Süfafrika
Neue Herausforderungen für die liberale Democratic Alliance
Die Parlaments- und Landtagswahlen in Südafrika sind vorbei. Parteien und Kommentatoren haben über das Wochenende erste Analysen veröffentlicht.
Unbestrittener Tiefpunkt ist die äußerst geringe Wahlbeteiligung: 65 Prozent der registrierten Südafrikaner sind wählen gegangen. (Dazu kommt, dass sich etwa zehn Millionen überwiegend junge Südafrikaner, die wahlberechtigt gewesen wären, gar nicht erst für die Wahlen registriert haben). 2014 lag die Wahlbeteiligung noch bei 73 Prozent.
Unbestritten ist auch, dass die Wahlkommission erstaunlich schlecht organisiert war: Einige Wahllokale machten zu spät auf, andere zu früh zu und so manchen gingen die Wahlzettel aus. Dann machten die ersten Fotos und Geschichten bereits am Morgen des Wahltages die Runden in den sozialen Medien. Sie zeigten, dass die schwarze Markierung, die jeder Wähler auf den Daumen bekommt, als eine der Sicherheitsmaßnahmen, dass nicht mehrmals gewählt wird, sich teilweise durch ‘Daumenlutschen’ entfernen ließen. Eine Reihe von Leuten behauptete, sie hätten mehrmals gewählt. Über zwanzig angebliche ‘Mehrfachwähler’ sind inzwischen verhaftet worden.
Die Kommission hat eine Überprüfung der betroffenen Wahllokale und Stimmzettel angeordnet. Ergebnis bis jetzt: Ja, es gab Unregelmäßigkeiten - und nein, sie haben das Ergebnis nicht beeinflusst.
Rechte und Linke Rand legt zu
Wie bereits in den deutschen Medien berichtet, hat sich der African National Congress (ANC) mit 57 Prozent der Stimmen behauptet und die hart umkämpfte Provinz Gauteng, das wirtschaftliche Kernland Südafrikas, knapp mit 50,17 Prozent gewonnen.
Die Populisten und ethnischen Nationalisten der Economic Freedom Fighters (EFF) und der Freedom Front Plus (FF+) haben am linken und rechten Rande des politischen Spektrums zugelegt. (Der EFF stieg von sechs Prozent auf fast elf Prozent, FF+ von 0,9 Prozent auf 2,4 Prozent).
Verallgemeinernd kann man sagen, dass der ANC Wähler an die EFF abgegeben hat, die liberale Democratic Alliance (DA) an die FF+ und beide an die ‘Nichtwähler’.
Der Kampagnenchef des ANC gab in einem Interview letzte Woche unumwunden zu, was sich in Umfragen seit Monaten abzeichnete: Der ANC-Präsident Ramaphosa hat den ANC gerettet – statt 57 Prozent der Stimmen hätte der ANC ohne die im Vergleich zu Jacob Zuma „Lichtfigur“ Ramaphosa wohl nur 40 Prozent der Stimmen bekommen. Im Vorfeld der Wahlen wurde in Journalisten- und Wirtschaftskreisen verbreitet, man müsse für Ramaphosa stimmen, um diesen Reformer im ANC zu stärken (sogar der Economist vertrat diese Argumentation).
Diese Sichtweise verkennt erstens, dass es sich dabei nicht um eine Präsidentschaftswahl a la USA, sondern um eine Parlamentswahl mit Parteilisten handelte. Zweitens ist angesichts der zutiefst kompromittierten Politiker, die auf hohen Listenplätzen des ANC platziert waren zweifelhaft, ob die von Korruption so tief durchsetzte Organisation überhaupt reformierbar ist. Ramaphosa kündigte in einer Rede am Wochenende an, dass er jetzt aufräumen werde, mit der grassierenden Korruption sei nun Schluss und, so sagte er sinngemäß, der ANC stände nicht länger für ‘Absolutely No Consequences’. Denn hier ist das Problem: Die Aufdeckung und Anprangerung der Korruption ist da, aber es hat bisher so gut wie überhaupt keine Rechenschaft und Konsequenzen gegeben.
