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Hambacher Fest
Hambacher Fest: Massendemonstration für Freiheit und Bürgerrechte

Das Hambacher Fest 1832
Blick auf das Hambacher Schloss auf dem Schlossberg

Blick auf das Hambacher Schloss auf dem Schlossberg

© picture alliance / Uwe Anspach/dpa | Uwe Anspach

Im ersten „europäischen Völkerfrühling“ vor knapp 200 Jahren befand sich der halbe Kontinent in Bewegung: Die französische Juli-Revolution 1830 und der Antritt des Bürgerkönigs Louis Philippe hatte in vielen Ländern den Kampf für Freiheit und Selbstbestimmung gestärkt. In Polen revoltierten Menschen gegen die russische Herrschaft, in Griechenland gegen die vierhundertjährige Vorherrschaft der Türken; in den Niederlanden und selbst im eher liberalen England und der Schweiz erhielten die Verfassungsbewegungen weiteren Auftrieb. Aus Polen und Griechenland kamen viele Flüchtlingen aus der Freiheitsbewegung nach Deutschland, hier begeistert begrüßt von liberalen Bürgern.

Auch in den deutschen Ländern protestierten Menschen gegen die Misswirtschaft der Fürsten, Bürger forderten Mitsprache und Verfassungen, ob in Hessen, Sachsen oder Hannover. Besonders aber wirkten sich die repressiven Maßnahmen der Obrigkeit in der seit 1816 von Bayern verwalteten Pfalz aus. Wirtschaftliche Notlagen und Teuerungskrisen verschärften den politisch motivierten Protest. In dieser Stimmung riefen die im „Preß- und Vaterlandsverein“ um Johann Georg August Wirth und Philipp Jakob Siebenpfeiffer organisierten liberalen Bürger 1832 zum „Volksfest“ auf – als eine der wenigen zugelassenen Formen öffentlicher Versammlung. Konkreter Hintergrund des Aufrufs waren die Beschränkung der Meinungsfreiheit und die Zensurmaßnahmen gegen die Presse. Zu deren Schutz und Verteidigung hatte sich der „Preß- und Vaterlandsverein“ kurz zuvor gegründet. Mit seiner die deutschen Einzelstaaten übergreifenden Organisation ermöglichte er eine bis dahin nicht gekannte Massenkommunikation und prägte die „öffentliche Meinung“, die den Erfolg des Festes sicherstellte.

Was sich in den letzten Maitagen zu Pfingsten 1832 am Hambacher Schlossberg zutrug, wurde die erste politische Massendemonstration in der deutschen Geschichte: Die unübersehbaren schwarz-rot-goldenen Fahnen der über 30.000 nach Neustadt gekommenen Menschen wurden zum Symbol für Freiheit und Einheit, für Selbstbestimmung und Völkerverbrüderung. Handwerker, Studenten, Kaufleute, Lehrer – Frauen und Männer aus fast allen Schichten kamen zum sogenannten „Konstitutionsfest“; sie kamen vor allem aus Süd- und Westdeutschland, aber auch aus Polen, Griechenland und Frankreich.

Die auf dem Fest und den anschließenden politischen Volksversammlungen proklamierten Forderungen der liberalen und demokratischen Bewegung gingen dann weit über das Recht zur freien Meinungsäußerung und Freiheit der Presse hinaus. Die Protagonisten mahnten umfassende Bürgerrechte an, insbesondere Versammlungsfreiheit und Selbstbestimmung, die sich nicht nur auf das in viele Einzelstaaten zersplitterte Deutschland bezog, sondern ebenso die Solidarität der freien Völker Europas beschwor. In den Reden wurde auch erstmals die politische Teilnahme der Frauen als „freie Genossin des freien Bürgers“ gewürdigt.

Über das weitere Vorgehen nach „Hambach“ gab es allerdings keinen Konsens: Die Spannbreite der auf dem Schlossberg vertretenen politischen Richtungen – vom gemäßigten Liberalismus bis zum radikalen Republikanismus – war groß. Während sich die Mehrheit der Liberalen und Demokraten für Reformen auf dem konstitutionellen Weg entschieden, befürwortete eine Minderheit ein revolutionäres, gewaltsames Vorgehen, wie es mit dem berüchtigten Frankfurter Wachensturm im Jahr darauf versucht wurde und kläglich scheiterte.

Die Behörden reagierten auf die Hambacher Machtdemonstration des Bürgerwillens massiv: Nicht nur Gewalttäter, sondern besonders auch die gemäßigten, reform- und verfassungsorientierten liberalen Bürger sahen sich mit Prozessen und Haft überzogen. Doch gelang es weder, die liberal-demokratische Nationalbewegung dauerhaft aufzuhalten, was sich schon wenige Jahre später in der Paulskirche 1848/49 erwies, noch waren die Ideen der „Hambacher“ auf lange Sicht zu unterdrücken. Das Fest blieb Erinnerung wie Mahnung an „Freiheit und Bürgerrechte, an die Einheit und die Verbrüderung eines freien Europa“, wie es der spätere Bundespräsident Theodor Heuss bereits zum 100. Jahrestag der Hambacher Demonstration 1932 betonte.

Was diese Ideen von Freiheit und Menschenrechten bewirken können, zeigte nicht zuletzt der gewaltige Umbruch in Europa von 1989. Der freiheitlich-demokratische und soziale Rechtsstaat, eingebettet in die Europäische Union, steht in einer langen Tradition der Hambacher Versammlung. Wer sich heute auf „Hambach“ berufen will, muss sich zur parlamentarischen Demokratie, zu Bürgerrechten, Meinungsfreiheit und sozialer Verantwortung bekennen, ebenso aber auch zur europäischen Gemeinschaft der – in den Worten der „Hambacher“ – „confoederierten Staaten Europas“.

Darauf nimmt die aktuelle, von zahlreichen demokratischen Organisationen und Persönlichkeiten getragenen „Hambacher Intervention“ Bezug: Die Proklamation richtet sich gegen jegliche Verfälschung des politischen und freiheitlichen Erbes des Hambacher Festes: Versuche, das damalige Ereignis nationalistisch-konservativ umzuwerten, gab es bereits unter den Nationalsozialisten; heute knüpft die AfD daran an. Diesem Missbrauch entgegenzutreten und das Hambacher Erbe als Wiege der liberalen, rechtsstaatlichen Demokratie zu erinnern, fordert der heutige Aufruf, zu deren Unterzeichnern auch die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger gehört: „Das Hambacher Fest von 1832 steht für den Mut und die Freiheitsliebe demokratischer Patriotinnen und Patrioten und für ein solidarisch vereintes Europa“. Freiheit, Demokratie und ein friedliches Miteinander in Europa müssen auch in Zukunft immer wieder erkämpft und gesichert werden.