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Slowenien
Fünf Parteien und ein Komiker

Politneuling Šarec mit der Regierungsbildung in Slowenien beauftragt
Slowenisches Parlament
Einigung im slowenischen Parlament © CC BY-SA 2.0 commons.wikimedia.org/ Helmut Spudich

Nachdem es dem konservativen Wahlgewinner Janez Janša nicht gelungen war, eine Regierungsmehrheit zusammenzubringen, hat der ehemalige Komiker Marjan Šarec mit seiner zweitplatzierten, neugegründeten Partei LMŠ das Mandat für die Zusammensetzung der dreizehnten slowenischen Regierung erhalten. Der neue politische Star Šarec strebt eine Minderheitsregierung an, an der fünf Parteien beteiligt sein werden.

Der frühere Komiker Šarec, dessen persönliche Liste „Lista Marjana Šarca“ (LMŠ) bei den vorgezogenen slowenischen Parlamentswahlen im Juni 2018 zweitstärkste Kraft war, wurde Anfang August als designierter Ministerpräsident vorgeschlagen. Die Kandidatur wurde formell von fünf Parteien eingereicht, die damit nach wochenlangen Verhandlungen den lange andauernden politischen Stillstand überwanden.

In einer außerordentlichen Sitzung der Staatsversammlung („Državni zbor“) ließ sich Šarec am vergangenen Freitag mit den Stimmen seiner eigenen Liste, der liberalen Partei des Modernen Zentrums (SMC), der Sozialdemokraten (SD), der „Partei von Alenka Bratušek“ (SAB), der Demokratischen Pensionistenpartei (DeSUS) und der Linkspartei zum Ministerpräsidenten wählen. Auch Vertreter der nationalen Minderheiten im slowenischen Parlament gaben Šarec ihre Unterstützung. Er hofft nun auf die Bildung einer Minderheitsregierung unter Duldung durch die Linkspartei.

Marjan Šarec
Marjan Šarec – vom Komiker zum Regierungschef © PJakopinMarjan Šarec in Logatec 2017CC BY-SA 4.0

Der „Anti-Establishment-Politiker“ Šarec ist von Beruf Schauspieler und war als Imitator von Spitzenpolitikern bekannt geworden. Seinen ersten spektakulären politischen Erfolg erzielte er bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2017, als sich der amtierende Staatspräsident Borut Pahor nur knapp gegen Šarec, damals noch Bürgermeister der Kleinstadt Kamnik, durchsetzen konnte. Šarec hatte sich im Wahlkampf verpflichtet, die „Elite“ aus staatlichen Institutionen zu verdrängen und den größten Teil der Großbank „Nova Ljubljanska Banka“ (NLB) zu verkaufen, die Slowenien im Jahr 2013 an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hatte. Der SMC war bisweilen vorgeworfen worden, dass sie diesen Liberalisierungsschritt zu lange verzögert hat. Die neue Regierung setzt damit also ein positives Zeichen, das Land solide wirtschaftlich zu reformieren.

Die Wahl Šarecs zum Ministerpräsidenten bildet den Abschluss eines losen Mitte-Links-Bündnisses, das eine weitere Amtszeit von Janez Janša und seiner konservativen Slowenischen Demokratische Partei (SDS) verhindern wollte. Die Regierungsgespräche erwiesen sich für die einwanderungsfeindliche SDS als schwierig, da fast alle Parteien bereits vor der Wahl eine Koperation ausgeschlossen hatten. Lediglich ihr traditioneller Bündnispartner, die konservative Partei „Neues Slowenien“ (NSi), sowie die rechtsradikale Slowenische Nationalpartei (SNS), die nach sieben Jahren mit vier Mandaten den Wiedereinzug ins Parlaments schaffte, hatten sich bereiterklärt, mit SDS zusammenzuarbeiten. Die drei Parteien konnten jedoch die nötige Mehrheit von 46 Mandaten nicht erreichen. Janša, ein Verbündeter des ungarischen Premierministers Viktor Orbán, musste seine Bemühungen um eine rechtsgerichtete Koalition im traditionell eher gemäßigten Slowenien letztlich aufgeben.

