Krieg gegen die Ukraine
Wie der Westen versagte und Russlands Aggression ignorierte
Russland hat seine militärische Aggression gegen die Ukraine bereits 2014 begonnen – mit der Annexion der Krim und dem von Russland entfachten Krieg in den ukrainischen Oblasten Luhansk und Donez’k. Ein Großteil der für die Ukraine folgenreichen Menschenrechtsverbrechen und militärischen Niederlagen fanden wenig internationale Beachtung, bis zum Abschuss von MH17 der malaysischen Fluggesellschaft am 17. Juli 2014 durch pro-russische Milizen im Osten der Ukraine. Russische Desinformation und Mythen für den angeblichen Befreiungskrieg vom Faschismus konnten sich in der Zwischenzeit bequem in Mittel- und Westeuropa verbreiten. Erst mit der großen Invasion 2022 und den russischen Gräueltaten gegen die ukrainische Zivilbevölkerung begann auch im Westen allmählich ein geo- und sicherheitspolitisches Umdenken. Der Westen hätte bereits vor 2022 verstehen können und müssen, was der Kreml in der Ukraine für Ziele verfolgt, wenn er genauer hingesehen hätte.
Krim-Annexion und russische Invasion im Donbas
Im Februar 2014 besetzten die „grünen Männchen“ – russische Soldaten ohne Hoheitsabzeichen – völkerrechtswidrig die Krim. Die Annexion, in Russland beschönigend als Wiederangliederung bezeichnet, wurde zwar international verurteilt und immerhin mit Sanktionen geahndet, insgesamt wurde sie jedoch nicht als kriegerische Handlung Russlands verstanden. Der elementare Völkerrechtsbruch und die beispiellose Besetzung des Nachbarlandes reichten für eine deutlichere Reaktion von westlichen Staaten nicht aus.
Im April 2014 überquerten bewaffnete Einheiten die russisch-ukrainische Grenze unter der Führung des ehemaligen FSB-Agenten Igor Girkin, auch bekannt unter dem Rufnamen Strelkow (abgeleitet von „Schütze“ im Russischen). Girkin, der bereits zuvor mit einer Gruppe russischer Agenten die Besetzung des Krim-Parlaments und die Durchführung des „Referendums“ organisierte, ist ein Nationalist und Imperialist, der sich für eine Verbindung der besetzen Krim mit dem russischen Festland durch die Eroberung „Noworossijas“ aussprach. Ausgehend von den Städten Slowjansk und Kramatorsk besetzten die Milizen unter Girkin öffentliche Gebäude. Die ukrainische Armee wurde von dem Angriff überrumpelt und konnte Slowjansk erst im Juli 2014 befreien. Unterdessen schickte Putin nach mehreren Aufrufen aus den im April selbsternannten „Volksrepubliken“ russische Einheiten in die Ostukraine. Diese wurden später als russische Touristen deklariert, vom Kreml jedoch zu keinem Zeitpunkt als reguläre russische Einheiten bezeichnet. Girkins Milizen zogen unterdessen weiter nach Donez‘k. Die Kämpfe im Donbas nahmen durch die russische Entsendung von Truppen in ihrer Intensität durch die Ausrüstung mit professionellerem Personal und Equipment dramatisch zu: Der Donez‘ker Flughafen wurde komplett zerstört, bei dem Massaker von Ilowajsk wurden ukrainische Einheiten im Spätsommer eingekesselt und mehr als 1.000 Soldaten bei ihrem Fluchtversuch getötet. Die Schlacht um Debalzewe war durch den von pro-russischer Seite gebrochenen Waffenstillstand ein weiterer Tiefpunkt für die Ukraine im Februar 2015. Bis zum vollumfänglichen Angriffs Russlands auf die Ukraine starben im von Russland angezettelten Krieg in der Ostukraine mehr als 14.000 Menschen.
Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen
Der Donbas unter russischer Führung wurde zu einem Ort für Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen. Personen, die sich nicht pro-russisch oder anti-ukrainisch äußern wollten, wurden bedroht und letztlich dazu gezwungen, die besetzten Gebiete zu verlassen, darunter unabhängige Journalisten oder Wissenschaftler. Im Laufe des Krieges wurden außerdem viele Fälle von Folter gegen ukrainische Soldaten, die Deportation von ukrainischen Kindern und der Einsatz von Kindersoldaten aus den besetzten Gebieten gegen die ukrainische Armee bekannt. Nicht zu vergessen sind die Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung politischer Aktivisten auf der Krim. Diese gerieten auch in der ukrainischen Gesellschaft oft in Vergessenheit und wurden von den Kriegshandlungen im Donbas überschattet. Insbesondere viele Krimtataren wurden vom russischen Besatzungsregime zu langen Haftstrafen wegen angeblicher terroristischer Vorhaben verurteilt oder mussten ihre Heimat verlassen und flohen auf das ukrainische Festland.
International bekam der Krieg im Donbas zwischenzeitlich durch den Abschuss des Passagierfluges MH17 mit einer russischen BUK-Rakete im Juli 2014 durch die pro-russischen Milizen in der Ostukraine mehr Aufmerksamkeit. Igor Girkin triumphierte zunächst selbst auf dem russischen „Piraten-Facebook“ vkontakte, dass die pro-russischen Milizen ein ukrainisches Flugzeug abgeschossen hätten. Als klar wurde, dass es sich um ein Passagierflugzeug mit 298 Personen überwiegend aus den Niederlanden handelte, löschten die pro-russischen Milizen ihre Videos und Prahlereien umgehend.
Wegen seiner Auftritte in der Öffentlichkeit und den sozialen Medien über die Kriegshandlungen der russischen Einheiten wurde Girkin bereits 2014 nach Moskau zurückbeordert und kaltgestellt. Im November 2022 wurde er für den Abschuss der MH17 von einem niederländischen Gericht zusammen mit zwei weiteren Personen zu einer lebenslangen Haftstrafe in Abwesenheit verurteilt. Anfang dieses Jahres wurde er wegen „Aufrufen zum Extremismus“ von einem russischen Gericht zu vier Jahren Straflager verurteilt, inoffiziell da er das russische Vorgehen in der Ukraine als zu schwach kritisierte und Wladimir Putin beleidigte. Girkin agierte als eine Marionette von vielen in der Ukraine, die sehr offen mit ihren Gewaltakten und imperialistischen Gedanken über die Ukraine aufgetreten sind.
Russische Desinformation und westliche Steigbügelhalter
Russische Desinformationskampagnen liefen bereits 2014 auf Hochtouren, um Verwirrung über angebliche Faschisten in der Ukraine und die vermeintliche Verfolgung der russischsprachigen Bevölkerung in der Ukraine zu stiften und damit den aus Russland gesteuerten Akteuren in der Ostukraine mehr Legitimität zu verleihen. Besonders prominent wurde der Mythos über einen Jungen, der von ukrainischen Soldaten entführt und gekreuzigt worden sei. Im Nachhinein stellten sich die Mutter des Jungen als eine bezahlte Schauspielerin sowie die gesamte Geschichte als fingiert heraus.
Der Abschuss der MH17 wurde zu einem Musterbeispiel der russischen Desinformation: Nach dem Abschuss verbreiteten russische Medien und Accounts mit besonders hoher Frequenz aus der „Troll-Fabrik“ in St. Petersburg des mittlerweile getöteten Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin Darstellungen, wonach ukrainische Einheiten Flug MH17 abgeschossen hätten. Dies zeigt den Umgang mit alternativen Fakten auch von offizieller russischer Seite: Wenige Tage später hielt der Kreml eine Pressekonferenz ab, in der viele der Behauptungen aufgenommen und mit Bildmaterial untermauert wurden. Dank der minutiösen Nachforschungen des Recherchenetzwerks Bellingcat konnten die Herkunft des BUK-Systems aus der russischen Stadt Kursk sowie die verantwortlichen Personen aus den Reihen der russischen Geheimdienste sowie der pro-russischen Milizen nachgewiesen und öffentlich werden. In der Folge wurde Bellingcat Opfer von russischen Cyberattacken, und russische Staatsmedien, Trolle und Offizielle versuchten, das Recherchenetzwerk zu diskreditieren und als unglaubwürdig darzustellen. Die umfangreiche Recherche und Aufdeckung von Bellingcat dauerte mehrere Jahre an, so dass russische Narrative in der Zwischenzeit Unklarheit über den Abschuss streuen konnten, obwohl die Hinweise bereits 2014 deutlich waren. Nach der Bellingcat-Veröffentlichung war die Aufmerksamkeit zunächst wieder abgeflacht und russische Narrative hatten sich erfolgreich verbreitet.
