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Südafrika
Einheitsregierung in Südafrika: Warum die Ex-Erzfeinde das Land voranbringen könnten

Der ANC und die bisherige Oppositionspartei Demokratische Allianz regieren gemeinsam. Schon die letzte Einheitsregierung hatte dem Land gutgetan.
Der Vorsitzende der größten Oppositionspartei Democratic Alliance, John Steenhuisen, rechts, schüttelt dem ANC-Vorsitzenden die Hand.

Der Vorsitzende der bisherigen Oppositionspartei Democratic Alliance, John Steenhuisen, rechts, schüttelt dem ANC-Vorsitzenden die Hand.

© picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Themba Hadebe

Erfahrungen mit Regierungen der Nationalen Einheit hat Südafrika ja schon: die erste demokratisch gewählte Regierung im post-Apartheid Südafrika vor 30 Jahren.

Der African National Congress (ANC) unter Präsident Nelson Mandela führte sie an und koalierte mit der National Party (NP), die die Interessen einer rechtskonservativen weißen Bevölkerung vertrat, sowie der Inkatha Freedom Party (IFP), die auf politischer Ebene für die Zulu-Volksgruppe kämpft.

Nun ist es wieder so weit. Präsident Cyril Ramaphosa vom ANC hatte nach zweiwöchigen intensiven Verhandlungen mit Vertretern der zehn Parteien eine Einheitsregierung bekanntgegeben.

Cyril Ramaphosa

Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa spricht während einer im Fernsehen übertragenen nationalen Ansprache. Dabei gab er die Zusammensetzung seines neuen nationalen Exekutivkabinetts bekannt.

© picture alliance / Xinhua News Agency | Government Communication and Information System

Diesmal aus der Not geboren

Während Nelson Mandela die Regierung der Nationalen Einheit einst als symbolischen Akt der Versöhnung schuf, obwohl der ANC allein hätte regieren können, war die Partei nun erstmals gezwungen, eine Koalition einzugehen.

Denn der ANC verlor bei diesen als „historisch“ bezeichneten Wahlen erstmals die absolute Mehrheit und erhielt lediglich 40 Prozent der Stimmen. Es war ein politisches Beben.

Wichtigster Regierungspartner des ANC ist die liberale Democratic Alliance (DA), die rund 22 Prozent der Stimmen erhielt und ihre absolute Mehrheit in der Provinz Westkap behaupten konnte. Die DA hat ihre Wurzeln in der weißen parlamentarischen Opposition gegen das Apartheidregime.

Weitere Parteien des Bündnisses erhielten lediglich zwischen 0,18 (Hope Partei) und 2,06 Prozent (Patriotic Alliance) der Stimmen. Die IFP, vorwiegend in der Provinz KwaZulu-Natal beheimatet, ist auch wieder dabei.

Ringen um Kabinettsposten

Nachdem Präsident Ramaphosa mit den Stimmen der DA und der IFP als Präsident bestätigt worden war, rangen insbesondere die stärksten Parteien und Erzfeinde ANC und DA um Kabinettsposten.

Die DA erhielt vier Ministerposten und stellt vier Vizeminister, unter anderem in den wichtigen Ressorts Innenpolitik, Kommunikation und Digitales, Finanzen, Handel und Industrie sowie Elektrizität, Energie und Wasser.

Die Ministerien der DA sind zentral zur Verbesserung des Alltags

Dies sind zwar weniger als die rechnerisch zehn Ministerien, die der DA gemäß ihrem Stimmenanteil zustünden. Die Ressortverantwortlichkeiten bieten der DA jedoch die Gelegenheit, zu beweisen, dass sie die von den Wählern geforderten Verbesserungen in den Bereichen Arbeitsmarktpolitik, Wettbewerbsfähigkeit, Daseinsvorsorge und Korruptionsbekämpfung bewirken kann.

Südafrika leidet seit Jahren unter angekündigten Strom- und Wasserabschaltungen. Korruption, Misswirtschaft und eine der höchsten Arbeitslosenquote der Welt haben den Glauben der Bevölkerung an den ANC untergraben.

Die Opposition ist kämpferisch

Der gewünschte Wandel wird nicht einfach. Die neu gegründete, linksradikale Abspaltung des ANC, Umkhonto we Sizwe (MK) unter Altpräsident Jacob Zuma, erhielt fast 15 Prozent der Stimmen, die marxistisch geprägten Economic Freedom Fighters (EFF) weitere 9,5.

Der neue Oppositionsführer im Parlament, Richter John Hlope, war erst vor vier Monaten wegen Korruptionsvorwürfen als Oberster Richter der Westkapprovinz abgesetzt worden. Er bezeichnete Südafrikas Rechtsordnung als „Shitstem“, ein „Scheißsystem“, das dem Land von außen aufgezwungen worden sei.

Die neue Regierung kann sich also auf destruktiven Gegenwind im Parlament gefasst machen. Die Regierungen in den wichtigen Provinzen Gauteng und KwaZulu-Natal werden ebenfalls mit erheblichem Widerstand von MK und EFF zu kämpfen haben.

Vertrauen ist auf dem Tiefpunkt

Dass der ANC sich gegen eine Koalition mit den extremistischen Parteien MK oder EFF entschieden hat, lässt indes hoffen, dass noch ein echter Wille zu Reform und Erneuerung in der Partei vorhanden ist.

Dieser wird auch dringend benötigt, denn das Vertrauen in nahezu alle staatlichen Institutionen ist auf dem Tiefpunkt. Nur durch eine transparentere und effizientere Regierungsführung sowie ein kompromissloses Vorgehen gegen die allgegenwärtige Korruption ist ein positiver Wandel möglich.

Dieser Artikel erschien erstmals am 9. Juli 2024 beim Tagesspiegel.