Energiewende
Die Schattenseite der erneuerbaren Energien
Die Energiewende kommt voran - und das muss sie auch, wenn die Bundesregierung ihre selbst gesteckten Energieziele erreichen will. Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Quellen stammen - im vergangenen Jahr waren es bereits 56 Prozent. Man könnte also meinen, dass wir auf einem vergleichsweise guten Weg sind, dieses Ziel zu erreichen. Das wäre auch der Fall, wenn sich die erneuerbaren Energien so verhalten würden wie konventionelle Kraftwerke. Das heißt, unter normalen Bedingungen jederzeit steuerbare Energiemengen ins Netz einspeisen - was die erneuerbaren Energien aber explizit nicht tun. Stattdessen liefern Photovoltaikanlagen nur dann Strom, wenn die Sonne scheint, und Windkraftanlagen nur dann, wenn genügend Wind weht, ohne dass er gleichzeitig zu stürmisch ist.
Die Einordnung
Das Wort „brutto“ bekommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung: Denn die Stromerzeugung wird über das Jahr gerechnet. Im Sommer können tagsüber oft mehr als 100 Prozent des heimischen Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden. Lange, sonnige Tage ermöglichen enorme Erträge aus der installierten Photovoltaikleistung. An den oft grauen, bewölkten und meist kürzeren Wintertagen, an denen auch die Sonnenintensität deutlich geringer ist, reicht der geringe Ertrag jedoch bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Hinzu kommt, dass PV-Module auch nachts keinen Strom produzieren. Bei der Windenergie ist die Saisonalität nicht ganz so ausgeprägt, aber auch hier gibt es Monate, die im Durchschnitt stärker sind als andere. Um angesichts dieser Volatilität einen Anhaltspunkt zu erhalten, wird daher eine Bilanzierung über das gesamte Jahr vorgenommen. Im Jahr 2023 stammt demnach etwas mehr als die Hälfte des hierzulande verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen.
Ende der EEG-Förderung: Rückkehr zur Marktwirtschaft
Seit der Abschaffung der EEG-Umlage stehen die Kosten für Deutschlands Energiewende wieder verstärkt im Fokus. Die Rückkehr zur Marktwirtschaft birgt Chancen und Herausforderungen zugleich: Während Sonne und Wind unberechenbar bleiben, entstehen durch die bisherige Förderung immense gesellschaftliche Kosten. Doch die jüngsten Gesetzesänderungen könnten den Weg für eine nachhaltigere Energiezukunft ebnen.
Die Dunkelflaute
Was aber passiert, wenn im Spätherbst oder Winter der Himmel tagelang bedeckt ist und kein nennenswerter Wind weht? In Fachkreisen spricht man hier von Dunkelflauten - und solche Szenarien können durchaus 3 bis 6 Wochen andauern. In diesen Phasen fallen sowohl die Solar- als auch die Windenergieerträge massiv ab, was zu erheblichen Engpässen in der Stromversorgung führen kann. Diese wetterbedingten Engpässe stellen eine große Herausforderung für die Energiewende dar, da die Versorgungssicherheit trotz zunehmender Abhängigkeit von erneuerbaren Energien gewährleistet werden muss. Daher müssen Backup-Kapazitäten aufgebaut werden, die in der Lage sind, regelbare und steuerbare Leistung bereitzustellen.
Die Überproduktion
Es gibt aber auch das andere Extrem: Wenn im Sommer zu viel Strom produziert wird. Bei optimalen Wetterbedingungen können Photovoltaik- und Windkraftanlagen mehr Energie produzieren, als gerade benötigt wird. Diese Überproduktion stellt eine Herausforderung dar, denn das Stromnetz kann nicht unbegrenzt Energie aufnehmen. Daher muss die überschüssige Energie abgeführt werden, um das Stromnetz stabil zu halten. Auf den Energiemärkten schlägt sich dieses Überangebot an Strom in negativen Preisen nieder. Das bedeutet, dass die Stromabnehmer zusätzlich zur Energie noch einen Obolus erhalten - Strom wird unter diesen Bedingungen von einem wertvollen Gut zu einem Abfallprodukt, für dessen Entsorgung bezahlt werden muss.
Die Lösung
Um nun die Zeiten der Überproduktion mit den Zeiten der Knappheit zu synchronisieren, müssen eine ganze Reihe von Technologien eingesetzt werden. Zum Beispiel Batteriespeicher als kurz- und mittelfristige Überbrückungsmöglichkeit. Oder Elektrolyseure, um mit überschüssigem Strom Wasserstoff zu erzeugen, der dann gespeichert und bei Bedarf wieder verstromt werden kann. Hinzu kommt ein immenser Aufwand, um das Stromnetz für die neuen Gegebenheiten fit zu machen, einschließlich des Ausbaus der notwendigen Verbindungsleitungen zu den Partnern und Nachbarländern. Wesentlich ist auch der Aufbau der notwendigen Back-up-Kapazitäten in Form von Gaskraftwerken, die - so der Plan - zu gegebener Zeit statt mit Erdgas mit Wasserstoff oder Wasserstoffderivaten befeuert werden. Kurzum: Wenn der Ausbau der erneuerbaren Energien nicht durch den Ausbau der notwendigen Infrastruktur flankiert wird, entsteht ein instabiles Netz, das weder den Bürgern noch der Industrie gerecht werden kann.
Der Kostenpunkt
Nun wird immer wieder von den niedrigen Kosten der erneuerbaren Energien gesprochen, und in der Tat: Die Gestehungskosten, also die „Produktionskosten“ von erneuerbarem Strom, sind deutlich niedriger als die der meisten anderen Technologien. Das liegt zum einen daran, dass sich der technische Wirkungsgrad der Module im Laufe der Zeit deutlich verbessert hat, also mehr Strom aus der einfallenden Sonnenenergie gewonnen werden kann. Nicht zuletzt dürfte die Kostenstruktur auch auf die Produktion in China zurückzuführen sein. Dort wird der weitaus größte Teil der Solarmodule unter zum Teil äußerst fragwürdigen Bedingungen produziert und zu staatlich subventionierten Preisen auf dem Weltmarkt verramscht. Dadurch sind die Kosten für die direkte Stromerzeugung mit diesen Modulen sehr niedrig, da außer der Sonne keine weiteren Faktoren benötigt werden. Ein ganz anderes Bild ergibt sich jedoch, wenn neben den Gestehungskosten auch die Infrastruktur- und Netzkosten berücksichtigt werden. Dann zeigt sich, dass die Systemkosten der Energiewende die Kosten des alleinigen Ausbaus der Erneuerbaren um ein Vielfaches übersteigen. Sollten also die aktuellen energiepolitischen Weichenstellungen beibehalten werden, dürften allein die notwendigen Investitionsaufwendungen die Energiepreise auf absehbare Zeit über dem Niveau anderer Industrienationen halten. Es bleibt abzuwarten, wie die traditionell starke deutsche Industrie darauf reagieren wird. Fest steht jedenfalls: Die Energiewende hat auch ihre Schattenseiten.