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Wahlen
Vision des Friedens und der Stabilisierung

Stichwahl in Mali
Stichwahl in Mali

Die Sicherheitsfrage und ein nachhaltiger Frieden sind die Bausteine der Wahlprogramme der zwei Kandidaten für die am 12. August anberaumte Stichwahl.

© Arensond

In Mali kommt es am 12. August zu einer Stichwahl zwischen Präsident Ibrahim Boubacar Keita (IBK) und Oppositionsführer Soumaila Cissé. Freiheit.org hat Daouda Seck, Projektkoordinator der Stiftung im Senegal, zur aktuellen Situation und die Bedeutung der Wahl interviewt.

Mali ist nach wie vor kein sicheres Land. Im Nordosten ist die Bundeswehr mit fast 700 Soldaten an der UN-Stabilisierungsmission Minusma beteiligt. Trotz insgesamt mehr als 13.000 Minusma-Soldaten gelingt es nicht die Region zu befrieden. Welche Rezepte haben die beiden Präsidentschaftskandidaten, um den Frieden im gesamten Land  wiederherzustellen? Wie unterscheiden sich ihre Ansätze im Umgang mit den Bedrohungen durch gewalttätige Islamisten und Separatisten? 

Die Sicherheitsfrage und ein nachhaltiger Frieden sind die Bausteine der Wahlprogramme der zwei Kandidaten für die am 12. August anberaumte Stichwahl. 

Amtsinhaber Ibrahim Boubacar Keita (IBK), auf den 41,4 Prozent der gesamten Stimmen im ersten Wahlgang entfielen, stellt in seiner politischen Agenda eine effektive Umsetzung des Friedensabkommens, das aus dem am 15. Mai und 20. Juni 2015 unterzeichneten Algier-Prozeß hervorgeht, in den Mittelpunkt. IBK beabsichtigt im Falle eines Sieges, sich auf die Prävention von Gewalt zu konzentrieren und den Kampf gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität zu verstärken. Zu diesem Zweck wird er seine sogenannte „DDR-Initiative“ („désarmement, démobilisation et réinsertion“ –Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung ehemaliger Kämpfer) beschleunigen. Seine Fähigkeit, dieses Ziel zu erreichen, ist insofern fraglich, als sich die Sicherheitslage im Laufe seiner ersten Amtszeit dramatisch verschlechtert hat.

Drei Jahre nach der Unterzeichnung des Abkommens für Frieden und Versöhnung in Mali gibt es zu wenig Fortschritte im Sicherheitssektor. Das derzeitige Tempo der Umsetzung dieses Abkommens könnte auf lange Sicht dessen Glaubwürdigkeit als dauerhaftes Friedensinstrument unterminieren. Das Abkommen bleibt der bevorzugte Rahmen für die Beilegung des Konflikts und die Befriedung des Landes.

Sein Herausforderer Soumaila Cissé, der 17,8 Prozent der Stimmen in der ersten Runde erhielt, betrachtet die Sicherheitsfrage als die erste strategische Achse seines 5-Säulen-Programms. Sie lautet „Wiederherstellung des Friedens, der Sicherheit und der Autorität des Staates“. Er plädiert für die Stärkung und Modernisierung der malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, die Umverteilung der Staatsbehörden im gesamten Staatsgebiet sowie den unermüdlichen Kampf gegen Menschenrechtsverletzungen.  

Die zwei Kandidaten teilen dieselbe Vision des Friedens und der Stabilisierung des Landes, allerdings haben sie unterschiedliche Herangehensweisen. Soumaila Cissé konzentriert sich eher auf die Stärkung der Sicherheitskräfte durch eine umfassende Reform des Sicherheitssektors (RSS) mit der Schaffung neuer Sicherheitseinheiten. Cissé würde Sicherheitskräfte im Nordosten und im Zentrum des Landes einsetzen, um auf Bedrohungen und Terrorangriffe besser reagieren zu können. Der Kandidat IBK hingegen setzt auf regionale und internationale Solidarität durch die Unterstützung der MINUSMA, EUTM, EUCAP Sahel Mali und der G5 Sahel (Gruppe der 5 Sahel-Länder -Joint Force), um seine Friedenspolitik durchzuführen und die Stabilisierung des Landes zu erreichen.

