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Russland
Russische Medien auf dem Balkan

Wie Moskaus Propaganda Serbien beeinflusst
Putin RT
© picture alliance/dpa/Sputnik | Maksim Bogodvid  

Russische Medien auf dem Balkan

Der Einfluss staatlicher russischer Auslandsmedien (RT, Sputnik et.al.) auf die öffentliche Meinung in westlichen Demokratien ist inzwischen - unabhängig von seiner politischen Qualifizierung - Allgemeingut. Es liegen gut dokumentierte Analysen z.B. aus den USA, Frankreich und Deutschland vor. Auch die Bundesregierung hat wiederholt auf die Gefahren russischer Staatspropaganda für die deutsche Medienlandschaft hingewiesen. Das Europaparlament hat immer wieder Strategien der Mitgliedsländer gegen „feindselige Propaganda“ Moskaus angemahnt. Die EUKommission hat eine kleine Abteilung zum Aufspüren russischer Falschnachrichten ins Leben gerufen.

Warum ist es vor diesem Hintergrund überhaupt notwendig, sich mit russischer Einflussnahme auf dem Balkan zu beschäftigen? Die bisher vorliegenden Studien aus westlichen Ländern zu diesem Thema bemühen sich, akribisch die Wirkungen russischer Desinformationen auf die Medienszenen oder die öffentlichen Meinungen nachzuweisen. Das ist oft kompliziert, weil Medien, Politik und Öffentlichkeit in der Regel prinzipiell gegen russische Narrative eingestellt sind. Daher ist es für die von Moskau zentral gesteuerten Auslandsmedien oft schwer, diese negative Grundüberzeugung aufzuweichen und bei einzelnen Themen (wie z.B. in der Corona-Krise) bzw. gesellschaftspolitischen Randgruppen doch zu punkten.

Ganz anders die Situation auf der Balkanhalbinsel. Hier ist russisches Medienmaterial höchst willkommen. Die politischen Eliten wie zum Beispiel im größten und wichtigsten Balkanland Serbien oder in der serbischen Landeshälfte von Bosnien-Herzegowina pflegen traditionell eine enge Verbundenheit mit Russland. Das beginnt mit der „Waffenbrüderschaft“ im Ersten und Zweiten Weltkrieg und reicht bis in die jüngste Zeit, weil „Russland sich selbst und die Balkanländer vor dem Islamischen Staat verteidigt hat“. Zur Stärkung der gegenseitigen Bande haben auch der Verkauf der heimischen Erdölindustrie zu einem politischen Spottpreis an Russland und größere Waffenkäufe vom Moskauer Verbündeten beigetragen.

Das vom Kreml gesteuerte politische System Moskaus und die Ausnahmestellung ihres Präsidenten Wladimir Putin entsprechen den politischen Idealen fast aller serbischer Spitzenpolitiker. Analog blicken große Teile der serbischen Bevölkerung voller Bewunderung auf den „großen Bruder“ Russland. „Wir und die Russen sind 150 Millionen Menschen“, lautet ein beliebtes Bonmot im serbischen Sieben-Millionen-Volk. Diese emotionale Verbundenheit basiert auf der gemeinsamen slawischen Sprache und der orthodoxen Religion.

Die politische Führung Serbiens ist sich mit ihrer Bevölkerung einig, dass Russland zum Beispiel im UN-Sicherheitsrat und als Gegengewicht zur NATO verhindert hat, dass offene Balkanprobleme wie das Kosovo oder die Zukunft der serbischen Minderheiten in Montenegro und Bosnien-Herzegowina von den USA und der EU gegen ihre eigenen Interessen gelöst wurden. Moskau und Belgrad sehen sich international in einer Opferrolle. Kritische serbische Historiker charakterisieren diese Erzählung als „self- victimization“. Beide Länder pflegen ein politisches Selbstbildnis, das von der Feindseligkeit der übergroßen Mehrheit internationaler Akteure ausgeht, dem - gemeinsam mit den wenigen Freunden in der Welt - mit einer Wagenburgmentalität begegnet werden muss.

Da die politische Elite - allen voran Staatspräsident Aleksandar Vučić - die Medienlandschaft beinahe komplett kontrolliert, sind mediale Angebote aus Russland hoch willkommen. Weil gedruckte und elektronische serbische Medien (wie übrigens auch die Medien anderer Länder in der Region) chronisch an Unterfinanzierung leiden, gewinnt das kostenlose Informationsangebot aus Russland noch mehr an Gewicht. Da es auch noch in der Landessprache präsentiert wird, ist die Übernahme eins zu eins ohne weitere redaktionelle Bearbeitung die Regel. Eine solche unbearbeitete Übernahme gilt auch für die serbischsprachigen Texte der Deutschen Welle oder Radio Free Europe. Allerdings handelt es sich dabei um journalistische Produkte, die sich an den Standards westlicher Medien orientieren.

Die Medienmacht aus Russland in großen Teilen des Balkans sorgt bei dieser machtpolitischen, emotionalen und nationalpsychologischen Ausgangslage dafür, dass die EU und die USA oft auf verlorenem Posten agieren. Obwohl die EU mit Abstand der größte Donator und Investor (67 Prozent aller ausländischen Investitionen) in Serbien ist, glauben große Teile der Bevölkerung, Russland und China stünden in diesem Ranking auf den führenden Plätzen. Obwohl Serbien den übergroßen Teil seines Handels (62 Prozent) mit der EU abwickelt, sind viele Serben der Meinung, Russland sei der engste Wirtschaftspartner des Landes. Serbien gehört jedoch zu den drei Ländern weltweit mit den größten Überweisungen aus Brüssel und erhält jährlich rund 300 Millionen Euro nicht rückzahlbarer Hilfen. Obwohl die EU sich bemüht, beim demokratischen Aufbau Serbiens mit Milliarden Euro und einem Heer an Diplomaten und Experten zu helfen, huldigen große Teile selbst junger Menschen bei Umfragen einer diktatorischen Staatsform nach russischem Muster samt „starkem Führer“.

Diese Analyse hat zum Ziel, die in der Regel behaupteten, aber nicht dokumentierten Arbeitsweisen russischer Auslandsmedien in Serbien zweifelsfrei zu belegen. Sie will durch die systematische Auswertung des Primärmaterials, also der konkreten medialen Beiträge, zeigen, wie diese Medien in Serbien arbeiten. Welche Ziele sollen mit welchen Techniken, Themen und Methoden erreicht werden? Kern der Arbeit ist daher die Inhaltsanalyse großer Teile des Materials der serbischenAusgabe des russischen Auslandsdienstes „Sputnik“ im Januar, Februar und März 2021. Daneben wird das mediale Umfeld russophiler Betreiber in Serbien ausgeleuchtet. Schließlich werden Vorschläge gemacht, wie die EU auf die Medienoffensive Moskaus antworten könnte.