Zuhauf wurden in dieser Zeit auch russische Narrative mit imperialen Ideen über die Ukraine verbreitet. Im Westen wurden diese Narrative von vielen Entscheidungsträgern als Rechtfertigung für die Rückkehr zum Tagesgeschäft weitergetragen; sie bedienten die Darstellung, dass die Ukraine eben zur russischen Einflusssphäre gehöre.
Als weitere Legitimierungsversuche der Krim-Annexion und der Ausrufung der sogenannten „Volksrepubliken“ boten sich westliche Politikerinnen und Politiker als Steigbügelhalter für Kreml-Propaganda an. Insbesondere Parteipolitiker aus dem linken und rechten Spektrum aus ganz Europa nahmen an dem sogenannten „Referendum“ auf der Krim im März 2014 als „Wahlbeobachter“ teil oder besuchten die Krim bzw. die selbsternannten „Volksrepubliken“ auf Einladung des Kremls. Darunter waren beispielsweise Vertreterinnen und Vertreter der FPÖ, Front National, Lega Nord, der Linken und der AfD.
Ein besonders brisanter Fall der aktiven Unterstützung für den Kreml wurde 2019 bekannt. Manuel Ochsenreiter, damals Bundestagsmitarbeiter eines AfD-Abgeordneten, stiftete offenbar zwei polnische Personen zur Brandstiftung und Beschmieren des ungarischen Kulturinstituts mit Hakenkreuzen in der westukrainischen Stadt Uschhorod an. Der Anschlag sollte die anti-ukrainische Stimmung unter der ungarischen Minderheit in der Ukraine verstärken und die Tat auf ukrainische Nationalisten schieben. Der Plan ging jedoch nach hinten los: Die polnischen Verdächtigen wurden später angeklagt. Manuel Ochsenreiter entging einer Anklage und floh nach Moskau, wo er unter unklaren Umständen 2021 laut russischen Angaben an einem Herzinfarkt starb.
Innenpolitische Herausforderungen und Selenskyjs demokratischer Wahlsieg über Poroschenko
Innenpolitisch musste sich die Ukraine nach Janukowytsch Flucht und den erfolgreichen Maidan-Protesten umorganisieren und Neuwahlen durchführen. Dieses Fenster und die militärische Unterlegenheit nutzte Russland, um zunächst die Krim im Februar noch vor Janukowytsch Flucht zu annektieren und den Krieg im Donbas im April zu entfachen. Für die Ukraine bedeutete dies nicht nur einen enormen wirtschaftlichen Verlust mit dem Donbas als wichtiges Kohle- und Industriegebiet, sondern auch, dass sie die Folgen der massiven Binnenflucht organisieren und auffangen musste. Die unterlegene ukrainische Armee musste sich für den Krieg erst modernisieren und umstrukturieren, so dass sie nunmehr den vollumfänglichen Angriff Russlands seit 2022 bisher erfolgreich, wenn auch unter hohen Verlusten abwehren konnte. 2014 war sie gezwungen, die Krim ohne militärischen Widerstand aufzugeben und konnte die russlandgesteuerten Milizen erst nach mehreren Monaten zurückdrängen.
