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Hans-Dietrich Genscher
„Europa ist unsere Chance. Eine andere haben wir Deutsche nicht.“

Hans-Dietrich Genscher

Das Jahr 1989 bildete die „Geburtsstunde“ eines neuen, geeinten Europa. „Das Jahr 1989 wird von den Historikern als das europäischste Jahr des 20. Jahrhunderts bezeichnet werden“, war Genscher überzeugt. Niemals zuvor seien die Völker Europas einander so nahe wie damals. Die deutsche Wiedervereinigung schuf die Voraussetzung für die europäische Einigung und den Beginn einer neuen Epoche des europäischen Integrationsprozesses. Den Weg hierfür hatten die friedlichen Demonstrationen der DDR-Bürgerrechtsbewegungen, Gorbatschows Politik der Offenheit (Glasnost) und der Umgestaltung (Perestroika) und die polnische Solidarnosc-Bewegung geebnet.


„Europa ist unsere Chance. Eine andere haben wir Deutsche nicht. Deshalb ist deutsche Politik umso nationaler, je europäischer sie ist. Für den Frieden und eine glückliche Zukunft Europas zu arbeiten, das ist die europäische Berufung der Deutschen. (Rede in der Marktkirche von Halle, 17.12.1989, ebd. S. 237 f.)

Der weitere Prozess der europäischen Einigung war eines seiner zentralen politischen Anliegen. An Deutschland dürfe Europa nicht scheitern. Deutschland sah er in der politischen Verantwortung, die Zukunft Europas zu gestalten – mit Solidarität und dem Ziel, gemeinsam entwicklungsfähige politische wie rechtliche Rahmen zu setzen – wie bereits im Genscher-Colombo-Plan 1981 gefordert.

Am 7. Februar 1992 war es dann so weit: Mit der Unterzeichnung des Vertrags über die Europäische Union in Maastricht stimmten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft u.a. für die Fortentwicklung der Wirtschafts- und Währungsunion und eine gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik.

Genscher hatte bereits 1987 eine europäische Währung gefordert, um den Binnenmarkt zu stärken. Am 1. Januar 1999 wurde der Euro als elektronisches Zahlungsmittel eingeführt, drei Jahre später gab es dann das erste Bargeld in 12 EU-Ländern. Im Zuge der Debatte um ein mögliches Ende der Währungsunion sagte Genscher 2013: „Soziale Stabilität und Wohlstand, wie wir sie jetzt genießen, wären in einem Europa ohne EU nicht denkbar“. Ein Scheitern des europäischen Einigungsprozesses würde Deutschland am meisten treffen. Wer in Europa das größte Gewicht hätte, verliere auch am meisten, wenn Europa scheitere. (https://www.focus.de/politik/deutschland/einigungsprozess-am-scheideweg-genscher-scheitern-europas-wuerde-deutschland-am-meisten-treffen_aid_960057.html)

Aber die EU war nach Genschers Auffassung nicht das ganze Europa. Genscher sah eine Notwendigkeit zur Vertiefung der Kooperation mit Russland und den anderen Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion. Die Zusammenarbeit sollte eine gesamteuropäische Infrastruktur umfassen, etwa im Bereich der Energieversorgung, der Verkehrssysteme und Telekommunikation. (Focus Magazin 1997 https://www.focus.de/politik/deutschland/deutschland-sagen-sie-mal-hans-dietrich-genscher_aid_166253.html). In einem Interview 2014 bekräftigte Genscher: „Es gibt in Europa keine Stabilität ohne Russland, und erst recht nicht gegen Russland." (https://www.focus.de/politik/ausland/genschers-krude-putin-thesen-in-europa-gibt-es-keine-stabilitaet-ohne-russland_id_4142180.html)

Genscher betonte stets die Bedeutung Europas für Deutschland. In seiner Rede in der Marktkirche von Halle am 17.12.1989 machte er deutlich: „Europa ist unsere Chance. Eine andere haben wir Deutsche nicht. Deshalb ist deutsche Politik umso nationaler, je europäischer sie ist. Für den Frieden und eine glückliche Zukunft Europas zu arbeiten, das ist die europäische Berufung der Deutschen."