Todestag
Ein großer Europäer
Hans-Dietrich Genscher war ein großer Europäer, der liberale Außenminister, der Architekt der Deutschen Einheit und Hallenser. Heute vor fünf Jahren ist er gestorben.
Was ihn als Politiker besonders auszeichnete? Dass er "Mensch" geblieben ist, authentisch und bodenständig. Nicht nur, dass er bei seinen Besuchen in Halle, zu DDR-Zeiten demonstrativ seinen gelben Pullunder trug. Es war seine Art, auf Menschen zuzugehen, sich auch als Außenminister mit seinen alten Schulfreunden zum Klassentreffen in Halle zu verabreden oder einfach nur den Bürgern auf der Straße zuzuhören. Seine Heimat Mitteldeutschland hat er bei allen politischen Entscheidungen in Zeiten des "Kalten Krieges" nie vergessen. Sein Lebensziel war es, die Deutsche Einheit in einem vereinten Europa zu verwirklichen.
Genscher begegnet uns fast überall auf dieser Welt. Vor sieben Jahren begann ich meine Tätigkeit als Generalkonsulin in Danzig, der Stadt in der 1980 von Lech Walesa die Solidarnosc gegründet wurde. Die Freiheitsbewegung, der wir Ostdeutschen auch unsere Freiheit zu verdanken haben. Genscher erzählte mir oft, dass die Polen bei den Verhandlungen zum Zwei-plus-Vier-Vertrag aus leidvoller Erfahrung befürchteten, von den Deutschen übergangen zu werden. So bat der polnische Außenminister Krzysytof Skubiszewski, mit am Verhandlungstisch zu sitzen. Genscher versprach, die Nachbarn nicht zu vergessen. Er schuf mit seiner Verlässlichkeit und seiner Glaubwürdigkeit weltweit Vertrauen für uns Deutsche. In Zeiten des Kalten Krieges setzte er auf Dialog, Frieden und Abrüstung.
Was würde er heute tun? Von Freiheit und Verantwortung sprechen, so wie auf dem Balkon der Prager Botschaft. Sein Geburtshaus in Halle ist die Begegnungsstätte Deutsche Einheit und erinnert an sein Vermächtnis.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 31.03.2021 in der Mitteldeutschen Zeitung.