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Europa
"Stabilität als Synonym für Sicherheit"

3 Fragen 3 Antworten mit NEOS Lab-Direktor Josef Lentsch zur österreichischen EU-Ratspräsidentschaft
Am Sonntag übernimmt die österreichische Regierung die EU-Ratspräsidentschaft: In welche Richtung wird der Wind wehen?

Am Sonntag übernimmt die österreichische Regierung die EU-Ratspräsidentschaft: In welche Richtung wird der Wind wehen?

© MikhailMishchenko / iStock / Getty Images Plus / Getty Images

Lieber Herr Lentsch, am Sonntag übernimmt Österreich für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft von Bulgarien. Wie bewerten Sie die Ziele der konservativ-rechtspopulistischen Regierung?

Das Motto der österreichischen Regierung für die EU-Ratspräsidentschaft lautet „A Europe that protects“. Damit bleibt Kanzler Kurz seinem bisherigen Stil treu: an der Oberfläche Emmanuel Macron imitierend, der diesen Claim in seiner Sorbonne-Rede verwendet hat; in der Tiefe aber ein harter Rechtskurs, der Schutz als Kampf gegen illegale Migration framed. Dementsprechend findet sich eben dieser Kampf auch ganz oben als oberste Priotität auf der Webseite der Ratspräsidentschaft.

Bisher hat sich die ÖVP/FPÖ-Regierung sehr kreativ darin gezeigt, das Thema innenpolitisch zu bewirtschaften. Ob sie im Rahmen der Ratspräsidentschaft hier entscheidende Fortschritte erzielen kann, bleibt auch nach dem kürzlichen Europäischen Rat offen.

„Digitalisierung“ als zweite Priorität, die Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit sichern soll (Achtung: es geht um Sicherheit, falls Sie es vergessen haben) wirkt dagegen fast wie ein Allgemeinplatz.

An dritter Stelle steht die Stabilität (übrigens ein Synonym für Sicherheit) in der EU Nachbarschaft. Insbesondere der Westbalkan liegt insbesondere vielen in der ÖVP tatsächlich sehr am Herzen.

Keine selbst gewählte Priorität, aber eine, die in den kommenden Monaten immer wichtiger werden wird, sind die Verhandlungen zum Brexit. Wie bei der illegalen Migration darf bezweifelt werden, ob die österreichische Regierung in ihrer selbstdefinierten Rolle als „Brückenbauer“ einen echten Unterschied wird machen können.

Der Kampf unserer Generation ist der zwischen Nationalisten und Populisten auf der einen Seite, und den Liberalen auf der anderen. 

Joseph Lentsch, Direktor des NEOS Lab
Josef Lentsch, Direktor des NEOS Lab

Die aktuellen Grenzübungen der österreichischen Regierung zur Grenzsicherung - wie bewerten Sie sie? 

Wie so vieles dieser Regierung handelt es sich dabei um sehr professionell inszenierte Symbolpolitik. Wir NEOS finden die Symbolik, eine solche Übung an einer innereuropäischen Grenze wie der mit Slowenien abzuhalten, schädlich und falsch. Daher haben wir uns, ebenfalls symbolisch, dafür mit Plakaten bei unseren slowenischen Mitbürgern für die Regierung entschuldigt.

Applaudiert haben zur Übung zum Beispiel die rechtsextremen Identitären – wie so oft gilt auch hier: zeig mir deine Freunde, und ich sage dir wer du bist.

Steckt Europa in der Krise? Ist die liberale Demokratie in einer Art Rezession - und welche Lösungswege finden Sie spannend?

Ja, Europa steckt in einer Krise. Und so gut wie alle Rankings zeigen, dass die liberale Demokratie weltweit in der Rezession ist. Der Kampf unserer Generation ist der zwischen Nationalisten und Populisten auf der einen Seite, und den Liberalen auf der anderen. 

Rückschritt ist möglich, aber Fortschritt auch. Für den Fortschritt braucht es die gemeinsamen Anstrengungen erneuerter liberaler Parteien wie der FDP, die auf eine lange Geschichte zurückblicken können, und liberaler politischer Start-ups wie Ciudadanos oder auch NEOS. Zu diesen neuen liberalen und zentristischen Bewegungen in Europa wird mein Buch „Political Entrepreneurship“ im November bei Springer erscheinen.