Stichwahl in Mali
Präsident Ibrahim Boubacar Keita und sein Kontrahent Soumaila Cissé © Claude Truong-Ngoc / Wikimedia Commons - cc-by-sa-3.0, Ibrahim Boubacar Keïta par Claude Truong-Ngoc décembre 2013 (cropped)CC BY-SA 3.0 • Soumaïla CisséSoumaïla Cissé 2013 PortraitCC0 1.0

Bei der Suche nach besseren Lösungsansätzen für den Frieden und die Stabilisierung von Mali spielen ebenfalls die unmittelbaren Nachbarn Malis und die Länder der Sahelzone eine entscheidende Rolle. Um die vielschichtigen und sektorübergreifenden Herausforderungen zu bewältigen, sollte der künftige Präsident eine klare und effiziente Regionalpolitik für die Umsetzung des Friedensabkommens schaffen.

Soumaila Cissé gibt sich als Mann des Aufbruch und Wandels, der besonders seine wirtschaftliche Kompetenz herausstellt. Wie äußert sich dies in seinem Wahlprogramm und mit  welchen Veränderungen plant der ausgebildete Informatiker eines der ärmsten Länder der Welt in eine prosperierende Zukunft zu bringen? 

Der Oppositionsführer Soumaila Cissé gilt als ein erfahrener Politiker, der schon zahlreiche politische Ämter bekleidet hat. Der ausgebildete Informatiker hat einen soliden Wirtschaftshintergrund. Er war jahrelang Wirtschafts- und Finanzminister und dementsprechend der bevorzugte Ansprechspartner der Entwicklungspartner und der Architekt des malischen Wirtschaftsaufschwungs in den 1990er Jahren. Zudem bekleidete er das Amt des Vorsitzenden des Ausschusses der Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion (UEMOA). Seine Wirtschaftsagenda ist in seinem 5-Säulen-Programm enthalten. Cissé strebt danach, eine effiziente und erfolgreiche Wirtschaft aufzubauen, die auf sozialer Gerechtigkeit beruht. Seine Vision von einem prosperierenden Mali setzt auf ein starkes und inklusives Wirtschaftswachstum, das auf einem dynamischen Privatsektor beruht, der das Potenzial der natürlichen Ressourcen Malis optimiert und menschenwürdige Arbeitsplätze bietet.

Soumaila Cissé ist sich bewusst, daß das jetzige Wirtschaftswachstum (durchschnittlich 5% in den letzten drei Jahrzehnten) nicht ausreicht, um die Armut angesichts des schnellen Bevölkerungswachstums zu verringern. Außerdem ist das Land immer noch hauptsächlich von Landwirtschaft, Viehzucht und Bodenschätzen abhängig. Das Wachstum wird auch durch den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und unzureichender Basisinfrastruktur behindert. 

Um dieser Situation abzuhelfen und die Wirtschaft wiederzubeleben, setzt Cissé auf die Schlüsselrolle des Privatsektors und der Unternehmer sowie die Schaffung attraktiver Rahmenbedingungen für Privatinvestitionen und Wettbewerbsfähigkeit. Dafür sollte das Geschäftsumfeld durch die Vereinfachung der rechtlichen Verfahren und eine Kostensenkung für Formalitäten verbessern, mit dem Ziel, Unternehmertum und Privatinitiativen zu fördern.

IBK hat den ersten Wahlgang mit 41,4 Prozent der Stimmen für sich entscheiden können. Viele Beobachter sehen seinen Sieg im zweiten Wahlgang als reine Formsache; die Hinwendung zum „starken Mann an der Spitze" hat in Mali Tradition. Noch nie ist ein Präsident in der schwierigen Geschichte der malischen Demokratie nach einer Wahlperiode  abgewählt worden. Warum sollte das diesmal anders sein?

IBK verfehlte zwar die erforderliche absolute Mehrheit (50-Prozent-Hürde), um seine Wiederwahl bereits im ersten Wahlgang zu sichern. Mit mehr als 41 Prozent der Stimmen scheint aber der deutliche Vorsprung von ca. 24 Prozentpunkten für seinen Herausforderer Soumaila Cissé uneinholbar. Sollte es allerdings allen Oppositionskandidaten gelingen, ihre Differenzen beizulegen und ein festes gemeinsames Wahlbündnis unter der Führung von Soumaila Cissé zu schmieden, könnte die Stichwahl am Sonntag theoretisch mit einem Machtwechsel enden. Dieses Szenario scheint aber eher unrealistisch. Die erworbenen Stimmen der anderen Oppositionskandidaten sind nicht systematisch auf Soumaila Cissé übertragbar. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der eine oder andere Oppositionskandidat in das Lager von IBK übertritt.

Für Medienanfragen kontaktieren Sie unseren Mali-Experten der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit

Daouda Seck
Daouda Seck
Telefon: +221 33 86964 16