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Antisemitismus
Hate-Speech: Im eigenen Umfeld anfangen

Über den Umgang mit Antisemitismus im digitalen Zeitalter

Antisemitismus ist nicht nur in der rechtsextremen Szene weit verbreitet, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Gerade im Netz wächst der Hass auf Juden und auf Israel. Antisemitismen haben im digitalen Zeitalter signifikant zugenommen. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Langzeitstudie „Antisemitismus 2.0 und die Netzkultur des Hasses" der TU Berlin. 

Wie konnte es soweit kommen und was kann gegen diese Entwicklung getan werden? freiheit.org hat mit Christoph Giesa, Autor des Buches "Gefährliche Bürger. Die neue Rechte greift nach der Mitte.", über mögliche Erklärungen und Antworten gesprochen. 

Lieber Herr Giesa, eine neue Langzeitstudie der TU-Berlin hat festgestellt, dass antisemitische Hetze, Hass auf Juden und auf Israel online nie so verbreitet waren wie im Moment. Überraschen Sie die Ergebnisse der Studie?

Die Ergebnisse überraschen mich nicht. Wer sich mit der gesellschaftlichen Radikalisierung auseinandersetzt, begegnet antisemitischem Hass täglich. Und zwar in unterschiedlichstem Gewand und aus unterschiedlichsten Richtungen, egal ob von rechts, links oder etwa islamistisch. Was mich allerdings immer wieder vielleicht nicht überrascht, aber doch sprachlos und verwundert zurücklässt, ist: Dass der Antisemitismus wieder so breit und offen auftritt. Gerade im Falle derjenigen, die durch das deutsche Schulsystem gegangen sind, kann man ja nicht mehr davon ausgehen, dass diese Menschen aus Unwissenheit handeln. Vielmehr handeln sie wider besseres Wissen, alleine angetrieben von Hass. 

Welchen Zusammenhang sehen Sie zwischen der Online-Hetze und der Offline-Welt?

Es ist ja nicht neu, dass Menschen sich online anders - radikaler und rücksichtsloser - verhalten als offline. Das Denken steckt allerdings schon in den Köpfen, bevor jemand einen antisemitischen Post auf Facebook oder Twitter teilt. Soziale Netzwerke erhöhen die Sichtbarkeit auch der abseitigsten Meinungen und erlauben es denjenigen, die früher in ihrem Umfeld mit ihrem Denken isoliert waren, plötzlich starke Netzwerke über tausende Kilometer hinweg zu bilden.

"Soziale Netzwerke erhöhen die Sichtbarkeit auch der abseitigsten Meinungen."

Stiftung für die Freiheit - Christoph Giesa zu gefährliche Bürger? Die neue Rechte
Christoph Giesa

Was kann man tun, um "Hate-Speech" in den Sozialen Netzwerken einzudämmen? 

Sobald sich der Hass im justiziablen Bereich bewegt - Volksverhetzung, Beleidigung, Aufrufe zum Mord etwa - plädiere ich stark dafür, die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten. Mit den inzwischen flächendeckend präsenten Onlinewachen geht das auch relativ schnell. Das Internet darf nicht zu einem rechtsfreien Raum werden. Darüber hinaus empfehle ich, vor allem denjenigen Antisemiten, die man persönlich kennt, immer und immer wieder entgegenzutreten und sich dafür auch mit anderen Demokraten zusammenzuschließen. Anstatt mit irgendwelchen Trollen zu diskutieren, die man nicht kennt und bei denen man nicht einmal sicher sein kann, dass es sich nicht um Propaganda-Bots handelt, sollte jeder von uns in seinem eigenen Umfeld anfangen und dort die Diskussionen suchen. Je besser man dabei vorbereitet ist, umso größer ist die Chance auf Erfolg.