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Oxfam-Bericht
Die Schere zwischen Arm und Reich wird seit Jahrzehnten kleiner

Der neueste Oxfam-Bericht wird kontrovers diskutiert. Warum er Tatsachen verzerrt und die Wirklichkeit falsch abbildet, erkläutert Karl-Heinz Paqué im Interview. 

Es gibt massive Kritik an der Oxfam-Studie. Werden die Reichen nicht immer reicher und die Armen immer ärmer?

Nein. Tatsache ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich seit Jahrzehnten kleiner wird – und das überrascht nicht: Viele Menschen in großen, schnell wachsenden Ländern, die früher bitter arm waren, kommen zu einem bescheidenen Wohlstand. Damit schließt sich die Schere im Weltmaßstab seit etwa 1990, und das ist gut so. Auch in anderen Statistiken zeigt sich dies, z.B. nimmt die Unterernährung ab und die Lebenserwartung zu – und zwar vor allem in den ärmeren Regionen der Welt.

Wachstum, so lautet ja der Oxfam-Vorwurf, gestalte eben nicht globalen Wandel. Sondern Wachstum komme nur einer kleinen Gruppe zugute, überspitzt formuliert: In der reichen Welt einigen Reichen. Was ist an dieser wachstumskritischen Sicht falsch?

Diese Sicht ist irreführend. Man muss unterscheiden: (1) Wachstum kommt dem ärmeren Teil der Menschheit viel mehr zu Gute als dem reicheren, wenn man die gesamte Welt betrachtet (siehe meine Antwort auf Frage 1). (2) Innerhalb der reicheren Industrieländer sind die Lagen differenziert: In den USA hat in der Tat eine sehr kleine Schicht von Beziehern hoher Einkommen besonders stark profitiert. In Deutschland und den meisten kontinentaleuropäischen Ländern ist dies aber nicht so. 

Aber die Forderung von Oxfam, massiv mehr in Bildung weltweit zu investieren, können Sie nachvollziehen?

Selbstverständlich. Bildung ist extrem wichtig – eine notwendige Bedingung dafür, dass möglichst viele vom Wachstum profitieren. Allerdings ist es wichtig sich klarzumachen, dass es in den letzten drei Jahrzehnten auch in dieser Hinsicht enorme Fortschritte gegeben hat. Die Raten der Alphabetisierung liegen heute viel höher als damals, auch in ärmeren Entwicklungsländern. Aber gute Bildung reicht noch nicht: Die Länder brauchen offene, weltmarktorientierte Volkswirtschaften, damit auch gute Jobs entstehen.

Oxfam