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Ist unser Rechtsstaat in Gefahr?

Lesung und Diskussion mit Jens Gnisa, dem Vorsitzenden des Deutschen Richterbundes
Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes

Jens Gnisa beim Impulsvortrag zu "Das Ende der Gerechtigkeit"

© Friedrich-Naumann-Stiftung

„Ein Richter schlägt Alarm“ – diesen aufrüttelnden Untertitel wählte Jens Gnisa, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, für sein Buch „Das Ende der Gerechtigkeit“. In München und Nürnberg war er bei der Thomas-Dehler-Stiftung und Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zu Gast, um aus seinem Buch zu lesen, aus seinem Alltag als Direktor des Amtsgerichts Bielefeld zu berichten, aber auch um auf grundsätzliche Fehlentwicklungen des deutschen Rechtsstaats hinzuweisen.

Im Zwiegespräch mit Stephan Thomae, MdB, legte er dar, welche grundsätzlichen Fehlentwicklungen er in Deutschland beobachtet und was er als Richter sich von der Politik erhofft – einen wehrhaften Rechtsstaat, nicht einen Nachtwächterstaat. 2000 Stellen mehr für Richter und Staatsanwälte – ein Personalzuwachs um ca. 10 Prozent – fordert er dafür und mehr Möglichkeiten zur Überwachung elektronischer Kommunikation.

Streitpunkt Vorratsdatenspeicherung

Hitzig wurde die Diskussion zwischen Gnisa und Thomae beim Thema Vorratsdatenspeicherung: Während der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes eine rasche Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung fordert und dafür eintritt, dass Kommunikation auf jedem Weg durchsuchbar sein muss, warnt der Bundestagsabgeordnete Thomae davor, durch die Vorratsdatenspeicherung eine Scheinsicherheit zu erzeugen. Er verwies darauf, dass auch in Ländern mit Vorratsdatenspeicherung kein wesentlicher Zugewinn an Sicherheit festzustellen ist. Die Eingriffe in die Privatsphäre der Bürger seien so nicht zu rechtfertigen.

Stephan Thomae, Mitglied des Deutschen Bundestages

Hitzige Diskussion zwischen Stephan Thomae, MdB, und Jens Gnisa

© Friedrich-Naumann-Stiftung

Größere Einigkeit am Podium bestand bei der Frage nach dem Umgang mit Bagatellstraftaten – dem Schwarzfahren beispielsweise. Diese belasten die Strafjustiz ungemein, allein in Berlin sind mehr als ein Dutzend Richter und Staatsanwälte nur damit beschäftigt. Hier müsse die Politik über alternative Lösungen nachdenken, fordert Gnisa.

Auch die immer stärkere Regulierung aller Lebensbereiche bemängelt der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, das schränke die Freiheit ein. In einem Plädoyer für die Freiheit fordert er dabei die Rückendeckung der Bevölkerung. Sie müsse es mittragen, wenn die Politik Bereiche nicht bis ins Detail juristisch regele. Im Parlament fordert Gnisa eine Konzentration aufs Wesentliche, damit sich das Parlament nicht in den Details von Verordnungen verzettele. Das schaffe den notwendigen Raum, um der Ministerialbürokratie in wichtigen Fragen auf Augenhöhe zu begegnen.

Ein Lichtblick aus der jüngsten Zeit schildert Stephan Thomae: Nach dem bedauernswerten Erstarken radikaler Positionen hat er „2017 mehr positives Feedback von den Bürgern an die Politik erlebt als in den Jahren zuvor“. Dabei bezog er sich nicht nur auf die FDP, sondern auch auf die Politik allgemein. Menschen haben seiner Meinung nach wieder ein größeres Interesse an Politik und bringen sich auch wieder stärker positiv ein.