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Schicksalswahl in Tschechien

Wer sind die Präsidentschaftskandidaten?
Prager Burg

Zieht im Januar ein neuer Präsident in die Prager Burg?

© iStock/ RomanBabakin

Im Januar finden in der Tschechischen Republik Präsidentschaftswahlen statt. Da Tschechien zurzeit vor einer sehr schweren Regierungsbildung steht, hat die Frage, wie der künftige Präsident seine Funktion sieht,  einen hohen Stellenwert eingenommen. Wird er sich als politischer Akteur sehen oder als neutraler Repräsentant? Wird er die Regierungsbeteiligung extremer Parteien zulassen? Wird er seine außenpolitischen Kompetenzen für eine Stärkung der Bindungen zur EU und Nato nutzen? Die Frage, wer als Präsident in der Prager Burg amtieren wird, ist zur Schicksalsfrage für das Land geworden.

Wer folgt auf Präsident Zeman? Oder folgt Zeman auf Zeman? 569 potenzielle Kandidaten gab es anfangs für den Posten des tschechischen Präsidenten; 18 von ihnen haben ihre offizielle Bewerbung abgegeben, die Hälfte davon war rechtlich ungültig. Dennoch hört die Vorauswahl für die tschechische Präsidentschaftswahl 2018 damit nicht auf. Ein möglicher Ausschluss aus dem Präsidentschaftsrennen wegen Nichterfüllung der rechtlichen Bedingungen hängt immer noch über den Köpfen von sechs der neun verbliebenden Kandidaten. Erlaubt das möglicherweise recht kleine Kandidatenfeld, eine echte Auswahl? Und wer sind die Kandidaten?

Blick auf das Wahlsystem

Damit eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl in Tschechien den gesetzlichen Bedingungen entspricht, muss jeder Kandidat mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllen: eine Liste mit mindestens 50.000 Unterschriften von tschechischen Bürgern oder 20 Unterschriften von Parlamentsabgeordneten oder 10 Unterschriften von Senatoren, die die Kandidatur unterstützen.

Bis zum Stichtag am 7. November 2017 um 16:00 hatten 18 potentielle Kandidaten ihre Bewerbungen eingereicht, aber nur neun erhielten die vorgeschriebene Unterstützung: drei Kandidaten durch Bürgerunterstützung, drei durch die Unterschrift Abgeordneter und drei stützen sich auf Senatoren.

Dennoch entdeckte das Innenministerium nach genauerem Hinsehen, dass einige Abgeordnete und Senatoren mehrere Kandidaten gleichzeitig unterstützten. Nach Ansicht des Ministeriums kann jeder Abgeordnete oder Senator so viele Kandidaten unterstützen, wie er oder sie möchte. Verfassungsrechtler sind hingegen der Ansicht, dass jeder Abgeordnete oder Senator nur einen Kandidaten unterstützen dürfe. Die Zukunft etlicher Kandidaten ist daher unsicher. Sollte der Fall vor Gericht landen, werden diese Bewerbungen höchstwahrscheinlich für ungültig erklärt.

Der Rest der Kandidaten bereitet sich derweil auf die erste Wahlrunde vor. Ähnlich wie in Frankreich verfügt Tschechien über ein direktes Wahlsystem mit zwei Wahlrunden. Wenn keiner der Kandidaten mehr als 50 Prozent der Stimmen erhält, gehen die zwei Kandidaten mit dem höchsten Stimmenanteil in die zweite Runde. Der Kandidat, der in der zweiten Runde die Mehrheit der Stimmen erhält, wird Präsident.

Zeman und Putin
Seine enge Verbindung zu Putin hat Zeman den Spitznamen "Trojanisches Pferd" eingebracht. © CC-BY 4.0/ Kremlin.ru

Die Favoriten

Die zwei Kandidaten, denen die größten Gewinnchancen bei der Präsidentschaftswahl im Januar zugerechnet werden, haben ihre Bewerbungen durch 50.000 Bürgerunterschriften untermauert. Keine politische Partei hat ihren eigenen Kandidaten aufgestellt. Alle aufgeführten Kandidaten gehen als Unabhängige ins Rennen.

Unter den Kandidaten ist der amtierende tschechische Präsident Miloš Zeman, der angibt, seinen Diabetes zu heilen, indem er Kuchen isst, und ein hölzernes Gewehr hat, um, wie er sagt, auf Journalisten zu schießen. Er verwendete schamlos Schimpfwörter während der Live-Übertragung einer nationalen Rundfunksendung, kam völlig betrunken zur feierlichen Eröffnung einer Ausstellung über die böhmischen Kronjuwelen und griff während einer gemeinsamen Pressekonferenz den Premierminister mit einem Holzstock an.

