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Pressefreiheit
Schutz der Demokratie - So können wir bedrohte Journalisten unterstützen

Ein Beitrag von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Veysel Ok
Zeitungskiosk

picture-alliance/ dpa/dpaweb | Lehtikuva Tor Wennström

Der folgende Beitrag erschien am 2. September 2024 in der Online-Ausgabe der WELT.

„Democracy dies in darkness.“ Dieser Slogan ziert seit 2017 die Titelseite der Washington Post. „Demokratie stirbt im Dunklen.“ Was heißt das? Eine Demokratie erodiert schleichend. Schritt für Schritt. Ein Blogger wird inhaftiert. Ein Journalist wird bedroht. Eine Bürgermeisterin tritt zurück, weil sie um ihr eigenes Wohl und das ihrer Familie fürchten muss. Hass und Hetzte im Netz lähmen zivilgesellschaftliches Engagement. Es mögen Einzelfälle sein, doch in einer offenen Gesellschaft gilt: Ein Angriff auf einen ist ein Angriff auf uns alle. Das gilt für Journalisten wie für Politiker.

Deshalb müssen wir hinsehen und aufstehen, wenn Journalisten und Schriftsteller um ihre Freiheit fürchten müssen, weil sie kritisch nachfragen. Wenn Menschen, die für Ämter kandidieren, daran zweifeln, ob ihnen der Preis dieser Sichtbarkeit zu hoch ist. Wenn Aktivisten für die Demokratie und gegen autokratische Regime kämpfen. Wer mit wachem Blick hinsieht, stellt fest: Es sind eben keine Einzelfälle. Und sie finden nicht im Dunklen statt. Im Gegenteil, sie sind sehr sichtbar. Aber sie werden von vielen nicht als Gefahr für die Demokratie insgesamt gesehen.

Vergangene Woche bestätigte ein türkisches Berufungsgericht die zwanzigmonatige Haftstrafe für den deutsch-türkischen Journalisten Bülent Mumay, der regelmäßig für die FAZ und die Deutsche Welle schreibt. Die Deutsche Welle hat nun angekündigt, vor das türkische Verfassungsgericht ziehen. Der Fall ist ein weiterer schwerer Angriff auf die schon massiv eingeschränkte Meinungsfreiheit in der Türkei. Populisten, gewaltbereite Radikale und autokratische Regierungen setzen darauf, dass sich Menschen einschüchtern und zermürben lassen. Sie sollen davon abgehalten werden, sich öffentlich zu engagieren und über Missstände zu berichten. Sie sollen das Gefühl haben, allein und hilflos zu sein. Deshalb ist es so wichtig, dass diese engagierten Menschen spürbaren Beistand erhalten. Dazu gehört auch der Rechtsbeistand, den die 'Media and Law Studies Association' in der Türkei Medienschaffenden pro bono gewährt.

Zu einer Demokratie gehört, dass gewählte Amtsträger kritische Berichterstattung aushalten müssen, dass gesellschaftliche Missstände benannt und Verantwortliche zum Handeln aufgefordert werden. In immer mehr Ländern ist das heute nicht mehr ohne Gefahr für die eigene Person möglich. Die Zahl der Demokratien weltweit sinkt beständig. Umso wichtiger ist die Unterstützung der Arbeit von Journalisten überall auf der Welt. Die Friedrich – Naumann –Stiftung für die Freiheit setzt dazu einen Schwerpunkt ihrer Arbeit besonders im Ausland.

Möglichkeiten dafür gibt es viele. Wir können globale Schutzräume für Journalisten schaffen, gerade jene unterstützen, die von digitaler Überwachung bedroht sind. Wir können weltweit Mediennetzwerke fördern. Investigative Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Blogger oder Whistleblower müssen sich auf eine funktionierende Verschlüsselung von Messenger-Diensten verlassen – auch vor dem Zugriff von Geheimdiensten. Die digitale Vernetzung schreitet immer weiter voran, die Gestaltung einer Digitalisierung, die auf gemeinsamen Werten beruht, steht global aber noch am Anfang. Wir als Zivilgesellschaft müssen uns zudem dafür einsetzen, dass demokratische Regierungen Druck auf andere Regierungen ausüben, die Journalisten und Menschenrechtsaktivisten nicht nur nicht schützen, sondern sie aktiv unterdrücken wollen.

Auch in Deutschland sind Journalisten und Aktivisten bedroht. In sozialen Medien erleben wir eine Verrohung zwischenmenschlicher Kommunikation. Verleumdungen, Beleidigungen und Einschüchterungen neben Überhand und führen zu körperlicher Gewalt gegen Menschen, die sich für unsere Gesellschaft engagieren. Es ist beschämend, dass dies Alltag ist. Natürlich ist jeder einzelne gefragt, auch im Kleinen den Mund aufzumachen, Menschen, die unsere demokratischen Werte jeden Tag leben, entschieden und mit klarer Haltung öffentlich zu unterstützen und zu zeigen: Sie sind eben nicht allein. Und wir müssen gleichzeitig unsere Strafverfolgungsbehörden finanziell und personell so ausstatten, dass sie gegen Hass und Hetze im Netz wirkungsvoll vorgehen können. Nur so kann es wirksamen Schutz für die Gefährdeten und somit einen nachhaltigen Schutz für unsere Demokratie geben.

Veysel Ok ist Rechtsanwalt in der Türkei. Mit seiner Organisation Media and Law Studies Association leistet er Schriftstellern und Journalisten rechtlichen Beistand. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ist ehem. Bundesjustizministerin und stv. Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit.

Am 2. September 2024 erhält Veysel Ok von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit und der Vereinigung Liberaler Juristen e.V. die Max-Stadler-Medaille für seine Verdienste um den Rechtsstaat.