Die unangenehme Wahrheit ist, dass der Präsident sich wird entscheiden müssen: Entweder bekämpft er die Korruption oder er hält seine Partei zusammen. Bisher hat er immer laviert und im Endeffekt die Parteieinigkeit über alles andere gestellt.
Die größte Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) hat das erste Mal in zwanzig Jahren nicht zugelegt, sondern leicht abgenommen (von 22,2% der Stimmen in 2009 auf 20,8% am letzten Mittwoch). Sie hat ihr Hauptziel erreicht, weiterhin die Provinz Westkap zu regieren, konnte den ANC jedoch nicht im wirtschaftlichen Herzen des Landes, der Provinz Gauteng, in der die Städte Johannesburg und Tshwane (Pretoria) liegen, von der absoluten Mehrheit verdrängen. Die DA hat eine gute Kampagne geführt. Probleme und Eigentore gab es jedoch vorher: Mit dem Abgang des korrupten Präsidenten Zuma ging der Partei ein sehr effizienter Wahlhelfer verloren und mit der (äußerst knappen) Wahl Ramaphosas zum ANC-Chef Ende 2017 war bereits klar, dass diese Wahl im Mai 2019 für die Opposition sehr schwierig werden würde, da der Unternehmer Cyril Ramaphosa versprach, gegen Korruption vorzugehen und die wirtschaftlichen Probleme des Landes anzugehen.
Hinzu kam eine Reihe von Eigentoren der DA. Zunächst ein schlecht kommuniziertes Zerwürfnis mit Patricia de Lille, der Bürgermeisterin von Kapstadt, die ursprünglich aus einer anderen Partei zur DA gekommen war (und die nun versucht diese Partei unter anderem Namen wieder aufleben zu lassen). Dann ein Twitter Sturm ausgelöst und wiederholt angefacht durch die ehemalige Parteivorsitzende und Ministerpräsidentin des Westkaps, Helen Zille. Der führte dazu, dass der auf Ausgleich und Einheit bedachte Parteivorsitzende Mmusi Maimane, von allen Seiten als ‘entscheidungsschwach’ beschimpft wurde. Es wurde eine Programm- und Wertediskussion öffentlich ausgetragen, um die Frage, ob es legitim sei, ethnische Herkunft (sprich: Hautfarbe) als Indikator für Benachteiligung bzw. Privileg im Post-Apartheid Südafrika, zu nutzen.
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass die DA zunehmend schwarze Wähler gewinnen konnte, insbesondere in den Metropolen. Wer am vergangenen Mittwoch DA gestimmt hat, hat für ‘One South Africa for All’ gestimmt, also für die Vision eines Südafrikas für alle.
Auch lohnt es sich, mit Hinblick auf die kommenden Kommunalwahlen 2021, einige Trends und Ergebnisse genauer anzuschauen: In den von DA-Minderheitsregierungen regierten Megastädten Johannesburg und Tshwane (Pretoria) lag der ANC auch Mittwoch unter 50% der Stimmen. In Nelson Mandela Bay (Großraum Port Elizabeth), eThekwini (Durban) und Mangaung (Bloemfontein) ist der ANC ‘verwundbar’. In einer Reihe Wahlkreise in Townships wie Soweto, ist die DA von 3-5% auf 12-15% gekommen. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass die Kommunalpolitik der DA von den Wählern anerkannt wird.
Die DA wird sich entscheiden müssen: Entweder stellt sie Werte, Strategie und Kommunikation so um, dass die 200 000 Wähler, die sich für die rechte FF+ entschieden haben, zurückholt – oder sie arbeitet daran, für schwarze Wähler (noch) attraktiver zu werden und ‘ihre’ Nichtwähler zurückzuholen und zu motivieren.
Barbara Groeblinghoff ist Projektleiterin Südafrika.