Der im Mai 2014 gewählte Präsident Petro Poroschenko musste militärisch mit einer größtenteils sowjetisch organisierten und schlecht ausgestatteten Armee den Verteidigungskrieg führen und gleichzeitig den hohen Reformerwartungen der aktiven ukrainischen Zivilgesellschaft gerecht werden. Poroschenko – wegen seines Schokoladen-Imperiums „Roshen“ auch als Schokoladenkönig bezeichnet – geriet dabei aber auch massiv in Kritik. Bis zuletzt blieb unklar, ob er seine Geschäftstätigkeit in Russland beendete. Mit Poroschenkos Einverständnis kaufte der ukrainische Staat den Machthabern aus den besetzten Gebieten Kohle ab – offenbar in Absprache mit dem Putin-Vertrauten und ukrainischen Oligarchen Medwedtschuk – zur Sicherung der ukrainischen Energieversorgung. Zwar gab es bis 2017 kein rechtliches Verbot für den Handel mit den selbsternannten „Volksrepubliken“, in der ukrainischen Gesellschaft und der Armee gab es jedoch wenig Verständnis für diese Form der Finanzspritze für die pro-russischen Milizen.
Auch die Korruption im Land grassierte weiter. In einem besonders brisanten Fall einer illegalen Abholzung eines Naturschutzgebiets konnte die Aktivistin Kateryna Handsjuk nachweisen, dass hohe Repräsentanten des Stadtrats und des Chersoner Gebietsrates in die Angelegenheit verwickelt waren und sich bereichert haben. 2018 wurde sie Opfer eines perfiden Anschlages mit Schwefelsäure, an dessen Folgen sie starb. Aktivisten konnten die Verstrickung von Politikern an dem Mordanschlag nachweisen, das ukrainische Justizsystem musste jedoch regelrecht von der Zivilgesellschaft getrieben werden, damit eine enge Beweisführung und gerichtliche Anhörungen durchgeführt wurden. Wladislaw Manher, bis 2020 Vorsitzender des Chersoner Gebietsrat, wurde 2023 zu 10 Jahren Haft verurteilt. Der Fall steht nicht nur exemplarisch für die Korruption im Lande, sondern auch für die systemische Verschleppung von politisch motivierten Anschlägen und mangelnde Rechtsstaatlichkeit zu der Zeit in der Ukraine.
Demokratiedefizite wie diese werden von Ukraine-Kritikern gerne genutzt, um die militärische und demokratiefördernde Unterstützung für die Ukraine als fraglich darzustellen. Zu Poroschenkos Erfolgen gehören unter anderem die Dezentralisierungsreform, die Etablierung der Anti-Korruptionsbehörde (NABU) sowie die Polizeireform zur Vorbeugung von Korruption. Als größter demokratischer Erfolg der Ukraine ist die demokratische Abwahl durch seinen Herausforderer Wolodymyr Selenskyj hervorzuheben, denn die Ukraine zeigte damit, dass sie trotz der militärischen Intervention Russlands friedliche Machtübergaben gewährleisten kann und zivilgesellschaftlichen Druck in ihrem politischen Prozess ernst nimmt.
Internationale „Reaktiönchen“ und Rückkehr zum „Business as usual“
Die Annexion der Krim löste anfangs viel Empörung und Solidaritätsbekundungen in westlichen Hauptstädten aus. Der Ausschluss Russlands aus der G8 und die wenig koordinierten Sanktionen gegen Russland, die später erfolgreich auch personenbezogen nachjustiert wurden, waren symbolische Zeichen, verhallten in ihrer Wirkung aber größtenteils. Bereits 2015 ging die deutsche Bundesregierung zum Tagesgeschäft über, indem sie unter der Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel dem Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 zustimmte – gerade einmal ein Jahr nach der Annexion der Krim. Zur gleichen Zeit musste die Ukraine herbe Niederlagen auf dem Schlachtfeld hinnehmen. Auch die Minsker Verhandlungen 2014 und 2015 waren eine weitere Niederlage für Poroschenko. Unter Führung des sogenannten Normandie-Formats war er in dieser schlechten Ausgangssituation gezwungen, das Waffenstillstandsabkommen zu unterzeichnen. In einer Verfassungsänderung der Ukraine wurden den pro-russischen Milizen Wahlen in den besetzten Gebieten zugestanden und den Regionen Autonomierechte nach Abhaltung der Wahlen unter OSZE-Standards zugesichert. Der Kreml machte jedoch deutlich, was er von internationalen Abkommen hält: Der damit einhergehende Waffenstillstand wurde von (pro-)russischer Seite bereits drei Tage nach Unterzeichnung der Minsk II Vereinbarungen gebrochen und mit dem Sturm auf Debalzewe beantwortet. Minsk II war somit Geschichte. Der Kreml unterstrich damit nochmals seine Haltung zu den im Budapester Memorandum zugesicherten Souveränitäts- und Sicherheitsgarantien für die Ukraine – er hält sie spätestens seit der russischen Invasion für gegenstandslos.
