund 43 % gesunken, in Deutschland um rund 38 %. Die ursprüngliche politische Vorgabe, die Emissionen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, wurde für die Sektoren im Emissionshandel bereits 2020 erreicht. Diese Zahlen zeigen, wie wichtig die Implementierung des Emissionshandels für die Sektoren Verkehr und Gebäude wäre.

Das Instrument ermöglicht außerdem, die Anreizproblematik der politischen Entscheidungsträger zu mildern. Denn gerade am Anfang sind die Emissionsrestriktionen noch vergleichsweise locker und die Zertifikatspreise noch relativ niedrig. Folglich sind auch die wirtschaftlichen Konsequenzen für Industrie, Gewerbe und Endverbraucher zu verkraften. Erst mit zunehmender Verknappung steigt der Preis für Zertifikate und somit auch der Druck, mit innovativen Methoden den Treibhausgasausstoß zu verringern. Im politischen Betrieb erleichtert die anfängliche Milde daher die Implementierung der Maßnahme und ermöglicht eine effiziente Verringerung des Treibhausgasausstoßes.

Auch Ottmar Edenhofer, der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, sieht in der Abkehr von der Ausweitung des Emissionshandels ein fatales Signal für den Klimaschutz. Erst mit dem zweiten Emissionshandel für Verkehr und Gebäude würde die EU aus der Sicht von Edenhofer „das dringend erforderliche Signal geben, dass sie die Nachfrage nach Öl und Gas dauerhaft drastisch reduzieren wird“. Die Alternative dazu sei hingegen „ein Flickenteppich der nationalen Maßnahmen“, mit dem man jedoch keine signifikante Reduktion der CO2-Emissionen erreichen kann. Zwar wäre ein Scheitern im Parlament „nicht das endgültige Aus“, weitere europäische Verhandlungen könnten sich jedoch deutlich erschweren.

Ein separater Emissionshandel wäre besser als kein Emissionshandel

Die Schaffung eines separaten Emissionshandels für Gebäude und Verkehr war aus liberaler Sicht immer nur die zweitbeste Alternative. Die sofortige Integration der beiden Sektoren in den bestehenden EU-Emissionshandel wäre die effizientere Option gewesen. Denn einerseits sind die Klimaeffekte einer Emission dieselben unabhängig von deren Ursprung. Daher ergeben unterschiedliche Budgets und verschiedene sektorspezifische Preise wenig Sinn. Andererseits lassen sich auch nur mit einem Emissionshandel, der möglichst alle Sektoren einschließt, die Emissionen dort reduzieren, wo die Kosten dafür am geringsten sind. Dennoch war der ursprüngliche Vorschlag der EU-Kommission zu begrüßen, denn es war ein Schritt in die richtige Richtung – ein Schritt hin zur Ausweitung des europäischen Emissionshandels.

Fazit

Die Erreichung der Klimaschutzziele sowie die zügige Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland sind Ziele, die es unbedingt zu erreichen gilt. Dabei wäre es umso wichtiger, dass dies so verbindlich und gleichzeitig so kostensparend wie möglich passiert. Mit einem Scheitern der Ausweitung des europäischen Emissionshandels würde man diese Chance verspielen. Die Alternative wäre stattdessen ein Flickenteppich an neuen Auflagen, Regelungen und Verboten.