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Türkei
Erdogan nutzt Arbeitslosengeld für Prestigeprojekte

Staatliche Banken finanzieren überdimensionierte Bauprojekte wohlgesonnener Unternehmen
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Recep Tayyip Erdoğan

© picture alliance / AA

Die schlechte wirtschaftliche Lage in der Türkei wird für die Banken zum Problem: Die Zahl der notleidenden Kredite steigt. Vor allem die staatlichen Banken sind in schlechter Verfassung. Zu oft nutzte Präsident Erdogan ihre Dienste für seine Projekte.

Angesichts der Prognosen einiger Analysten, denen zufolge die Rate notleidender Kredite im türkischen Bankensektor von derzeit 4 Prozent auf bis zu 8 Prozent Ende des Jahres steigen könnte, hatte der türkische Finanzminister Berat Albayrak bereits im April angekündigt, Fonds zur Bankenentlastung einzurichten. Insbesondere staatliche Banken sind in ihrer Kreditvergabekapazität durch zu viele notleidende Kredite in den Bilanzen gelähmt.

Dies kommt nicht von ungefähr: Erdogan nutzte staatliche Banken, unter anderem Ziraat und Halk, in der Vergangenheit vielfach zur günstigen Bereitstellung ausländischer Währungen zur Bekämpfung der Währungskrise und zur Finanzierung überdimensionierter Bauprojekte oder für Firmenübernahmen der Regierungspartei wohlgesonnener Unternehmen. Mit der Wirtschaftskrise jedoch gestaltet sich auch das Eintreiben der dadurch entstandenen Kreditforderungen zunehmend schwieriger. So benötigten staatliche Banken bereits Kapitalspritzen - zu Lasten der Steuerzahler, wie die Informationsplattform al-Monitor kritisiert, und zwar zunächst aus den Arbeitslosenkassen und nun durch eigens dafür gegründete Fonds.

Wie diese Fonds strukturiert werden, kam vergangene Woche bei einem Treffen nationaler und internationaler Akteure aus der Finanzwelt in Istanbul zur Sprache. Was bei diesen Gesprächen konkret erarbeitet wurde, liegt zum Großteil noch im Dunkeln. Die Inhalte werden vertraulich behandelt; Teilnehmer wollten sich nur anonym und unbestimmt äußern. Interessant ist jedoch, wer bei dem Treffen anwesend war und Interesse am Aufkauf von Vermögenswerten hochverschuldeter türkischer Unternehmen zeigte: Hochrangige Investmentunternehmen wie Goldman Sachs und Bain Capital sowie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und die der Weltbank-Gruppe angehörende Internationale Finanz-Corporation (IFC) waren vertreten.

 

Hans-Georg Fleck leitet das Büro der Friedrich-Naumann Stiftung in der Türkei.
Laura Kunzendorf ist Praktikantin im Stiftungsbüro in Istanbul.