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Südafrika
"Wie viele Mandelas muss es geben, um den Populismus zu stoppen?"

Unsere Afrika-Expertin Barbara Groeblinghoff über das Erbe Nelson Mandelas

Zusammen mit Mahatma Ghandi und Martin Luther King gilt Nelson Mandela als eine der großen inspirierenden Ikonen des 20. Jahrhunderts. Dabei wird vor allem bei besonderen Anlässen, wie etwa Nelson Mandelas 100. Geburtstag, gerne in etwas ahistorischer Weise vergessen, dass diese Männer, jeder zu seiner Zeit, als Kriminelle, Aufrührer und – im Falle von Nelson Mandela – als Terroristen angeprangert, verfolgt und eingesperrt wurden.

Auch wird gerne ignoriert, dass die politischen Wertvorstellungen, für die Nelson Mandela stand und die er so eloquent bei seinem Gerichtsprozess 1964 vortrug und verteidigte, heute in Südafrika wieder unter Druck stehen. Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz, die Grundsätze des Rechtsstaates, die Meinungs- und Versammlungsfreiheit, alle diese ur-liberalen Werte für die er an seinem 100. Geburtstag international gefeiert wird, werden heute von seinen Erben stärker denn je in Frage gestellt.

Wie so oft in der Geschichte gibt es auch zu Südafrikas unmittelbarer Geschichte keine allgemeine oder herrschende Lehrmeinung, wie genau und warum sich der Übergang von der Apartheid hin zur Demokratie gestaltet hat. Es gibt inzwischen dutzende Bücher, Artikel, Filme, Aufzeichnungen und Abhandlungen von so unterschiedlichen Verfassern wie Nelson Mandela selbst, dem Chef des Apartheid-Geheimdienstes, des britischen Botschafters a.D., liberalen und kommunistischen Politikern, Priestern, ehemaligen Studentenführern, Dichtern, Journalisten, Politologen, Ökonomen, Historikern und vielen mehr. Ein gutes Beispiel für diese Meinungsvielfalt ist die Diskussion um die Bedeutung der von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit ausgerichteten Konferenzen in Dakar und Leverkusen, bei denen sich Vertreter der weißen Minderheit mit ANC-Führern Ende der 80er Jahre trafen. Während afrikanische Nationalisten die beiden Treffen als unbedeutend bewerten, sehen liberale Kreise im In- und Ausland hier den Schlüssel zum Ende der Apartheid.

Dieser Streit um die Deutung der Geschichte hat auch konkrete Konsequenzen für das Erbe Mandelas. Viele seiner eher liberalen Wertvorstellungen werden seit einiger Zeit vor allem von der liberalen Oppositionspartei und dem Stiftungspartner Democratic Alliance (DA) in Mandelas Namen in die öffentliche Diskussion eingebracht. Parallel dazu wird Mandelas Erbe von den extremen Populisten, den Economic Freedom Fighters (EFF), für die grassierende Armut und große Arbeitslosigkeit in Südafrika verantwortlich gemacht. Die EFF vertritt die Ansicht, Mandela habe seine schwarzen Anhänger „verkauft“, indem er das Recht auf Privateigentum in der Verfassung verankerte. Die Wirklichkeit wird hierbei wie so oft ausgeblendet. Die Tatsache, dass weder Armut noch Arbeitslosigkeit mit Mandelas Erbe oder der liberalen südafrikanischen Verfassung zu tun haben, sondern das Ergebnis ausufernder Korruption und Inkompetenz des seither regierenden African National Congress (ANC) sind, erscheint zu selten in der politischen Diskussion. Letztlich nimmt auch der ANC die Argumentation der negativen Folgen des Erbes Mandelas auf, um Wähler vom eigenen Versagen abzulenken.

Einen authentischeren Eindruck von Mandela und seinem Vermächtnis als Ikone, Politiker und Mensch bieten die Interviews, die die Stiftung für die Freiheit mit drei führenden südafrikanischen Politikern anlässlich des Mandela-Jubiläums geführt hat In diesen Interviews wird deutlich, was das Vermächtnis Mandelas heute wirklich für Südafrika bedeutet.

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Der Streit um die Deutung der südafrikanischen Zeitgeschichte wird noch viele Jahrzehnte andauern. Es bleibt zu hoffen, dass zu Mandelas 200. Geburtstag er für seinen Beitrag zum Ende der Apartheid ohne irgendwelche negative Instrumentalisierung gefeiert werden kann. Nicht zuletzt sind aber neben seinem politischen Wirken auch seine großartigen menschlichen Qualitäten vorbildhaft. Dies wird in der erhitzen politischen Diskussion viel zu oft vergessen. Mandela überzeugte durch seinen großen Mut, seine tiefe Menschlichkeit und seine kluge Einschätzung seiner selbst und anderer. Seine Worte sprechen für sich: “People tend to measure themselves by external accomplishments, but jail allows a person to focus on internal ones, such as honesty, sincerity, simplicity, humility, generosity and an absence of variety. You learn to look into yourself.”

Barbara Groeblinghoff ist Projektleiterin der Stiftung für die Freiheit in Südafrika.