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Neujahrsempfang in Brüssel
Liberale Impulse für Europas Zukunft

Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit feiert Neujahrsempfang in Brüssel
Podiumsdiskussion Jahresempfang

Roman Jakič, Leiter des südosteuropäischen liberalen Netzwerks LIBSEEN, die ukrainische Aktivistin Dr. Marta Barandiy, Gründerin der NGO Promote Ukraine; Anne Brasseur, Vorstandsmitlied der Friedrich-Naumann-Stiftung; Dr. Antonios Nestoras, Interimsdirektor des European Liberal Forum. (v.l.n.r.) 

© FNF Europe 

In der Bibliothèque Solvay, der ehrwürdigen Hochburg des Wissens auf dem Hügel des königlichen Leopolds-Parks der europäischen Hauptstadt Brüssel, fand am 31. Januar 2023 der Neujahrsempfang des Europäischen Dialogprogramms der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit etwa 200 Gästen statt. Das Themenspektrum des Zusammentreffens der europäischen Liberalen war breit aufgestellt: Angefangen von Fragen zur Erweiterung und Vertiefung der europäischen Integration bis hin zur Diskussion über die Rolle und Verantwortung der EU in der Welt.

Den Anfang machte eine Paneldiskussion unter der Leitung von Vorstandsmitglied Anne Brasseur über die weitere Ausgestaltung der Erweiterungspolitik der Europäischen Union. Der Erweiterungsprozess sei in den letzten zehn Jahren stagniert, so die einhellige Meinung des Podiums, das sich aus dem Interimsdirektor des European Liberal Forum, Dr. Antonios Nestoras, dem Leiter des südosteuropäischen liberalen Netzwerks LIBSEEN, Roman Jakič, und der ukrainischen Aktivistin Dr. Marta Barandiy, Gründerin der NGO Promote Ukraine, zusammensetzte. Auch wenn die Erweiterungspolitik der EU im letzten Jahrzehnt als gescheitert angesehen werden könnte, sind die vorherigen Erweiterungsrunden nach Ansicht von Dr. Antonios Nestoras insgesamt als größter außenpolitischer Erfolg der EU zu werten.

Flexibilisierung des Beitrittsverfahrens ist dringend notwendig

Die Einstufung der Ukraine und Moldaus als EU-Beitrittskandidaten  im Sommer 2022 sei vor allem von geopolitischen Überlegungen angetrieben, so Roman Jakič. Angesichts dieser Dringlichkeit sei ein möglicher Beitritt der Ukraine um das Jahr 2040 herum viel zu spät. Der Krieg gegen die Ukraine wurde von Russland auch deshalb losgetreten, weil die Ukraine sich nach Freiheit, europäischen Rechten und Werten sehnt. Der Wille in der ukrainischen Zivilgesellschaft, sich dem europäischen Haus anzuschließen, bestehe laut Dr. Marta Barandiy aber schon lange vor dem brutalen Einmarsch Russlands, insbesondere seit der größeren Erweiterungsrunde von 2004. Mit der Europäischen Politischen Gemeinschaft ist ein neues Austauschforum geschaffen worden, an dem 44 Staats- und Regierungschefs der EU, der Beitrittsländer sowie weitere potenzielle Kandidatenländer teilnehmen. Jeglicher zusätzliche Dialog zwischen der EU und den Beitrittsländern sei zunächst positiv zu bewerten, so Barandiy, allerdings müsse sich noch zeigen, inwieweit diese Plattform auch zur Konkretisierung der Beitrittsperspektive und der dringend notwendigen Überarbeitung des Erweiterungsverfahrens dienen könne. Eine Reform des Erweiterungsprozesses sei auch dringend notwendig und müsste vielmehr in ein mehrstufiges Verfahren mit Zwischenschritten umgewandelt werden, so die Meinung von Dr. Antonios Nestoras. Es könne nicht sein, dass man den Ländern entweder nichts oder alles anbietet, so der Leiter von ELF. Vielmehr müsse sich die Europäische Union bemühen, die Beitrittskandidaten schrittweise an die EU zu binden. Vielversprechend sei in diesem Zusammenhang der von Deutschland vorangetriebene Berliner Prozess, der mit konkreten Initiativen unter anderem auch zur regionalen Vernetzung der Westbalkan-Länder beitrüge und den Weg hin zu Visaliberalisierungen unterstütze, so die Einschätzung vom LIBSEEN-Vorsitzenden Jakič.

Auch wenn bis zur endgültigen Aufnahme der Westbalkan-Staaten sowie Staaten der östlichen Partnerschaft noch einige Zeit ins Land gehen wird, kommt es jetzt darauf an, dass die EU sich selbst im Rahmen von dringend benötigten institutionellen Reformen so aufstellt, dass sie zu einem aktiven und schlagkräftigen Akteur im globalen Maßstab werden kann, so das Fazit der Podiumsteilnehmer.

Geopolitische Rolle der EU und eigene Handlungsfähigkeit stärken

In dem anschließenden Neujahrsempfang wies Nicola Beer, Vize-Präsidentin des Europäischen Parlaments und Leiterin der deutschen Delegation in der liberalen Renew-Europe Fraktion, auf die Wichtigkeit von Europas Rolle in der Welt hin. Sich als geopolitische Union zu verstehen sei oberstes Gebot der Stunde. Dafür sei es zentral, dass die Europäische Union ihre eigene Handlungsfähigkeit ausbaut und ihre Widerstandsfähigkeit verbessert. Um im Wettrennen an Forderungen um immer weitere Hilfsgelder und subventionsbasierten Investitionsspritzen weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben, sollte die EU in die Weiterbildung ihrer Arbeitskräfte und die Innovationsfähigkeit ihrer Unternehmen investieren sowie ihre Handelsbeziehungen weltweit diversifizieren, so Beer.

In eine ähnliche Kerbe schlug auch der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit, Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué. Putins Einmarsch in die Ukraine sollte der liberalen Welt als Weckruf dienen, so Paqué Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und offene Gesellschaften seien wertvolle Güter, für die man kämpfen müsse. An erster Stelle stehen die Bekämpfung des Populismus und der Einsatz für Rechtsstaatlichkeit in Europa. Zweitens dürfe die EU nicht in die amerikanische Protektionismus-Falle tappen, sondern müsse im Rahmen einer neuen Allianz der Demokratien ihre Handels- und Investitionsbeziehungen mit befreundeten Staaten weltweit massiv ausbauen. Dafür könnten neue Handelsabkommen mit Ländern wie Australien, Neuseeland, Chile oder Mexiko wegweisend sein. 

Die Stiftung als Innovationsplattform für liberales Europa

Eine offene soziale Marktwirtschaft zu gestalten, Desinformation zu bekämpfen, Europas Rolle in der Welt neu zu definieren und ein Zukunftsmodell eines Europas bis 2050 zu entwerfen, sind auch die thematischen Schwerpunkte des Europäischen Dialogprogramms der Stiftung, wie der neue Regionaldirektor Jules Maaten hervorhob. Die Stiftung freut sich, das neue Jahr 2023 mit seinen Partnern und Freunden zu beginnen und im Rahmen von Projekten und Dialogformaten die Vernetzung liberaler Akteure in Europa voranzutreiben.