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Menschenrechte
Vereint im Kampf für die Freiheit

Das Boris Nemtsov Forum 2018 in Prag
Vereint im Kampf für die Freiheit

Guy Verhofstadt und Tomas Kafka (stellvertretender Außenminister von Tschechien)

© Václav Bacovský

Am 9. Oktober 2018 wäre Boris Nemtsov 59 Jahre geworden. Seinen Geburtstag konnte er aber nicht im Kreise seiner Freunde und Familie verbringen. Boris Nemtsov, der Oppositionspolitiker und Kämpfer für ein freies Russland, wurde am 27. Februar 2015 im Zentrum Moskaus – in Sichtweite des Kreml – erschossen. Bis heute wirft der Fall viele Fragen auf. Sein Geburtstag ist im eigentlichen Wortsinn nun kein Tag mehr zum Feiern; er hat seit drei Jahren aber trotzdem einen nahezu feiertagsähnlichen Charakter für die russische Opposition: Seit 2016 treffen vom 9. bis 10. Oktober Aktivisten, Menschenrechtler und Politiker aus Russland und der EU auf dem Boris Nemtsov Forum zusammen. In diesem Jahr fand die Konferenz zum ersten Mal in der tschechischen Hauptstadt Prag statt. Unter dem Titel „Russia: Strategies for the Society“ wurde über die gegenwärtige Situation und die Zukunft der russischen Gesellschaft diskutiert. Auch in diesem Jahr war die Stiftung für die Freiheit wieder Mitorganisator des Forums.

Verhofstadt fordert neue EU-Strategie gegenüber Russland

Guy Verhofstadt, Vorsitzender der ALDE-Fraktion im Europäischen Parlament, reiste für seinen Impulsvortrag extra aus Brüssel an und stand vor der schwierigen Aufgabe, die EU-Politik gegenüber Russland zu analysieren.

Er ließ keinen Zweifel offen, dass die EU aus seiner Sicht eine neue, geschlossene Strategie gegenüber dem Nachbarland entwickeln muss. Verhofstadt sprach sich für ein robusteres Auftreten gegenüber dem Kreml aus. Die Sanktionen sollten nicht gelockert, sondern eher noch verstärkt werden – bis Russland zur Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt, das Völkerrecht einhält und internationale Vereinbarungen wie das Minsker Abkommen vollumfänglich erfüllt.

Vereint im Kampf für die Freiheit

Boris Nemtsov, der Oppositionspolitiker und Kämpfer für ein freies Russland, wurde am 27. Februar 2015 im Zentrum Moskaus – in Sichtweite des Kreml – erschossen. Bis heute wirft der Fall viele Fragen auf

© Václav Bacovský

Gleichzeitig muss der russischen Zivilgesellschaft vermittelt werden, dass diese Strategie nicht gegen das Land, sondern einzig gegen die russische Regierung gerichtet ist. Die russische Bevölkerung soll von weiteren Visaerleichterungen profitieren und mehr Möglichkeiten – z.B. Studien- oder Austauschprogramme – in der EU wahrnehmen können.

Um diese Position gegenüber einem autoritär geführten Staat wie Russland zu vertreten, müsse die EU aber zunächst die Grundlage schaffen: starke und wehrhafte Institutionen.

Die Teilnehmer griffen seine Impulse gleich auf und diskutierten in kleinen Arbeitsgruppen über gesellschaftliche, wirtschaftliche sowie innen- und außenpolitischen Entwicklungen. Im Zentrum der Diskussionen stand dabei immer die Frage, welche Rolle die Zivilgesellschaft in Russland sowie im Exil spielen kann und sollte.

Die Zivilgesellschaft als treibende Kraft: Das Beispiel der „Operation Libero“

Besonders beeindruckt zeigte sich das Publikum von dem Beispiel der politischen Bewegung „Operation Libero“ aus der Schweiz. Gründungsmitglied und Co-Präsidentin Flavia Kleiner schilderte auf dem Podium die Geschichte der liberalen Bewegung, die sich für die Schweiz als Chancenland einsetzt. Seit der Gründung vor vier Jahren haben die Aktivisten schon viele erfolgreiche Kampagnen gefahren und Positionspapiere eingebracht, die sich für liberale Werte und gegen eine Politik der Abschottung aussprechen. Kleiner plädierte dafür, „die Feinde einer freiheitlichen Grundordnung aufzufordern, eine Erklärung abzugeben, warum sie die eigene Verfassung angreifen“.

Vereint im Kampf für die Freiheit

Besonders beeindruckt zeigte sich das Publikum von dem Beispiel der politischen Bewegung „Operation Libero“ aus der Schweiz.

© Václav Bacovský

Natürlich war allen Zuhörern bewusst, dass sich das gesellschaftliche und politische Klima der Schweiz nicht mit dem russischen System vergleichen lässt, das darauf angelegt ist, die Bürger weitestgehend zu entpolitisieren. Dennoch schöpften die Teilnehmer aus dem inspirierenden Beispiel der „Operation Libero“ die Kraft, ihren eigenen Kampf für die Freiheit weiter auszufechten – für das Russland, von dem Nemtsov immer geträumt hat. Und so ist auch an seinem 59. Geburtstag das geistige Erbe Nemtsovs immer noch zu spüren. Es gibt viele Menschen, die seinen Kampf fortführen – es können aber immer noch mehr werden.

Julia Ebenauer ist Referentin für Südost- und Osteuropa der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit in der Geschäftsstelle Potsdam.