Nach dem Scheitern der Konservativen galt eine Mehrparteienkoalition aus sechs Parteien als wahrscheinlichste Alternative zu einer Regierungskoalition der SDS. Diese Idee wurde aber nach geplatzten Koalitionsgesprächen im Juli aufgegeben, als sich die zweite konservative Partei „Neues Slowenien“ (NSi) aus den Verhandlungen zurückzog. Eine Regierung mit klarer Parlamentsmehrheit war danach kaum mehr denkbar.

Als Zweitplatzierter versucht Šarec nun, eine Minderheitsregierung mit der liberalen Partei SMC des früheren Ministerpräsidenten Miro Cerar, der Pensionistenpartei DeSUS, der „Partei von Alenka Bratušek“ (einer ehemaligen Ministerpräsidentin Sloweniens) und den Sozialdemokraten zu bilden. Die Koalition benötigt jedoch die Unterstützung der slowenischen Linkspartei, die aber offiziell nicht an der künftigen Regierung beteiligt sein wird.

Miro Cerar wünscht sich konstruktive Politik

Der scheidende Regierungschef Miro Cerar will, dass es der SMC gelingt, der neuen Koalition einen kooperativen Ton zu geben und eine konstruktive Politik zu betreiben, die nicht mit ideologischen Streitigkeiten und alten, deprimierenden Praktiken belastet ist. Die SMC hat sich von Anfang an positiv über die Möglichkeit einer Regierungskoalition mit LMŠ geäußert und sie möchte auch einige der in ihrer Regierung begonnenen Projekte fortsetzen. Cerar ist erfreut, dass seiner Regierung gelungen ist, die politische Kultur zumindest ein wenig zu verbessern. Er fügte auch hinzu, dass auf Šarec ein intensiver Interessenausgleich wartet.

Die fünf Regierungsparteien werden 38 der 90 Sitze des Parlaments kontrollieren. Zusammen mit den neun Mandaten der Linkspartei werden sie in der Lage sein, eine fragile Mehrheit zu bilden. Allerdings sind die Differenzen zwischen den zentristischen Parteien und der Linken so groß, dass es recht bald zu Spannungen kommen könnte. Die Unterschiede in sozial- und wirtschaftspolitischen Fragen, insbesondere aber auch in der Verteidigungspolitik, sind zu groß. So setzt sich die Linke bsp. für ein Nato-Austrittsreferendum ein.

Die neue slowenische Regierung wird zwei Hauptaufgaben haben: Nachdem die vorherige Regierung eine Frist Ende 2017 verpasst hatte, muss sie sich nun mit dem Verkauf der staatlichen Großbank NLB auseinandersetzen, die im Rahmen eines Rettungsplans für den slowenischen Finanzsektor im Jahr 2013 verhängt wurde. Die Regierung muss außerdem einen neuen Präsidenten der Zentralbank wählen, nachdem ihr ehemaliger Chef Boštjan Jazbec den Posten verlassen hat. Der Gouverneur der slowenischen Nationalbank sitzt auch im Rat der Europäischen Zentralbank.

In seiner Rede während der außerordentlichen Sitzung des Parlaments sagte Šarec hingegen, dass das Gesundheitswesen eine der höchsten Prioritäten der Arbeit seiner Regierung sein werde. Šarec muss nun innerhalb von fünfzehn Tagen sein Kabinett präsentieren. Die Abstimmung über die Regierungszusammensetzung dürfte dann zwischen dem 11. und 14. September 2018 stattfinden.

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Die Partei LMŠ ist kein Mitglied in einer der europäischen Fraktionen, hat aber erste Sondierungen in Richtung der  europäischen Liberalen (ALDE) unternommen, wo bereits die SMC Mitglied ist. ALDE-Präsident Hans van Baalen hat jedenfalls Marjan Šarec zu seiner Wahl zum Ministerpräsidenten gratuliert.

Toni Skorić ist Project Manager für Mitteleuropa und die baltischen Länder im Stiftungsbüro in Prag.