Das trojanische Pferd des Kreml

Am liebsten trifft sich Zeman mit autoritären Staatsmännern wie dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping. Zeman war das einzige westliche Staatsoberhaupt, das 2015 die chinesische Militärparade zum Sieg über Japan besuchte. Er hält China und seine Diktatur für ein Muster gesellschaftlicher Stabilität. Während einer Militärparade stand er auf dem Balkon neben dem russischen Präsidenten Wladimír Putin. Es ist seine enge Verbindung mit dem russischen Präsidenten, die Zeman den Spitznamen "Trojanisches Pferd" eingebracht hat. Seine Verbindungen zum Kreml sind so eng, dass die amerikanischen Geheimdienste ihn als mögliches Sicherheitsrisiko bezeichnen. Während seiner Amtszeit hat Zeman mehrmals hochvertrauliche Sicherheits- oder diplomatische Informationen öffentlich durchsickern lassen.

Als Staatsoberhaupt richtete Zeman die tschechische Außenpolitik nach Osten aus. Darüber hinaus unterstützt er ein tschechisches Referendum über die EU-Mitgliedschaft (Czexit), ist gegen Flüchtlinge, den Islam und Multikulturalismus und sagt, er unterstütze eine Regierungskoalition aus ANO, Kommunisten und der rechtsradikalen Partei SPD, sollte diese zustande kommen.

Dass der gewiefte Populist Zeman erneut die Präsidentschaftswahl gewinnt, ist durchaus wahrscheinlich. Seine öffentliche Zustimmung liegt bei  50 bis 60 Prozent.

Der Intellektuelle

Der Leiter der Tschechischen Akademie der Wissenschaften, Jiří Drahoš, verkörpert in politischen Fragen genau das Gegenteil von Miloš Zeman. Er glaubt, dass die tschechische Außenpolitik westorientiert sein sollte und stellt die NATO- oder EU-Mitgliedschaft Tschechiens nicht in Frage. Drahoš geht sogar so weit, dass er die Möglichkeit unterstützt, dass die Tschechische Republik Mitglied der Eurozone wird. Er würde Flüchtlinge in der Tschechischen Republik willkommen heißen, lehnt jedoch die EU-Flüchtlingsquoten ab. Als Präsident würde er seine Rolle eher traditionell ausführen, also repräsentativ und gemeinschaftsbildend, dafür weniger politisch. Er würde allerdings, so betont er, nie eine Regierung, die aus Kommunisten oder Rechtsradikalen besteht, bestätigen.

Drahoš kämpft allerdings mit dem Image des großstädtischen Intellektuellen, mit dem sich der durchschnittliche Wähler nur schwer identifiziert. Wenn er sich gegen Zeman durchsetzen will, muss er Wege finden, wie er auch die Menschen in kleineren Regionalstädten für sich gewinnen kann.

Wer sind die anderen Kandidaten?

Pavel Fischer ist ehemaliger Berater des tschechischen Präsidenten Václav Havel. Als ehemaliger Botschafter in Frankreich vertritt er seit vielen Jahren die Tschechische Republik im Ausland. Derzeit arbeitet er als Geschäftsführer des größten tschechischen Instituts für Meinungsumfragen.

Petr Hanning ist tschechischer Musiker und Hitmacher aus der kommunistischen Ära. Er kandidiert regelmäßig für jede Art von öffentlichem Amt.

Der Arzt und Wissenschaftler Marek Hilšner erregte im Oktober 2014 nach der russischen Besetzung der Krim die Aufmerksamkeit der tschechischen Öffentlichkeit. Während der Pressekonferenz des Premierministers zog er sein Hemd aus. Mit dem Spruch "Habe Mut, Mr. PM" auf dem Bauch winkte er mit ukrainischer und NATO-Flagge in die Kamera.

Michal Horáček hat als erster seine Kandidatur angekündigt. Seit fast zwei Jahren läuft seine Kampagne bereits. Als ehemaliger tschechischer Unternehmer und Schlagerkomponist ist er in der Lage, seine Kampagne selbst zu finanzieren. Das macht ihn zum einzigen finanziell unabhängigen Kandidaten, der im Falle seiner Wahl niemandem einen Gefallen schuldet. Er könnte in der ersten Runde Dritter werden.

Der Vorsitzende der tschechischen Verteidigungs- und Sicherheitsindustrieverbandes Jiří Hynek gilt als ein ausgesprochen professioneller Lobbyist.

Vratislav Kulhánek ist tschechischer Unternehmer und ehemaliger Geschäftsführer von Škoda.

Nur eine Woche vor Fristablauf gab auch der ehemalige Premierminister Mirek Topolanek seine Kandidatur bekannt. Trotz seiner späten Kandidatur wird ihm in den Umfragen der dritte oder vierte Platz vorausgesagt.

Adéla Klečková ist Programmmanagerin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit für Mitteleuropa und die Baltischen Staaten.