Myanmar
Erstmals seit Jahrzehnten: Militärjunta richtet vier Dissidenten hin
Myanmars Armee hat am Wochenende zwei der bekanntesten Demokratie-Aktivisten des Landes sowie zwei weitere Junta-Gegner hingerichtet. Bei den Aktivisten handelt es sich um Kyaw Min Yu, besser bekannt als Ko Jimmy, und um Phyo Zayar Thaw, einem engen Vertrauten der gestürzten Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Die Junta warf allen Beschuldigten vor, “Terrorakte” begangenen zu haben. Die Verfahren fanden vor Militärgerichten unter dem Abschluss der Öffentlichkeit statt. Sie entsprachen nicht ansatzweise internationalen juristischen Standards und waren klar politisch motiviert. Erstmals seit 1990 sind damit in Myanmar, das in seiner jüngeren Geschichte ganz überwiegend vom Militär totalitär regiert wurde, wieder Todesurteile vollstreckt worden.
Seit dem Putsch am 1. Februar 2021 ist das Land extrem destabilisiert. Die Junta hat ihre Macht noch immer nicht konsolidiert. Nach der Niederschlagung friedlicher Proteste hatten sich Tausende Junta-Gegner zum bewaffneten Kampf gegen das Militär entschieden. Sie haben sich bewaffneten ethnischen Organisationen angeschlossen sowie Untergrund-Zellen gegründet. Die Junta ist nicht stark, sondern in einer gefährlichen Lage. Das Militär scheint es als notwendig anzusehen, durch Hinrichtungen Exempel statuieren zu müssen. Junta-Gegner sollen einschüchtert werden. Aus Sorge vor Vergeltungsmaßnahmen ihrer Gegner ließ die Junta am Montag laut Augenzeugen die Polizei- und Militärpräsenz in Yangon, Myanmars wirtschaftlichem Zentrum, deutlich erhöhen.
Prominente Aktivisten
Ko Jimmy, 53, war ein bekanntes Mitglied sogenannten 88er-Generation, einer Studenten-Bewegung, die 1988 für Demokratie demonstrierte und vom Militär brutal niedergeschlagen wurde. Zudem engagierte er sich 2007 in der Safran Revolution, gegen deren Anführer die Armee ebenfalls brachial vorging. Für seinen Aktivismus wurde er mehrfach verurteilt, insgesamt verbrachte er mehr als 15 Jahre im Gefängnis.
Trotz diese langen Jahre hinter Gittern ließ sich Ko Jimmy nicht einschüchtern. Auch nach dem Putsch 2021 kritisierte er die Junta öffentlich und engagierte sich für Demokratie. Er tauchte unter, doch im Oktober 2021 nahm das Militär ihn fest.
Phyo Zayar Thaw, 41, war Parlamentsabgeordneter für die National League for Democracy (NLD) und enger Vertrauter der gestürzten Regierungschefin Aung San Suu Kyi. Zudem war er ein bekannter Musiker. Mit seiner Band „Acid“ veröffentlichte er 2000 das erste Hip-Hop Album Myanmars. In seinen Songtexten kritisierte er bereits die damals herrschende Militärdiktatur. Mit vier Mitstreitern gründete er 2007 die pro-demokratische Jugendorganisation Generation Wave, die unter anderem Graffiti-Kunst für politische Botschaften verwendete. Für seinen Aktivismus wurde er 2008 verurteilt und musste ebenfalls mehrere Jahre im Gefängnis verbringen. Im November 2021 nahm ihn die Junta wieder fest.
Die Familien waren laut Medienberichten nicht über die bevorstehenden Hinrichtungen informiert worden. Die Hinterbliebenen beklagen zudem, ihre Angehörigen nicht einmal beerdigen zu dürfen - die Leichname werden ihnen nicht ausgehändigt.