Präsident Selenskyj machte mit seinen Initiativen zur Beilegung des Krieges zwischen 2019–2022 ähnliche Erfahrungen. So wurde das Normandie-Format 2019 wiederbelebt. Einer der wenigen Lichtblicke war dabei ein großer Gefangenenaustausch, bei dem unter anderem der bekannte ukrainische Regisseur Oleh Senzow seine Freiheit wiedererlangte. Darüber hinaus hielt Putin an den Minsker Vereinbarungen fest, die für Selenskyj jedoch innenpolitisch kaum umsetzbar waren, da diese bereits zahlreich gebrochen wurden. Besonders deutlich wurde die russische Haltung während der Gespräche: Präsident Selenskyj, der zunächst auf Ukrainisch sprach, wollte einen großen Schritt auf die russische Delegation zugehen, indem er seinen Wortbeitrag auf Russisch fortführte. Außenminister Lawrow und Putins Berater Surkow machten indes ihr Interesse an dessen Ausführungen deutlich: Sie setzen sich die Übersetzungskopfhörer wieder auf und unterhielten sich lautstark.
Bis Februar 2022 war deutlich geworden, dass der Westen die Krim-Annexion und den russischen Krieg im Donbas wieder vergessen hatte. Putin hatte Russland durch die massive Unterstützung des Assad-Regimes wieder als gefährlicher Akteur in die Weltpolitik katapultiert. Auch die russische Mobilisierung ab April 2021 entlang der ukrainischen Grenze wurden nicht entschieden beantwortet. Der Westen und auch Deutschland machten es sich bequem im mitteleuropäischen Frieden und gingen wirtschaftspolitisch zum „Business as usual“ zurück – und stärkten somit Russland in seinen Vorbereitungen auf den Krieg. Das böse Erwachen gab es am 24. Februar 2022, als ganz Europa wachgerüttelt wurde und sich eingestehen musste, dass es die Kriegshandlungen Russlands in der Ukraine wie auch bereits den Krieg gegen Georgien 2008 nicht als solche sehen wollte. Tatsächlich hätte dies bereits frühzeitig verstanden werden können, wenn der Westen sich nicht von russischen Offiziellen und Desinformationskampagnen hätte blenden lassen. Stattdessen hätten die Analysen von Russland- und Ukraine-Experten und Warnungen seiner östlichen Nachbarn im Baltikum und Polen über Russlands Vorgehen und Ziele ernstgenommen werden müssen. Auf die zahlreichen Kriegsverbrechen der pro-russischen Milizen wie den Abschuss der MH17 oder den nachweislichen Einsatz von Folter und Kindersoldaten als Kriegsmittel hätten westliche Regierungen und Deutschland frühzeitig entschieden reagieren müssen, um die russische Aggression einzudämmen. Dass nach über zwei Jahren Totalkrieg, mit den schlimmsten Verbrechen in Butscha und Irpin, die Ukraine immer noch nicht alle Mittel zur Selbstverteidigung zur Verfügung hat, ist ein weiteres Versagen des Westens mit den schlimmsten Folgen. Auch der Verbleib zahlreicher u.a. deutscher Unternehmen in Russland ist ein Skandal. Mit seinem gezielten Raketenangriff auf ein Kinderkrankenhaus in Kyjiw Anfang Juli hat der Kreml erneut unterstrichen, dass er nicht an einem Frieden interessiert ist, sondern seinen Krieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung auch nach 10 Jahren brutal fortführt und ausweitet. Jede Forderung nach Verhandlungen ohne verstärkte militärische Unterstützung der Ukraine ist somit reine Realitätsverweigerung.